Fernwärme-Abrechnung
Zur Bestimmung der bezogenen Wärmemenge ist an jedem meiner Heizkörper ein Röhrchen mit einer Flüssigkeit angebracht. Wenn der Heizkörper warm wird, verdunstet ein bisschen von der Flüssigkeit. Am Ende der Heizperiode wird die Menge der verbliebenen Flüssigkeit auf einer Skala abgelesen und das Röhrchen getauscht. So wird die Abrechnung nach dem individuellen Verbrauch ermöglicht.
Leider verdunstet die Flüssigkeit nicht nur beim Einheizen, sondern in geringem Umfang immer. Auch nie benutzte Heizkörper zeigen 1–
Auch sonst ist die Verdunstung ungenau:
- Bei hohen Temperaturen verdunstet überproportional mehr, d. h. wer die Heizkörper voll aufdreht, zahlt etwas mehr, als er verbraucht hat. Der Unterschied ist aber nicht so extrem, dass man ständig durchheizen sollte.[1]
- Bei niedrigen Temperaturen ist die Verdunstung relativ konstant, d. h. es macht nicht viel Unterschied (nach meiner Beobachtung[2] ca. 30%), ob man einen Heizkörper ganz abdreht oder so stark drosselt, dass er nur 30°C warm wird.
Genauere Messverfahren
Neuere Geräte zur Heizkostenverteilung messen die Temperatur elektronisch. Vorteile:
- bei hohen und niedrigen Temperaturen relativ genau (insb. wenn auch die Raumtemperatur gemessen wird)
- keine Kaltverdunstung mehr – genauer: fast keine, denn ab 30°C wird grundsätzlich (auch im Sommer!) ein Verbrauch gemessen, um Betrug durch Vortäuschen einer hohen Raumtemperatur zu erschweren[3]
Nachteile:
- Durch die (nahezu) fehlende Kaltverdunstung zahlen begünstigte Wohnungen in Mittellage noch weniger und die, die viel heizen müssen, u. U. massiv mehr – eine Umverteilung in genau die verkehrte Richtung.
- teurer – wird aber oft übertrieben:
- Die LSW Energie GmbH & Co. KG in Wolfsburg verrechnet für einen elektronischen Heizkostenverteiler nur wenige Euro (pro Jahr?) mehr als für klassische Verdunster.
- Die Ablesefirma Minol gibt an, dass der Preis "etwa das Fünffache" beträgt.[4] Konkrete Zahlen nennt sie nicht, aber das Fünffache von z. B. 2 € wäre nicht absurd viel. Die Elektronik hält bis zu 10 Jahre, und die jährlich zu tauschenden Glasröhrchen kosten auch ein bisschen was (1982 kostete eines 60 Pfennig, d. h. 30 Cent).
Elektronische Verbrauchsmesser können auch mit Funk ausgestattet werden, wodurch die Daten automatisch zur Abrechnungsfirma kommen können. Das spart Ablesekosten (was aber von den teuren Ablesefirmen nicht unbedingt an die Mieter weitergegeben wird) und es entfällt die Möglichkeit zu Betrug durch Bestechung der Ableser. Andererseits sind diese Geräte natürlich noch teurer und sensible Menschen werden sich über den Elektrosmog aufregen.
Ein Manko aller bisher erwähnten Verbrauchsmesser ist, dass sie nur die über den Heizkörper abgegebene Wärme erfassen. Wenn es viele ungedämmte Rohre gibt, dann ist in Deutschland eine Berücksichtigung des Rohrwärmeanteils in der Heizkostenabrechnung vorgeschrieben.[5] In Österreich verlangt das Heizkostenabrechnungsgesetz (§ 5, Absatz 3), dass von der gesamt gelieferten Wärme zumindest die Hälfte über Heizkörper abgegeben werden muss.[6] In Österreich wird aber anscheinend die verbrauchsabhängige Abrechnung kaum hinterfragt, obwohl es Häuser mit ungedämmten Heizrohren auch bei uns gibt. (Ich wohne selbst in einem.)
Am exaktesten wäre ein Wärmezähler für jede Wohnung. Dieser kann die gesamte von der Wohnung bezogene Wärme messen, ist aber meist zu teuer.
Gerechte Abrechnung
Eine 100% gerechte Aufteilung der Heizkosten ist auch mit viel Aufwand nicht möglich, weil nicht offensichtlich ist, wer für die Wärme, die zu einem Nachbarn fließt, zahlen soll – der Nachbar will es vielleicht gar nicht so warm haben und sieht sich zwangsbeglückt. Sicher nicht gerecht ist:
- wenn ein Mieter die Fernwärme komplett kündigt und seine Wohnung von den Nachbarn gratis mitbeheizen lässt oder
- wenn die Heizkosten einfach pro Wohnfläche aufgeteilt werden – Es gibt dann keinen Anreiz zum Heizenergiesparen.
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Weblinks
Quellen
[1] | Arbeitskreis der Professoren für Regelungstechnik in der Versorgungstechnik: Meßtechnik in der Versorgungstechnik, Berlin: Springer, 1997, Kapitel 9.1.3 (PDF), S. 377 (im PDF S. 8), Bild 9.1.3–[2]
| Die Überfüllung meiner Röhrchen reicht laut Wien Energie für 120 Tage bei 20°C. Tatsächlich reicht sie über den Sommer nur 100 Tage (20% schneller). Bei 30°C wird es noch etwas mehr sein.
| [3]
| Kuppler, F.: "Europaweit einheitliche Anforderungen an Heizkostenverteiler", Heizungsjournal, 2/1995 lt. Arbeitskreis der Professoren für Regelungstechnik in der Versorgungstechnik: Meßtechnik in der Versorgungstechnik, Berlin: Springer, 1997, Kapitel 9.1.3 (PDF), S. 380 (im PDF S. 11)
| [4]
| Frank Peters: Handbuch zur Wärmekostenabrechnung. Fachinformation für Wohnungsverwalter, Vermieter, Heizungstechniker und -ingenieure (PDF, 2 MB), S. 92 (im PDF S. 28)
| [5]
| Ista: Berücksichtigung der Rohrwärmeabgabe in der Heizkostenabrechnung (PDF, 2 MB), S. 3 – Gerichte erklärten, "dass die Heizkosten bei einem zu niedrigen Anteil der erfassten Wärme vollständig nach Wohnfläche zu verteilen sind." Dann müssen die Mieter aber "gemäß § 12 Abs. 1 Heizkostenverordnung um 15 %" weniger zahlen.
| [6]
| Der Mieter. Fachzeitschrift der Mietervereinigung Österreichs, 12.2013, "Verbrauchsaufteilung – eine Illusion", S. 71 (im PDF S. 13)
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