Mario Sedlak
Fernwärme
Energie
Umweltschutz
Haushalt
Geld
Hauptthemen

Fernwärme-Kündigung

In meinem Vertrag mit den Heizbetrieben Wien Ges. m. b. H. (heute Wien Energie) steht:

Der Vertrag wird auf die Dauer des Mietverhältnisses zwischen Hauptabnehmer und Abnehmer ("Mietverhältnis") geschlossen und ist ... während dieser Zeit beiderseits unkündbar.

Dieser Vertrag stammt aus dem Jahr 1990. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) aus dem Jahr 2004 erklärt diese "unendliche Vertragsbindung" für unzulässig. Grundlage für diese Entscheidung ist das Konsumentenschutzgesetz.

Aber auch in meinem Mietvertrag mit der Stadt Wien steht:

Der Mieter/die Mieterin verpflichtet sich, keine andere Heizung als die von der Vermieterin installierte zu benützen und mit den Heizbetrieben Wien Ges. m. b. H. einen Wärmelieferungsvertrag abzuschließen, der auf die Dauer des Mietverhältnisses besteht. Dieser kann vom Mieter/der Mieterin nur zugleich mit dem Mietverhältnis gekündigt werden.

Ob der Vermieter einen Fernwärme-Zwang durchsetzen kann, ließ der OGH offen. Es wäre jedoch unplausibel, wenn der Gesetzgeber dem Verbraucher über das Konsumentenschutzgesetz Rechte erteilt, die er ihm über das Wohnrecht wieder nimmt, argumentierte ein Rechtsgutachten.[1]

Foto

Abgesperrte Fernwärme-Leitung

Die gelebte Praxis dürfte jedenfalls nicht so streng sein. Sowohl bei der Fernwärme Wien als auch bei Wiener Wohnen erfuhr ich im Juli 2014 an der Telefon-Hotline, dass ich die Fernwärme abmelden kann. Das koste einmalig 100 € und danach ist weder eine Grundgebühr noch sonst etwas an die Fernwärme mehr zu zahlen. Auf meiner Stiege haben bereits 6 Mieter keine Fernwärme mehr. Ihre Wohnung ist dadurch max. 1–2°C kühler. Ich habe das bei mir getestet.

In deinem Wärmelieferungsvertrag kann eine angemessene Vertragsbindung vorgesehen sein. Gültig ist diese nur, wenn die Gründe hierfür nachvollziehbar offengelegt werden. Was "angemessen" ist, haben Gesetzgeber und Gerichte bisher nicht definiert. Ich erachte eine Bindung max. 10–20 Jahre nach erstmaligem Anschluss an das Fernwärmenetz für zulässig, da sich die Investitionen danach amortisiert haben sollten.

Kritik

Konsumentenschutzminister Herbert Haupt von der FPÖ freute sich:

Das Argument der Fernwärme Wien ..., dass "Trittbrettfahrer" in günstiger Mittellage des Wohnobjektes die Verträge kündigen und von umgebenden Wohnungen "mitbeheizt" werden, konnte den OGH glücklicherweise nicht überzeugen.

Aber bitte was ist das sonst, wenn nicht "Trittbrettfahren"? Wenn sich einige aus der Solidargemeinschaft verabschieden und für ihre warme Wohnung nichts mehr zahlen, müssen die anderen mehr zahlen:

Wie kann man so ein Gesetz machen und dessen Folgen auch noch bejubeln? Wieso soll es rechtlich nicht möglich sein, dass sich alle Mieter verpflichten, die Heizkosten gemeinschaftlich zu tragen? Heize ich irgendwann das halbe Haus allein?

Den Bewohnern im Erdgeschoß oder in Randlagen, die hohe Heizkosten haben, bringt das Gesetz gar nichts, da es für sie i. A. keine günstigere Alternative zur Fernwärme gibt, wenn überhaupt eine möglich ist. Im Bundesländerhof, wo ich wohne, könnte man allenfalls noch mit Strom heizen.

Mein Fazit

Es ist unfair, dass einzelne Mieter den Fernwärmevertrag kündigen können. Es wundert mich, dass diese Gesetzeslücke nicht geschlossen wird. Vielleicht passiert das erst dann, wenn es nicht mehr anders geht, weil die Zahl der Aussteiger zu groß wird. Ähnlich war es beim Abmelden des ORF-Fernsehens.

Andererseits ist eine Kündigung das einzige Druckmittel gegen Fernwärme-Firmen, die sich auf ihrem Monopol ausruhen und sich unglaubliche Sachen erlauben (willkürliche Preiserhöhungen, Verrechnung nicht erbrachter Leistung durch Kaltverdunstung, Beharren auf veralteten Verdunstungsröhrchen, ...). In diesen Fällen empfehle ich mittlerweile die Kündigung! Bei geringem Heizbedarf kommt u. U. sogar eine Stromheizung günstiger als Fernwärme.

Weiter

Warmwasser mit Fernwärme

Quellen

[1] Martin Schauer, Daphne Beig (Universität Wien): Zulässige Vertragsbindung bei Fernwärmelieferverträgen im Lichte des Verbraucherschutzrechts (PDF), S. 17

Seite erstellt am 11.7.2014 – letzte Änderung am 26.2.2023