Mario Sedlak
Umweltschutz
Themen
Geld
Irrtümer
Freizeit
Mathematik und Physik
Humor
Glaube
Computer
Wirtschaft
Gesellschaft
Über meine Artikel

Dieser Artikel wurde im SOL-Magazin, Frühling 2020, S. 18–20 veröffentlicht. Das SOL-Magazin ist eine Zeitschrift des "Nachhaltigkeitsvereins" SOL.


Foto

In Österreich wurden viele Windkraftwerke errichtet.

Ein weiter Weg zu 100% erneuerbarer Energie

Wir brauchen mehr Ökostrom, Speicher, Stromleitungen, Effizienz und Bescheidenheit.

Um die Klimaziele zu erreichen, darf die Menschheit ab dem Jahr 2050 keine Treibhausgase mehr ausstoßen. Das ist eine noch nie dagewesene Herausforderung. Derzeit decken erneuerbare Energien erst 14% des weltweiten Energiebedarfs.[1] Der Verbrauch fossiler Energien müsste rasch sinken, doch tatsächlich steigt der weltweite Treibhausgas-Ausstoß nach wie vor um 1–2% pro Jahr. In Österreich und anderen Industrieländern sind die Treibhausgas-Emissionen annähernd stabil oder leicht rückläufig, aber in keinem Land geht die Energiewende rasch genug voran, um die weltweite Temperaturerhöhung auf 1,5°C zu begrenzen.[2]

Stromerzeugung

Anteil heimischer Ökostrom
am gesamten Stromverbrauch in Österreich inkl. Verluste

Diagramm

Quelle: E-Control und Statistik Austria

Kaum zu glauben, aber früher hatten wir prozentual mehr Ökostrom als heute.

Österreich deckt knapp 70% des Strombedarfs mit heimischen erneuerbaren Energien. In den 1980er Jahren waren es sogar schon um die 80% (siehe Diagramm). Trotz erheblichem Zubau von Ökokraftwerken, der manchen bereits zu viel ist, konnten wir nicht einmal den Ökostrom-Anteil halten. Ursache ist das Stromverbrauchswachstum. Deswegen ist Stromsparen nach wie vor sehr wichtig. Aber trotz aller Anstrengungen wird der Stromverbrauch weiter steigen, weil z. B. kontrollierte Wohnraumlüftungen viel Heizenergie sparen, dafür jedoch Strom brauchen. Auch der Ausbau der Elektromobilität erfordert mehr saubere Kraftwerke. Aber welche?

Andere Länder, die nicht mit so viel Wasserkraft-Möglichkeiten wie Österreich gesegnet sind, haben einen noch viel längeren Weg bis zur Vollversorgung mit Ökostrom. Z. B. erzeugt Polen noch 3/4 des Stroms mit Kohle und Frankreich 70% mit Atomkraftwerken.[4] Trotzdem können Ökostromimporte für Österreich sinnvoll sein, denn am Meer kann viel Windstrom geerntet werden, und Solarzellen liefern in Südeuropa doppelt so viel Ertrag wie bei uns.

Foto

Pumpspeicherkraftwerk in Kärnten

Foto

Ohne starkes Stromnetz kann die Energiewende auf absehbare Zeit nicht Wirklichkeit werden.

Stromspeicher und Stromleitungen

Deutschland konnte innerhalb der letzten 20 Jahre den Ökostrom-Anteil von 5% auf 38% steigern. Ein beachtlicher Erfolg, aber mit einem Haken: Wenn es wenig Wind und Sonne gibt, dann werden fast so viele Gas- und Kohlekraftwerke wie früher benötigt. Der Ökostrom ersetzte in Deutschland hauptsächlich Brennstoff, aber die konventionellen Kraftwerke blieben als Reserve unverzichtbar. Wind und Sonne sind nicht steuerbar und Deutschland hat – im Gegensatz zu Österreich – nicht viele Gebirge, wo Stauseen errichtet werden können, in denen mittels Pumpspeicherkraftwerken Ökostromüberschüsse für Flautenzeiten gespeichert werden können.

Visionäre glauben, dass Akkus die Zukunft sind. Aber um auch nur den Strom für eine Woche zu speichern, bräuchte Deutschland Akkus, die 50 Millionen Tonnen wiegen[5] – so viel wie ein kleiner Berg! Und selbst wenn man Preissenkungen voraussieht,[6] würden diese Akkus so viel kosten, dass die Stromrechnung jedes deutschen Haushalts um 100 € pro Monat steigen würde.[7]

Pumpspeicher kosten nur rund ein Hundertstel so viel. Und das Beste: Es gibt in Europa bereits heute so viele Stauseen (vor allem in Skandinavien), dass damit der ganze Kontinent für 2 Wochen versorgt werden könnte![8] Was noch fehlt, sind starke Stromleitungen. Pumpspeicher und Stromnetzausbau sind die einzige Möglichkeit, um mit heutiger Technologie zu bezahlbaren Preisen auf 100% Ökostrom umzustellen. Wenn die Windräder und Solarzellen an idealen Standorten stehen, könnte der Strom trotz höherer Netzkosten sogar billiger als heute sein.

Weiter

Verkehr, Wärme, Industrie und Fazit (Seite 2 von 3)

Quellen

[1] IEA: Key World Energy Statistics 2019 (PDF), S. 6
[2] Climate Transparency: Brown to Green. The G20 Transition Towards a Net-Zero Emissions Economy (PDF, 16 MB), 2019, S. 19
[3] WWF: Panda-Magazin, 4/2019, S. 20
[4] IEA: Key World Energy Statistics 2019 (PDF), S. 19
[5]
  • Stromverbrauch von Deutschland: 600 TWh/Jahr = 11,5 TWh/Woche
  • Masse von Akkus: 4 kg/kWh
  • 11 500 000 000 kWh · 4 kg/kWh ergibt 46 000 000 000 kg = 46 000 000 t
[6] Eine Studie der Energy Watch Group nimmt an: Akkukosten fallen von 400 €/kWh (2015) auf 70 €/kWh (2050); dazugehörige Gleich- und Wechselrichter von 218–302 €/kW (2015) auf 35–56 €/kW (2050), Lebensdauer: 20 Jahre
[7]
  • Annahme: 100 € pro Kilowattstunde Akkukapazität (inkl. Elektronik, Gebäude und allem)
  • mal Kapazität 11,5 TWh = 11 500 000 000 kWh ergibt 1,15 Billionen €.
  • Dividiert durch 41,4 Millionen Haushalte ergibt 27 778 € pro Haushalt.
  • realistische Lebensdauer: 20 Jahre
  • ergibt 27 778/20 = 1389 €/Jahr oder 115 €/Monat pro Haushalt
[8]
  • Stromverbrauch in Europa: 3312 TWh/Jahr lt. Statistical Yearbook 2011 (PDF) von ENTSO-E, S. 10
  • Die Stauseen Europas können 179,7 TWh speichern – siehe Pumped Storage (PPT), Folie 10
  • Das ergibt einen Durchschnittswert von 179,7/3312 = 0,054 Jahren = 19 Tagen.