Dieser Artikel wurde im SOL-
Fahrplan zur grünen Fernwärme
Über die Energiewende bei der Stromerzeugung wird viel geredet. Das Heizen verdient allerdings mindestens genauso viel Aufmerksamkeit, denn hier ist die Herausforderung vielleicht sogar noch größer.
In Österreich macht der Strom am gesamten Energieverbrauch nur 20% aus. Für das Heizen und Kühlen werden insgesamt 30% aufgewendet; 7% entfallen auf Fernwärme. Das klingt nicht nach viel, aber ein großer Teil der Fernwärme wird heute durch die Verbrennung von Erdgas gewonnen,[1] und bis spätestens 2050 müssen wir unsere CO2-
Möglichkeiten
- Holz wächst zwar nach, aber nicht schnell genug, um den gesamten Heizbedarf decken zu können. Der Biomasse-
Verband hat errechnet, dass der heimische Brennstoff bei nachhaltiger Bewirtschaftung gerade mal für 1,3 Millionen Haushalte reicht. Das Wiener Biomasse- Heizkraftwerk Simmering verbrennt Holz aus einem Umkreis von 100 km, versorgt aber dennoch nur 12 000 Haushalte mit Fernwärme (und 48 000 mit Strom). Extra angebaute Energiepflanzen sind sicher nicht die Lösung, wie wir beim Agrosprit gesehen haben. - Gegen die Nutzung der Abwärme von Müllverbrennungsanlagen und die Verwertung von Essensresten spricht kaum etwas, aber damit kann nur ein kleiner Teil des Erdgases ersetzt werden, denn so groß, wie man oft glaubt, sind die Müllberge gar nicht.
- Wie wär's dann mit Erdwärme? Tief unter der Erde ist es wohlig warm, und dieser Wärmevorrat ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich. Allerdings kommt man da technisch nur schwer ran. In Wien-
Aspern wurde 2012 eine Bohrung nach rund 4 km abgebrochen, ohne das erwartete Thermalwasser zu finden. Bei manchen anderen Erdwärme- Projekten sind Bodenhebungen, Erdbeben und Grundwasserverschmutzungen (ähnlich wie bei Fracking) aufgetreten – auch nicht das Wahre. - Oberflächennahe Wärmepumpen haben kaum Nebenwirkungen. In Drammen (Norwegen) wird nach dem Prinzip des umgekehrten Kühlschranks Meerwasser zum Heizen verwendet. In der Schweiz nutzt man Seen, berichtet Thomas Fleckl vom Austrian Institute of Technology. Prinzipiell könnte man auf ähnliche Weise die Donau nutzen, allerdings arbeitet das Wiener Fernwärmenetz derzeit mit bis zu 160°C. Bei einer solch großen Temperaturanhebung wäre jede Wärmepumpe ineffizient.
- Mit Strom sollte man nicht heizen, selbst wenn man reinen Ökostrom kauft. Zwei Drittel des Stroms werden in Europa noch konventionell erzeugt.[2] Wir brauchen den Ökostrom dringend als Ersatz für Kohle-
, Gas- und Atomkraftwerke. Nur gelegentlich gibt es so viel Sonne und Wind, dass die vorhandenen Netze und Speicher nicht alles aufnehmen können. Dann ist ein simpler Heizstab ok. Die EVN hat kürzlich in Theiß eine 5-MW- Stromheizung in Betrieb genommen, die Stromüberschüsse in nutzbare Fernwärme verwandelt. - Wirklich großes Potenzial bietet die Sonne. Allerdings muss man die Wärme vom Sommer bis in den Winter speichern. Das wird in Dänemark mit gedämmten Wasserteichen gemacht. Ähnliches wird für Graz überlegt. Für 20% Solarwärme im Fernwärmenetz würden allerdings Sonnenkollektoren auf einer Fläche von 75 Hektar und ein Wasserspeicher mit 1 Million Kubikmeter Inhalt benötigt. Das wäre 5–
6 Mal größer als bisher jemals gebaut.[3]
Prognose
Wärmenetze wird es weiterhin geben, weil nur so Abwärme verwertet werden kann und weil Großanlagen effizienter sowie technisch einfacher sind. Um Hochhäuser in Städten rein dezentral mit Solarwärme oder Wärmepumpen zu versorgen, fehlt meist auch der Platz.
Das Ziel, bis 2050 ganz ohne fossiles Gas auszukommen, ist sehr ambitioniert und wahrscheinlich nur durch einen Mix von Maßnahmen zu erreichen. Ein konkretes Konzept gibt es selbst beim Verband "Erneuerbare Energie Österreich" noch nicht, wie dessen Sprecher Jurrien Westerhof einräumt. Auch der im Oktober 2015 präsentierte "Forschungsfahrplan", den der Klima- und Energiefonds beauftragt hat, ist vage. Klar ist, dass der Wärmebedarf massiv sinken muss. "Im Schnitt sind mindestens 50% Einsparung bei der Raumwärme erforderlich", meint Günter Wind von panSOL.
Weblinks
- Agentur für erneuerbare Energien, Forschungsradar Energiewende: Metaanalyse: Energiewende im Wärmesektor in Deutschland (PDF, 5 MB, 21 Seiten)
- Die Umweltberatung: Richtig heizen
Quellen
[1] | Statistik Austria laut F&E- | ||
[2] | ENTSO-[3]
| Christian Holter: Solarwärme neu gedacht – Fernwärme für Europas Städte (PDF), Solarthermie, 3/2015, S. 20 (im PDF S. 2)
| |