Mario Sedlak
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Dieses Interview erschien in der Zeitschrift Psychoanalyse und Körper, 2/2020, S. 76–90.


Ist das Weltbild der Quantenphysik für Psychotherapeuten von Bedeutung?

In dem vorliegenden Interview erläutert ein Empiriker seine Sichtweise über wissenschaftliche und philosophische Modellvorstellungen, hauptsächlich am Beispiel der Quantentheorie. Seiner Ansicht nach sollten Physik und Metaphysik besser getrennt bleiben, weil sich die beiden Zugänge sehr stark in ihren Methoden, Zielen und dadurch möglichen Erkenntnissen unterscheiden. Er warnt davor, Aspekte der Quantentheorie in ganz andere Bereiche wie etwa die Psychologie zu übertragen, weil Fehlschlüsse zu befürchten seien. Die Quantentheorie sei ein sehr gutes Modell für die Vorgänge im Mikrokosmos – nicht mehr.

Schlüsselwörter: Empirie; Metaphysik; Paradigma; Quantenphilosophie; Wissenschaftstheorie

Peter Geißler:

Niels Bohr soll einmal sinngemäß gesagt haben: Wer sich angesichts der Quantenmechanik nicht fürchtet, der hat sie nicht verstanden. Nun leben wir andererseits anscheinend in einer Welt, in der es die meiste Zeit mit rechten Dingen zuzugehen scheint, zumindest soweit wir das mit den uns verfügbaren Sinnen mitbekommen. Daher verstehen auch viele meiner Kolleginnen und Kollegen nicht ganz, wozu dieses Getöse um die Quantenphysik eigentlich gut sein soll. Ist es überhaupt relevant für uns? Sollte man darüber etwas wissen? Muss man sich tatsächlich fürchten – und wenn ja, wovor denn genau?

Mario Sedlak:

Ich glaube, vor der Quantenmechanik müssen sich allenfalls Studierende fürchten, wenn die Prüfung bevorsteht. Die Mathematik der Quantenmechanik ist durchaus eine Herausforderung. Und ohne Mathematik ist keine exakte Beschreibung der Quantenwelt möglich.

Atome existieren nur wegen der Quantenmechanik. Nach der klassischen Physik müssten die Elektronen, die den Kern umkreisen, laufend Energie abstrahlen und nach kürzester Zeit auf den Kern stürzen. Aber nach der Quantenmechanik kann kein Teilchen an einem bestimmten Ort ruhen. Das verbietet die Heisenberg'sche Unschärferelation. Und durch eine Reihe weiterer solcher Naturgesetze ist es möglich, dass sich Teilchen im Mikrokosmos ganz anders als winzige Billardkugeln verhalten, ohne dass es deswegen zu logischen Widersprüchen kommt.

Alles, was wir messen können, ist in der Quantenmechanik wohldefiniert und experimentell bestens bestätigt. Wissenschaftstheoretisch kann und muss eine Theorie nicht mehr leisten als Ergebnisse von Experimenten oder Beobachtungen vorauszusagen. Jede Theorie ist "nur" eine Modellvorstellung und für Empiriker sind ausschließlich die beobachtbaren Konsequenzen eines Modells relevant. Problematisch ist die Quantenmechanik für Menschen, die unbedingt eine anschauliche Vorstellung von den Vorgängen im Mikrokosmos haben wollen. Eine solche gibt es nicht und wird es höchstwahrscheinlich auch nie geben, wie zahlreiche Paradoxa zeigen.

Für den Alltag ist die Quantenmechanik kaum relevant, da die Dinge, mit denen wir normalerweise zu tun haben, um das Billionenfache "zu groß" sind. Quanteneffekte sind da unmessbar gering und können vernachlässigt werden. Ich würde sagen, wichtig ist die Quantenmechanik für alle Wissenschaftler, die sich mit Molekülen oder noch kleineren Teilchen befassen.

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Modelle interpretieren (Seite 2 von 7)