Anschauliche Interpretation der Quantentheorie
Physiker wollen nicht nur rechnen, sondern sich auch was unter ihren Modellen vorstellen: Erst die physikalische Interpretation eröffnet neue, grundlegende Einsichten. In der Quantentheorie ist aber oft nicht einmal klar, was die Lösungen einer Gleichung bedeuten.[1] Die Objekte, aus denen die ganze Welt besteht, sind aufgrund der Quantentheorie "zu einem undeutlichen, verschwommenen Gebilde verblasst."[2] Niemandem ist es gelungen, den Welle-
Physiker, die sich damit abgefunden haben, meinen:
Die Gleichung weiß es am besten.[4]
Es ist falsch, zu glauben, dass es die Aufgabe der Physik sei, herauszufinden, wie die Natur beschaffen ist ... Die Physik befasst sich nur damit, was wir über die Natur sagen können. Dies war schon immer der Fall gewesen. Doch nie zuvor [vor der Quantentheorie] hatte es die Natur den Physikern so deutlich vor Augen geführt.[5]
Im übrigen muss man bedenken, dass es logisch überhaupt nicht notwendig ist, die mehr oder weniger abstrakten Vorstellungen einer physikalischen Theorie konkret auszudrücken.[6]
Andere Physiker (manchmal auch dieselben) widersprechen:
eine physikalische Theorie kann nicht den Anspruch erheben, vollständig zu sein, wenn sie sich darauf beschränkt, vorauszusagen, was man bei diesem oder jenem Experiment beobachten wird. Am Anfang jeder wissenschaftlichen Betätigung steht das fundamentale Postulat, dass die Natur objektive Realität besitzt, unabhängig von unserer sinnlichen Wahrnehmung und unseren Untersuchungsmethoden. Aufgabe der physikalischen Theorie ist es, über diese objektive Realität verständliche Aussagen zu machen.[7]
Alle Gegner der Quantentheorie sind sich ... über einen Punkt einig: Es wäre nach ihrer Ansicht wünschenswert, zu der Realitätsvorstellung der klassischen Physik ... zurückzukehren; also zur Vorstellung einer objektiven, realen Welt, deren kleinste Teile in der gleichen Weise objektiv existieren wie Steine und Bäume, gleichgültig, ob wir sie beobachten oder nicht.[8]
Verborgene Parameter
Die Brownsche Bewegung von winzigen Partikeln im Wasser erscheint rein zufällig. Wenn wir aber die Bewegungen der einzelnen Atome sehen könnten, dann klärt sich der Zufall vollständig auf.
Vielleicht ist es mit der Quantentheorie ähnlich: Manche Physiker glauben, dass die Teilchen in der Quantenwelt nur deswegen scheinbar zufälliges Verhalten zeigen, weil wir mit unseren beschränkten Beobachtungsmitteln keinen Zugang zu einem tiefer liegenden ("verborgenen") Sachverhalt haben.
Bohmsche Mechanik
David Bohm hat die Quantentheorie um einen unmessbaren Parameter ergänzt, wodurch Teilchen jederzeit einen bestimmten (allerdings unmessbaren) Ort besitzen und sich folglich auf einer Bahn bewegen. Die messbaren Ergebnisse der Theorie sind dieselben wie in der herkömmlichen Quantentheorie, wo der Begriff der "Bahn" eines unbeobachteten Teilchens keinen Sinn ergibt. Bohms Theorie (in der Wikipedia De-
- Im Doppelspalt-
Experiment fliegen die Elektronen auf geknickten Bahnen, um das Wellenmuster zu erzeugen (siehe Bild in der Wikipedia). - Bringt man an jedem Spalt einen Detektor an, so kann ein Elektron, das durch einen Spalt geht, am anderen Detektor ein Signal auslösen.[9]
- Zwei Teilchen mit verschränkten Quantenzuständen müssen eine sofortige Wirkung aufeinander ausüben, egal wie weit sie voneinander entfernt sind. Das folgt aus der Bellschen Ungleichung und gilt für alle Theorien, in denen der Quantenzufall vollständig durch verborgene Variablen ersetzt wird.
Meine Meinung
Es wäre zwar schön, eine anschauliche Interpretation der Quantentheorie zu haben, aber notwendig ist das nicht. Vielleicht gibt es gar keine – die Natur ist nicht verpflichtet, uns einen Gefallen zu erweisen.
Wer glaubt, dass die Modellvorstellungen der Physik eine "objektive Realität" besitzen können oder gar müssen, ist auf dem falschen Dampfer. Eine Wissenschaft beschränkt sich auf das Wissbare, und die "wahre Wirklichkeit" bleibt uns immer verschlossen.
Weiter
Weblinks
- Wikipedia: Kochen-
Specker- – Zeigt anhand eines Gegenbeispiels, dass in der Quantentheorie nicht alle Messwerte von vornherein feststehen und unabhängig vom Messgerät sein können. Das ergibt sich aus rein geometrischen Überlegungen!Theorem
Quellen
[1] | Richard P. Feynman u. a.: Vorlesungen über Physik. Band 3: Quantenmechanik. München: Oldenburg, 1987 (amerik. Original 1963), S. 168 |
[2] | James Gleick: Richard Feynman. Leben und Werk des genialen Physikers. München: Droemer Knaur, 1993 (Original 1992), S. 13f. |
[3] | Albert Messiah: Quantenmechanik, Band 1. Berlin: de Gruyter, 2. Aufl. 1991 (Franz. Original 1969), S. 138 |
[4] | Werner Heisenberg lt. James Gleick: Richard Feynman. Leben und Werk des genialen Physikers. München: Droemer Knaur, 1993 (Original 1992), S. 13f. |
[5] | Niels Bohr lt. James Gleick: Richard Feynman. Leben und Werk des genialen Physikers. München: Droemer Knaur, 1993 (Original 1992), S. 352 |
[6] | Albert Messiah: Quantenmechanik, Band 1. Berlin: de Gruyter, 2. Aufl. 1991 (Franz. Original 1969), S. 138 |
[7] | Albert Messiah: Quantenmechanik, Band 1. Berlin: de Gruyter, 2. Aufl. 1991 (Franz. Original 1969), S. 139 |
[8] | Werner Heisenberg in Kurt Baumann, Roman u. Sexl: Die Deutungen der Quantentheorie. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg, 1984, S. 144f. |
[9] | Bild der Wissenschaft, 3/1996, S. 45 |