Gravitationswellen
Laut Relativitätstheorie gibt es keinen absoluten, starren Raum. Gravitationswellen sind Schwingungen des Raumes (oder genauer: der Raumzeit), die das gesamte Universum durchlaufen können. Sie breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus.
Entstehung
Wenn eine (große) Masse beschleunigt wird, dann können dabei Gravitationswellen entstehen. Auch eine Kreisbewegung zählt als Beschleunigung. Typische Fälle:
- Himmelskörper auf einer Umlaufbahn
- Himmelskörper, die sich (rasch) um sich selbst drehen
- Sterne, die sich (explosiv) aufblähen oder kollabieren
In den letzten beiden Fällen werden allerdings nur dann Gravitationswellen erzeugt, wenn der sich drehende Himmelskörper in Bezug auf seine Drehachse nicht perfekt symmetrisch ist bzw. wenn die Durchmesseränderung nicht völlig gleichmäßig erfolgt.
Ursache
Der Grund, wieso Gravitationswellen entstehen müssen, ist die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von Änderungen der Gravitation,[1] ähnlich wieso beschleunigte Ladungen elektromagnetische Wellen abstrahlen müssen.
Eigenschaften
- Wenn sich ein Himmelskörper periodisch entfernt und nähert, ändert sich auch die Gravitationskraft, die er an einem "festen" Raumpunkt ausübt, periodisch, und diese Änderungen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus. Das ist aber nicht eine Gravitationswelle. Eine Gravitationswelle ist stärker, d. h. sie hat eine größere Reichweite. (Die Gravitationskraft sinkt mit dem Quadrat des Abstands; Gravitationswellen mit dem Abstand ohne Quadrat.)
- Wenn an einem Ort eine Gravitationswelle durchläuft, verkürzen und vergrößern sich die Längen quer zur Ausbreitungsrichtung der Welle vorübergehend. Bei Gravitationswellen, die auf der Erde messbar sind, ist diese Längenänderung typischerweise maximal im Bereich eines Trilliardstels (10−21). Ein Trilliardstel des Abstands zwischen Erde und Sonne (~150 Millionen km) sind 0,15 nm.[2] Das ist ungefähr ein Atomdurchmesser. Starre Körper erfahren fast keine Längenänderung, sondern "spüren" stattdessen eine (winzige) Kraft, wie wenn versucht wird, sie zu dehnen bzw. stauchen (ähnlich wie bei Gezeiten-
Einfluss ). - Die Frequenz einer Gravitationswelle entspricht dem Doppelten der Umlauf- oder Drehfrequenz des verursachenden kosmischen Körpers. (Das Doppelte, weil es egal ist, ob er bzw. ein "Berg" auf seiner Oberfläche sich uns nähert oder entfernt.) Das ist maximal etwa 1 kHz, oft nur ein kleiner Bruchteil eines Hertz (d. h. eine Schwingung dauert Minuten, Stunden, Jahre, ...).
- Gravitationswellen transportieren Energie. Die Leistung von Gravitationswellen-
Abstrahlern kann im Extremfall (kurz bevor 2 einander umkreisende Neutronensterne oder Schwarze Löcher kollidieren) für einen Sekundenbruchteil die Strahlungsleistung aller Sterne des beobachtbaren Universums übersteigen.
Berechnung
Gravitationswellen können mit den Einsteinschen Feldgleichungen der Relativitätstheorie berechnet werden. Da diese Gleichungen sehr kompliziert sind, gelingt die Berechnung nur mit vereinfachenden Annahmen und/oder mit Supercomputer (zur numerischen, d. h. näherungsweisen Lösung der Differentialgleichungen). Eine mögliche Annahme wären z. B. schwache Gravitationsfelder. Dann können die Gleichungen linearisiert werden und man erhält eine Wellengleichung, die die Gravitationswellen unter diesen Voraussetzungen beschreibt.
Messung
- Der erste indirekte Nachweis von Gravitationswellen gelang 1978 mit dem Hulse-
Taylor- : Der Pulsar und ein Neutronenstern umkreisen ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Dabei kommen sie sich langsam näher – genau in dem Ausmaß, wie es sein sollte, wenn sie Energie durch die Abstrahlung von Gravitationswellen verlieren.Pulsar - Die erste direkte Aufzeichnung einer Gravitationswelle gelang 2015 mit einem Laser-
Interferometer : Dabei wird ein Laserstrahl in 2 Strahlen aufgeteilt, die in 2 um 90° versetzte Tunnel geleitet werden. Ein Spiegel wirft sie zurück, sodass sie sich am Ende gegenseitig auslöschen (Interferenz). Wenn sich die Weglänge in einem Tunnel ändert, werden sie sich am Ende nicht komplett auslöschen, weil dann ein Wellenberg nicht mehr genau auf ein Wellental trifft. Damit eine Gravitationswelle den Weg ändern kann, müssen die Spiegel möglichst frei beweglich aufgehängt werden.
Viele andere Messprinzipien wurden ersonnen, z. B.:
- tonnenschwere Resonanzkörper, die durch eine Gravitationswelle zum Schwingen angeregt werden sollen
- genaue Messung der Distanz Erde – Mond, die ähnlich wie ein Festkörper schwingen kann (wenn die Schwingungsperiode der Gravitationswelle gleich der Umlaufzeit oder einem ganzzahligen Vielfachen davon ist)
- genaue Messung der Funksignale von Raumsonden
- genaue Messung von Pulsaren (Pulsar Timing Array), deren Radiosignale durch Gravitationswellen um schätzungsweise 100 Milliardstel Sekunden früher oder später auf der Erde eintreffen könnten
Verwirrung
Gravitationswellen sind ein schwieriges Thema – sogar für manche der besten Physiker:
Selbst Einstein war verwirrt. Er war nicht sicher, ob Gravitationswellen irgendeinen realen, beobachtbaren Effekt haben. Er änderte seine Meinung mehrmals im Laufe der Jahre.
Lange Zeit war ... unklar, ob Einsteins Gravitationswellen tatsächlich ein physikalisches Phänomen sind. Einige Ausläufer dieser Diskussion zogen sich bis in die 1980er Jahre.
Dabei hatte Richard Feynman schon 1957 ein Gedankenexperiment vorgestellt, das zeigt, wie Gravitationswellen Energie übertragen: Wenn sie bewirken, dass freie Teilchen hin- und herschaukeln, dann können Perlen auf einem starren Stab hin- und hergleiten und dabei Reibungswärme erzeugen (Sticky bead argument).
Heute
Stört eine Gravitationswelle nur die Geometrie des Raumes oder auch den Gang der Zeit? Darüber findet man von Physikern und anderen Autoren im Internet unterschiedliche Aussagen.[3]
Gravitationswellen sind Energie, Energie verursacht Gravitation und Gravitation verlangsamt Uhren. Aber dieser Effekt dürfte vernachlässigbar winzig sein. Bei den Beschreibungen, wie Gravitationswellen-
Weiter
Weblinks
- Jörn Loviscach: Gravitationswellen (Video, 59 min) – Mathematische Herleitung für den einfachsten Fall und Beweis, dass Gravitationswellen nur quer zur Ausbreitungsrichtung schwingen können. Evtl. vorher die mathematischen Grundlagen ansehen (Videos, 15 Stunden).
Quellen
[1] | The Secret History of Gravitational Waves, American Scientist, 2018 – "virtually any field theory of gravity will predict gravitational waves, so long as it obeys the fundamental precept that ... disturbances must propagate at finite velocity." |
[2] | 150 Millionen km = 1,5·1011 m, mal 10−21 = 1,5·10−10 m |
[3] |
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