Längenänderung durch Gravitationswellen
Wenn Gravitationswellen an einem Ort durchlaufen, bewirken sie dort winzige Änderungen der Raumgeometrie.
Größenordnungen
Längenänderung auf der Erde | (vermutete oder nachgewiesene) Ursache | ||||
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10−26 | = 10 Quadrilliardstel | Hulse- | |||
10−24 | = 1 Quadrillionstel | schnell rotierender, nicht 100% rotationssymmetrischer Neutronenstern | |||
10−21 | = 1 Trilliardstel | 2 kleinere Schwarze Löcher oder Neutronensterne bei der Verschmelzung | |||
3·10−21 | = 1 Trilliardstel | Entstehung eines Neutronensterns bei einer Supernova in 100 000 Lichtjahren Entfernung[1] | |||
10−20–10−18 | = 0,01–supermassive Schwarze Löcher, die einander umkreisen (in Zentren von Galaxien)
| 10−9–10−6
| = 1 Milliardstel–1 Millionstel
|
| Dichteschwankungen kurz nach dem Urknall (Wieso diese entfernteste Ursache die stärkste Auswirkung hat, ist mir nicht bekannt. Allerdings ist die Schwingungsperiode dieser Gravitationswellen sehr lang – bis Milliarden Jahre.) |
Die Längenänderung ist dem Abstand r von der Quelle umgekehrt proportional. Deswegen kann die Längenänderung z. B. durch die Entstehung eines Neutronensterns auch so geschrieben werden: 3·10−21 · 100 000 Lichtjahre/r (wobei r die Entfernung in Lichtjahren ist)
Bei Doppelsystemen mit 2 gleichen Massen ist die Längenänderung darüber hinaus der Frequenz hoch 2/3 und der Gesamtmasse hoch 5/3 proportional (siehe Formel).
Messung
Messbare Längenänderung | (theoretisches oder bereits erfolgreiches) Verfahren | |
---|---|---|
10−21 | = 1 Trilliardstel | Interferometer auf der Erde (LIGO) |
10−20 | = 10 Trilliardstel | Interferometer im Weltraum (LISA) |
10−15 | = 1 Billiardstel | genaue Messung von Pulsaren (Pulsar Timing Array) |
10−14 | = 10 Billiardstel | genaue Messung der Funksignale von Raumsonden (Mikrowellen- |
Veranschaulichung
- 10−15 sind rund 10 m pro Lichtjahr.
- 10−21 sind
- ca. der Durchmesser eines Haares auf der Strecke von der Erde bis zum nächsten Fixstern (4,24 Lichtjahre).
- ca. 1/1000 eines Protondurchmessers auf 4 km (Detektorarm von LIGO).
- Wenn ein Regentropfen in den Bodensee fällt, steigt der Wasserstand (rechnerisch) um 2·10−19 m.
Populärer Irrtum
Oft heißt es, dass durch eine Gravitationswelle "der Raum selbst" gedehnt oder gestaucht wird. Das stimmt so aber nur, wenn der Raum leer ist.
Eine Gravitationswelle, die durch einen Festkörper läuft, etwa durch einen soliden Metallzylinder, wirkt auf dessen Atome wie eine zeitabhängige, gezeitenartige Kraft.
Diese Kraft kann den Festkörper nicht nennenswert verformen. Nur zwischen 2 Körpern, die sich frei bewegen können, ist die durch eine Gravitationswelle ausgelöste Längenänderung (d. h. die Änderung des Abstands der 2 Körper) messbar.[3]
Ein besseres Bild als das vom "Raum selbst", der gedehnt oder gestaucht wird, ist ein Beschleunigungsfeld:[4]
- Bei frei beweglichen (kleinen) Körpern bewirkt dieses Beschleunigungsfeld eine Lageänderung.
- Fix montierte Körper "spüren" die Beschleunigung als Kraft, die sie zu dehnen oder stauchen versucht (wie Gezeiten).
- (Größere) starre Körper, die sich frei bewegen können, folgen der Beschleunigung, die das Beschleunigungsfeld an ihrem Schwerpunkt vorgibt. Andere Punkte des Körpers "spüren" eine gezeitenartige Kraft.
Es ist wie bei der Expansion des Universums.[5]
Andere Maßeinheit
Insbesondere bei Gravitationswellen, die aus einem Gemisch vieler Frequenzen bestehen, wird die Längenänderung häufig auf ein Frequenzintervall bezogen. Das ergibt dann die ungewöhnliche Maßeinheit "Kehrwert der Wurzel von Hertz" (1/√Hz), denn man geht von der spektralen Leistungsdichte in Watt pro Hertz aus, und die Leistung ist zum Quadrat der Längenänderung proportional.
Bezeichnung
Die maximale Längenänderung, die eine Gravitationswelle an einem Ort verursacht, wird von Physikern auch Amplitude genannt (und sie sprechen genauer von der relativen Längenänderung, aber das ist meines Erachtens eh klar, dass man nicht von der Längenänderung eines bestimmten Körpers spricht, ohne diesen zu nennen).
Weiter
Quellen
[1] | Vorlesungsskriptum Gravitational Waves (PDF), S. 38 – 30 kpc ≈ 100 000 Lichtjahre |
[2] | Vorlesungsskriptum Gravitational Waves (PDF), S. 44 |
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[5] | Physiker Markus Pössel, 1.6.2016: "Die Situation ist genau wie bei der kosmischen Expansion". |