Mario Sedlak
Umweltschutz
Themen
Geld
Irrtümer
Freizeit
Mathematik und Physik
Humor
Glaube
Computer
Wirtschaft
Gesellschaft
Über meine Artikel
Neue und erweiterte Seiten

Dieser Artikel wurde in der Zeitschrift Land aktiv, 4/2025, S. 10f. veröffentlicht. Land aktiv ist eine Zeitschrift der Katholischen Landvolkbewegung Deutschland (KLB).


Foto

Genug ist genug

Warum wir mehr Suffizienz brauchen

Es gibt einen breiten Konsens, dass unsere Gesellschaft nachhaltig werden soll. Und es tut sich auch einiges: Die CO2-Emissionen Deutschlands haben sich seit 1990 nahezu halbiert. Allerdings bräuchten wir immer noch 2 bis 3 Planeten von der Qualität der Erde, wenn alle Menschen der Welt so leben würden wie z. B. die Deutschen oder Österreicher und das nachhaltig sein soll. Unser materieller Wohlstand kommt immer noch zu einem großen Teil von den „Ersparnissen“ der Erde, den fossilen Energien und anderen Rohstoffen, die wir rascher verbrauchen, als sie sich neu bilden. Es werden immer noch mehr Treibhausgase produziert, als die natürlichen Senken aufnehmen können. Und wir importieren weit mehr landwirtschaftliche Güter, als wir exportieren, beanspruchen also mehr Fläche, als wir selbst haben.

Einige große Hebel, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, hat die Politik in der Hand (z. B. Kohleausstieg oder Agrarsubventionen nur noch für umweltfreundlichere Landwirtschaft). Andere wichtige Beiträge kann nur jeder und jede Einzelne leisten – weniger fliegen, weniger Fleisch essen, weniger Autofahren, weniger Wohnfläche brauchen und generell weniger kaufen und konsumieren. Das ist es, was das Schlagwort „Suffizienz“ bedeutet: mit weniger zufrieden sein.

Vernetzung mit Gleichgesinnten

Suffizienz ist auch das Hauptanliegen der österreichischen Organisation SOL. SOL bedeutet „Menschen für Solidarität, Ökologie und Lebensstil“. Hier können sich Menschen vernetzen, die einen ökosozialen Lebensstil haben oder haben möchten. In Deutschland gibt es die Organisation „Aufbruch – anders, besser leben“ mit ähnlichen Zielen. Wer mit weniger zufrieden ist, der ist heute oft noch ein Sonderling, der sich rechtfertigen muss oder bemitleidet wird, weil er so wenig hat (kleine Wohnung, kein Auto etc.). Deswegen kann es eine wichtige Stütze und Motivation sein, wenn man sieht, dass es andere Menschen mit der gleichen Einstellung gibt.

Foto

Seit 2013 bietet SOL einen „Fernkurs“ an, bei dem sich rund 15 Interessierte 1 Jahr lang mit ökosozialem Lebensstil und ökosozialer Nachhaltigkeit allgemein beschäftigen. Die Lektionen, aber besonders auch das Feedback in der Gruppe können den Horizont aller Teilnehmenden erweitern und zu weiteren Aktivitäten motivieren. Manchmal entsteht so eine neue „for Future“-Gruppe, die sich für mehr Klimaschutz einsetzt, oder es wird eine FoodCoop gegründet. Das ist eine Einkaufsgemeinschaft, mit der gezielt nachhaltig arbeitende Bauern und Bäuerinnen aus der nahen Region unterstützt werden, indem die Gruppe direkt bei ihnen, anstatt bei den Lebensmittelkonzernen, einkauft.

Damit die Gesellschaft aber wirklich nachhaltig wird, muss die Zahl der Menschen, die mit weniger zufrieden sind, deutlich steigen. Zum Teil passiert das schon: Vor allem unter jüngeren Menschen gibt es immer mehr, die weniger arbeiten wollen. Zwar eher aus Gründen der „Work-Life-Balance“, aber wer weniger Geld verdient, gibt auch weniger aus und hat damit im Allgemeinen einen kleineren ökologischen Fußabdruck – eine Win-Win-Situation also. Und genau so muss es laufen: Suffizienz muss sich lohnen, glücklich machen, dann gehen andere Menschen den Weg in Richtung nachhaltige Gesellschaft mit. Die Organisation SOL hat an die 2000 Unterstützende gewonnen, weil sie aufzeigt, dass ein genügsames Leben mit Genuss verbunden sein kann. Ich z. B. kaufe wenig, sodass ich auch nur wenig arbeiten muss und viel Zeit mit meinen Kindern verbringen kann. Andere SOLis empfinden es als „befreiend“, wenig besitzen zu müssen, genießen die „Entschleunigung“ ohne Auto oder freuen sich einfach über mehr Nachhaltigkeit im eigenen Leben (siehe nächste Seite).

Die Welt retten

Foto

Wenn genügend mitmachen, ist die Wende zu schaffen. Der Mensch ist ein „Herdentier“, daher müssen nicht alle Zweifelnden überzeugt werden, sondern „nur“ ein Teil, der dann die anderen mitreißt. Eines Tages wird ein nachhaltiger Lebensstil dann genauso „normal“, wie es heute normal ist, im Wirtshaus Trinkgeld zu geben. Noch ist das eine weit entfernte Vision. Noch knausern die meisten Menschen mit einem „Trinkgeld für die Umwelt“ und kaufen die billigsten Lebensmittel, damit sie nicht bei anderen Sachen sparen müssen. Noch steigen die Kurven bei Ressourcenverbrauch, Flugkilometern, zugelassenen Pkws, Bodenversiegelung usw. an.

Angesichts der ausbleibenden Wende werden manche von den „Vorausgehenden“ unsicher und glauben, noch mehr machen zu müssen. Sie fühlen sich schuldig, wenn sie zu einer Geburtstagsparty einen Kuchen mitbringen, der nicht mit Bio-Mehl gebacken wurde. Andere (wie die Plattform Footprint) halten nichts von einem „Konsumverzicht bis zur Selbstaufgabe“ oder sagen (wie SOL):

Besser, tausend Menschen gehen einen Schritt und animieren weitere Menschen, einen Schritt zu wagen, als ein Mensch geht tausend Schritte, und die anderen bleiben kopfschüttelnd stehen.[1]

Sicher ist jede noch so kleine Maßnahme, die die Welt nachhaltiger macht, lobenswert. Und sicher können nicht ein paar Wenige die Welt retten. Doch ein paar kleine Änderungen am Lebensstil reichen nicht aus, um mit einem Planeten Erde auszukommen. Wer zwei- bis dreimal so viel wiegt, wie er sollte, der muss mehr weglassen als ein paar Kekse. Und das kann ihm oder ihr auch nicht die Politik oder die Wirtschaft vollständig abnehmen. Empfehlenswerter ist, in einer Abnehmgruppe vorbeizuschauen, sich inspirieren zu lassen und sich zu fragen, was einen wirklich glücklich macht: Meist ist es nicht noch mehr Geld und Besitz, sondern mehr Zeit für schöne Momente, tiefe Beziehungen oder sinnvolle Tätigkeiten.

Weiter

Beispiele (Seite 2 von 2)

Quellen

[1] Sustainable Austria, 6.2008 (PDF), S. 2