Mario Sedlak
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Mengenlehre ZFC

Die Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre mit Auswahlaxiom (englisch: axiom of choice) besteht aus allen gängigen Mengenaxiomen (siehe dort). Sie dient als Grundlage der Mathematik und als Standard für das Arbeiten mit Mengen. D. h. wenn ein Mathematiker nicht ausdrücklich etwas anderes nennt, darf man annehmen, dass er das Axiomensystem ZFC benutzt.

Die ZFC-Mengenlehre ist ein bewährter und weithin akzeptierter Rahmen für die Mathematik, obwohl die meisten Mathematiker nicht in der Lage sind, die ZFC-Axiome aufzuzählen.

Vollständigkeit

ZFC hat die Vorteile:

ZFC scheint stark genug zu sein, um alles, was „offensichtlich“ ist, beweisen zu können.[1]
Mathematiker sind sich weitgehend einig, dass das ZFC-Universum natürlicher erscheint als das Universum von ZF ohne Auswahlaxiom.[2]
Seit 1925 wurde kein weiteres Axiom gefunden, das die Konstruktion weiterer Mengen ermöglichen würde. Zumindest hinsichtlich der Konstruktion von Mengen ... scheint das System also recht vollständig zu sein.

In ZFC „fehlen“ lediglich:

Diese Objekte sind „zu groß“ für ZFC, können bei Bedarf aber einfach hinzugefügt und mitverwendet werden.

Unentscheidbare Aussagen

Eine der größten Schwächen von ZFC ist, dass es viele Sätze gibt, die man mit diesem Axiomensystem weder beweisen noch widerlegen kann:

Es gibt jetzt buchstäblich hunderte Probleme und Fragen in praktisch allen Teilgebieten der Mathematik, von denen gezeigt wurde, dass sie unabhängig von ZFC sind.[3]

In der englischen Wikipedia sind solche unentscheidbaren Aussagen gesammelt. Eine berühmte ist die Kontinuumshypothese. Vor allem bei überabzählbaren Mengen bleiben viele Fragen offen.[4]

Es gibt eine Reihe von weiteren möglichen Axiomen, die man zu ZFC hinzufügen könnte, um mehr Aussagen entscheidbar zu machen, aber trotz intensiver Suche („Gödels Programm“) gibt es bis dato kein solches Axiom, das so überzeugend ist, dass es zum Standard hinzugefügt wurde.

Beim Rechnen mit Zahlen wirkt sich die Unvollständigkeit von ZFC kaum aus:

H. Friedman hat im Anschluss an Paris-Harrington viele zahlentheoretische Aussagen isoliert, die von ZFC unabhängig sind, die allerdings nicht vorher unabhängig von Zahlentheoretikern betrachtet wurden. ... Es wurde noch niemals von einer von Zahlentheoretikern studierten Aussage sodann gezeigt, dass diese nicht auf der Basis von ZFC entschieden werden kann.[5]

Mehrere Modelle

Eigentlich wollte man mit den ZFC-Mengenaxiomen „die“ Mengen beschreiben. Aber es stellte sich heraus, dass das Mengenuniversum, wenn man es „von außen“ betrachtet (ein Modell), unter ZFC ganz unterschiedlich aussehen kann. Z. B.:

Philosophisch bedeutet das, dass es nicht „die eine“ Mengenlehre gibt und dass Mathematiker nicht lediglich die Eigenschaften „der“ Mengen erforschen.[6]

Theoretisch wäre ZFC mit stärkerem Ersetzungsaxiom (ZFC2) eine Alternative: Da gibt es praktisch nur ein Modell – aber dafür andere Probleme.

Widerspruchsfreiheit

Gewissheit [über die Widerspruchsfreiheit von ZFC] gibt es nicht, es sei denn wir lassen wesentlich stärkere Mittel zu. Diese bestünden aber in mathematischen Annahmen, die nicht mehr Rechtfertigung besitzen als die schlichte Zuversicht, dass die üblichen Voraussetzungen (die mengentheoretischen Axiome ...) widerspruchsfrei sind.

Das ist kein Nachteil von ZFC, sondern trifft auf jede mathematische Theorie so eines „Kalibers“ zu (Zweiter Gödelscher Unvollständigkeitssatz).

Weiter

ZFC2

Weblinks

Quellen

[1] Alan D. Taylor und Stan Wagon: A Paradox Arising from the Elimination of a Paradox (PDF), S. 1 – „ZFC appears to be strong enough to prove everything that is ,obvious‘“.
[2] Brilliant.org, Artikel „Axiom Of Choice“, Abschnitt „Independence and Controversy“ – „the consensus of the mathematical community is that the ZFC universe seems more natural than the ZF¬C universe.“
[3] Stanford Encyclopedia of Philosophy, Artikel „Set Theory“, Abschnitt „The search for new axioms“ – „there are now literally hundreds of problems and questions, in practically all areas of mathematics, that have been shown independent of ZFC.“
[4] Stanford Encyclopedia of Philosophy, Artikel „Set Theory“, Abschnitt „The search for new axioms“ – „almost all important questions about the structure of uncountable sets“ are undecidable in ZFC.
[5] Ralf Schindler: Wozu brauchen wir große Kardinalzahlen? (PDF), S. 7
[6] Stanford Encyclopedia of Philosophy, Artikel „Kurt Gödel“, Abschnitt „Gödel’s Work in Set theory“ – „Forcing led to a revival of formalism among set theorists, the plurality of models being an indication of the „essential variability in set theory,“ (Dehornoy 2004) and away from the notion that there is an intended model of set theory-a perspective Gödel advocated since at least 1947, if not earlier.“

Seite erstellt am 6.10.2025 – letzte Änderung am 6.10.2025