Mario Sedlak
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Überabzählbare Mengen

Eine unendliche Menge ist überabzählbar, wenn ihre Elemente nicht mit den natürlichen Zahlen durchnummeriert werden können.

Beispiel

Die reellen Zahlen lassen sich nicht erschöpfend in einer Liste darstellen (die Zeilennummer wäre die „Durchnummerierung“), z. B.

0,001234567890...
0,023982394634...
0,054734686898...
0,071028346454...
...

Aus jeder solchen Liste lässt sich nämlich eine reelle Zahl konstruieren, die nicht in der Liste enthalten ist. Dazu muss die Zahl an den oben fett formatierten Stellen eine andere Ziffer haben, z. B.

0,1001...

(Cantors zweites Diagonalargument)

Unüberschaubare Vielfalt

Erst recht nicht durchnummerieren lassen sich die Teilmengen von ℝ. Sie lassen sich auch auf keine andere Weise vollständig darstellen, denn jede Darstellung basiert auf Formeln, und es gibt nur abzählbar viele Formeln.

Das hat die erstaunliche Konsequenz, dass es nur jene Teilmengen reeller Zahlen „gibt“, die man irgendwie definieren kann – und das hängt wiederum davon ab, welche Mengenaxiome man annimmt. Lässt man etwa das Auswahlaxiom weg, dann gibt es keine unmessbaren Mengen mehr. (Es ist eine philosophische Frage, ob es sie „nicht mehr gibt“, oder ob man sie „nicht mehr findet“. Mit „gibt es nicht“ meine ich: „Die Existenz ist nicht beweisbar.“ Das heißt nicht, dass die Existenz auch widerlegbar ist.)

Um einen Überblick zu bekommen, welche Mengen es (unter gewissen Axiomen) gibt, definieren Mengentheoretiker Hierarchien von immer komplexeren Mengen, auch wenn diese Mengen in der Mathematik sonst kaum benötigt werden. Es stellte sich heraus, dass in der üblichen Mengenlehre (ZFC) viele Fragen offen bleiben:

Fast alle wichtigen Fragen über die Struktur von überabzählbaren Mengen sind mit den ZFC-Mengenaxiomen unentscheidbar.[1]

Anderes Beispiel

Auch schon die Teilmengen von ℕ lassen sich nicht alle durchnummerieren (laut Satz von Cantor). Denn um eine unendliche Menge natürlicher Zahlen zu definieren, muss man für jede natürliche Zahl festlegen, ob sie enthalten ist oder nicht. Das geht wieder nur mit einer Formel, und es gibt nur abzählbar viele Formeln.

Bemerkenswert ist:

So kommt es, dass man (in „stärkeren“ Mengenlehren) Teilmengen von ℕ hinzufügen kann (z. B. 0#), obwohl es laut Mengenaxiomen (Potenzmengenaxiom) bereits die Menge aller Teilmengen gibt. Mir scheint, die Mengenlehre würde hier schummeln! Die „Schummelei“ führt auf keinen Widerspruch, weil überabzählbare Mengen nicht erschöpfend „durchgegangen“ werden können und somit auch nicht auf Vollständigkeit geprüft werden können.

In der üblichen Mengenlehre (ZFC) können alle überabzählbaren Mengen „in Wirklichkeit“ abzählbar sein (Skolem-Paradoxon), was aber nicht auffällt, solange man nur innerhalb dieser Mengenlehre arbeitet.

Schwer zu verwenden

Beispiel
Vektorräume mit überabzählbarer Basis sind i. A. schwer zu beherrschen. ℝ über ℚ
Vergleichsweise leicht ist es, wenn es in so einem Vektorraum möglich ist, alle Vektoren als abzählbare Summe darzustellen (Schauderbasis). alle Folgen reeller Zahlen

Ich habe ursprünglich gedacht: Was für abzählbare Mengen Folgen sind, sind für überabzählbare Mengen Funktionen. Aber z. B. die Basis des Vektorraums ℝ über ℚ lässt sich nicht mit einer Funktion angeben. Diese Basis „gibt“ es überhaupt nur mit Auswahlaxiom. Und wirklich rechnen kann man mit ihr auch nicht, da das Auswahlaxiom nur reine Existenzbeweise liefert.

Weiter

Echte Klassen

Quellen

[1] Stanford Encyclopedia of Philosophy, Artikel „Set Theory“, Abschnitt „The search for new axioms“ – „almost all important questions about the structure of uncountable sets“ are undecidable in ZFC.

Seite erstellt am 15.9.2025 – letzte Änderung am 29.10.2025