Mengenlehre ZFC2
Die Mengenlehre ZFC zweiter Ordnung (ZFC2) unterscheidet sich von der üblichen Mengenlehre ZFC (erster Ordnung) durch ein stärkeres Ersetzungsaxiom:
ZFC | ZFC2 |
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Wenn F(x) eine Formel mit der Unbekannten x ist, | Für alle „Funktionen“ F(x) |
darf man jedes Element x einer Menge durch F(x) ersetzen und erhält so eine neue Menge. |
Das bedeutet:
ZFC | ZFC2 |
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| Jede theoretisch vorhandene „Funktion“ kann auf die Elemente einer Menge angewandt werden. („Funktion“ unter Anführungszeichen, weil – entgegen sonst üblicher Konvention – die Zielmenge der „Funktion“ nicht vorab definiert sein muss.) |
| Das Mengenuniversum kann voll ausgeschöpft werden. |
| Das Mengenuniversum reicht bis vor die erste unerreichbare Kardinalzahl (die unbeschränkt viele weltliche Kardinalzahlen enthält[1]). |
Eigentlich ist auch das Aussonderungsaxiom (Z7 in meiner Liste der Mengenaxiome), welches die Bildung von Teilmengen anhand einer Formel erlaubt, in ZFC2 stärker. Das wird aber meist nicht extra erwähnt, weil das Aussonderungsaxiom aus dem Ersetzungsaxiom (und anderen Mengenaxiomen) folgt[2].
Modelle
Einen großen Unterschied gibt es bei der Frage, wie die Mengen, die die Mengenaxiome erfüllen (Modelle der Mengenlehre), aussehen können, wenn man sie „von außen“ betrachtet:
ZFC | ZFC2 |
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| Das Mengenuniversum muss tatsächlich (auch „von außen“ betrachtet) alle Mengen mit allen ihren Elementen enthalten,[3] mindestens bis vor der ersten unerreichbaren Menge. (Es gibt also keine abzählbaren Modelle.) |
| Bis auf die Frage, ob bzw. wie viele unerreichbare Mengen enthalten sind, sind alle möglichen Mengenuniversen gleich (Zermelos Kategoritätssatz).[4] |
ZFC2 kommt also dem Wunsch, mit den Axiomen „die eine“ Mengenlehre zu beschreiben, näher als ZFC.
Verwendung
ZFC2 wird am ehesten bei der Untersuchung von großen Kardinalzahlen genannt – von weltlichen Kardinalzahlen (= Modell für ZFC) liest man viel seltener als von unerreichbaren (= Modell für ZFC2). Das heißt aber nicht, dass ZFC2 verwendet wird.
Verwendet wird ZFC2 praktisch nie, denn es gibt praktische und philosophische Einwände (siehe Argumente pro und contra ZFC2). Es ist sogar relativ wenig bekannt, dass es ZFC2 gibt und was genau der Unterschied zu ZFC ist. (Wird in Diskussionsforen immer wieder gefragt, und ich musste länger suchen, bis ich Klarheit erlangte.)
Theoretisch könnte man in ZFC2 mehr machen, weil man – wie im eingangs genannten Ersetzungsaxiom zweiter Ordnung – über beliebige anstatt nur über alle definierbaren Mengen zugleich reden kann (quantifizieren, Logik zweiter Ordnung). Das scheint aber kaum ein Thema zu sein.
Varianten
- Standard-
Semantik – Hier wird ein (von außen betrachtet) vollständiges Mengenuniversum vorausgesetzt, auf das sich die Variablen in den Formeln beziehen können.[5] - Henkin-
Semantik – Hier können sich die Variablen in den Formeln nur auf ein ZFC-Mengenuniversum, das lediglich um bestimmte Mengen ergänzt wurde, beziehen. Die Mengenlehre ist damit nicht wirklich von zweiter Ordnung.[6] - Auch die Schreibweise (Syntax) der Formeln zweiter Ordnung variiert. Z. B. dürfen manchmal Funktionen mit beliebig vielen Argumenten verwendet werden, anderswo dürfen nur Relationen als Variablen vorkommen.[7] Diese verschiedenen Schreibweisen scheinen aber logisch gleichwertig zu sein. (Z. B. können Funktionen als spezielle Relationen aufgefasst und verwendet werden.)
Verwirrung
Als „Mengenlehre ZFC zweiter Ordnung“ wird auch die Mengenlehre ZFC erweitert um echte Klassen bezeichnet.[8]
Weiter
Quellen
[1] | „Cantors Dachboden“: Inaccessible cardinal – „The worldly cardinals are unbounded in κ“ | ||||||||||
[2] | Wolfgang Rautenberg: Grundkurs Mengenlehre (PDF), S. 26 (im PDF S. 34) – Das Ersetzungsaxiom (englisch: Axiom of Replacement) „AR ... macht das Aussonderungsaxiom AS überflüssig. Wir verifizieren dies und beginnen mit dem einfachen Beweis von AS. Sei b = {x ∈ a | φ(x)} und komme y in φ nicht frei vor. Für ψ(x, y) := φ(x) ∧ y=x gilt dann offenbar ∀x∃≤1yψ(x, y). Der entsprechende Operator F (im Wesentlichen die identische Abbildung), erfüllt offenbar b = {F(x) | x ∈ a}.“ | ||||||||||
[3] | Hanul Jeon auf StackExchange – „the second-[4]
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[5]
| Noah Schweber auf StackExchange – „In the standard semantics, we presuppose a background set- | [6]
| Noah Schweber auf StackExchange – „Under Henkin semantics, second- | [7]
| Noah Schweber auf StackExchange – „the syntax of second- | [8]
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