Mario Sedlak
Mathematik
Wissenschaft
Hauptthemen
Neue und erweiterte Seiten

Ultrafilter

Ultrafilter sind ein mathematisches Konstrukt, das in der Mengenlehre, Modelltheorie, Topologie, Algebra und unendlichen Kombinatorik verwendet wird. Der Begriff ist sogar Mathematikern nicht allgemein bekannt – auch bei einem Mathematik-Studium wirst du kaum davon hören.[1]

Formale Definition

Eine Familie ℱ von Teilmengen einer festen Menge M heißt Ultrafilter, wenn gilt:

formal
(1) Die leere Menge gehört nicht zur Familie. ∅ ∉ ℱ
(2) Schnittmengen von 2 „Familienmitgliedern“ gehören ebenfalls zur Familie. AB ∈ ℱ ∀A, B ∈ ℱ
(3) Für jede Teilmenge von M gehört entweder sie oder ihr Komplement zur Familie. A ∈ ℱ ⇔ M \ A ∉ ℱ

Aus diesen Bedingungen ergibt sich weiters:

formal folgt aus
(4) Die ganze Menge M gehört zur Familie. M ∈ ℱ ⇐ (1) und (3)
M darf daher nicht leer sein. M ≠ ∅
(5) Je 2 (und damit auch endlich viele) Familienmitglieder haben gemeinsame Elemente. AB ≠ ∅ ∀A, B ∈ ℱ ⇐ (1) und (2)
(6) Wenn eine Menge zur Familie gehört, dann auch jede Obermenge von ihr. A ∈ ℱ,

ABM
B ∈ ℱ

⇐ (3) und (5)[2]
(7) Die Vereinigung eines Familienmitglieds mit einer beliebigen Teilmenge von M gehört ebenfalls zur Familie. AB ∈ ℱ ∀A ∈ ℱ und BM ⇐ (6)

Anschaulichere Definition

Ein Ultrafilter teilt alle Teilmengen von M in „große“ und „kleine“ ein. Die Teilmengen, die im Ultrafilter enthalten sind, können als „groß“ erachtet werden.[3]

Fixierte Ultrafilter

Wenn die Schnittmenge aller Familienmitglieder in einem Ultrafilter nicht leer ist, dann wird der Ultrafilter „fixiert“ genannt. Fixierte Ultrafilter sind trivial und uninteressant.[4] Sie bestehen aus allen Teilmengen, die ein bestimmtes Element enthalten.[5]

Freie Ultrafilter

Alle Ultrafilter, die nicht fixiert sind, nennt man „frei“. Freie Ultrafilter enthalten ausschließlich unendliche Mengen.

Konstruktion

Einen freien Ultrafilter kann man nicht explizit angeben![6]

Was man machen müsste:

Hierfür lässt sich kein Algorithmus angeben, aber es lässt sich zeigen, dass eine vollständige Entscheidung für alle Mengen existiert. Der Beweis ist ähnlich wie der Beweis, dass jeder Vektorraum eine Basis hat – wenn diese überabzählbar ist, kann sie i. A. ebenfalls nicht mehr explizit angegeben werden. In beiden Beweisen wird das Lemma von Zorn verwendet, welches äquivalent zum Auswahlaxiom ist. In der Mengenlehre ZF, wo das Auswahlaxiom fehlt, gibt es keine freien Ultrafilter (genauer: deren Existenz ist in ZF weder beweisbar noch widerlegbar).[8]

Meine Schlussfolgerung

Die Vorstellung, dass alle Mengen im Ultrafilter „groß“ sind, passt nicht ganz. Warum sollen z. B. die Menge der geraden Zahlen „groß“ und die Menge der ungeraden Zahlen „klein“ sein?

Eigenschaften

Mein Bezug zu Ultrafiltern

Ich habe von Ultrafiltern erstmals bei großen Kardinalzahlen, die messbar sind, gelesen. Zunächst konnte ich mir nicht vorstellen, was ein Ultrafilter ist und wie die Menge der natürlichen Zahlen messbar sein kann. Erst durch das Vorstellungsbild von den „großen“ Mengen und die Nichtkonstruierbarkeit habe ich das verstanden.

Weiter

Determinierte Mengen

Quellen

[1]
  • David J. Fernández-Bretón: Using Ultrafilters to Prove Ramsey-type Theorems (PDF), S. 1 – „Ultrafilters are a tool, originating in mathematical logic and general topology, that has steadily found more and more uses in multiple areas of mathematics, such as combinatorics, dynamics, and algebra, among others. ... A typical undergraduate student will for the most part finish her degree without ever encountering the definition of an ultrafilter“.
  • Encyclopedia of Mathematics: Ultrafilter – „Ultrafilters support a considerable body of theory both in general topology and in mathematical logic.“
  • Wikipedia: Artikel „Ultrafilter“, Abschnitt „Anwendungen“
  • Diskussionsbeitrag auf Reddit – „Ultrafilters are quite specific to set theory and infinite combinatorics. It’s unlikely you’d hear of them elsewhere.“
[2] Wenn eine Obermenge von A nicht zur Familie gehören würde, dann müsste nach (3) ihr Komplement zur Familie gehören. Dieses enthält A nicht. Folglich wäre die Durchschnittsmenge von A mit diesem Komplement leer, was (5) widerspräche.
[3]
  • Alex Kruckman: Notes on Ultrafilters (PDF), S. 1 – „An (ultra)filter on X is a consistent choice of which subsets of X are ,large‘.“
  • Large Cardinals (PDF), Studentenarbeit, S. 14 (im PDF S. 15) – „The correct intuitive picture of an ultrafilter is that it consists of the ,large‘ subsets of S.“
  • englische Wikipedia, Artikel „Ultrafilter on a set“, Abschnitt „Characterizations“ – „an ultrafilter U decides for every SX whether S is ,large‘ (i.e. SU) or ,small‘ (i.e. SU).“
[4] Large Cardinals (PDF), Studentenarbeit, S. 14 (im PDF S. 15) – „If ⋂U is non-empty, then we say U is a principal ultrafilter. Principal ultrafilters are uninteresting.“
[5]
  • englische Wikipedia, Artikel „Ultrafilter on a set“ – „A principal ultrafilter on X is the collection of all subsets of X that contain a fixed element“.
  • Ultrafilter, die 2 oder mehr verschiedene einelementige Mengen enthalten, sind nicht möglich, da die Schnittmenge von 2 derartigen Mengen leer wäre, was (5) widerspräche.
  • Es ist auch nicht möglich, dass ein Ultrafilter keine einelementige, aber eine größere endliche Menge enthält. Enthält er z. B. {a, b}, aber nicht {a}, dann muss er wegen (3) die Menge M \ {a} enthalten. Diese Menge, geschnitten mit {a, b}, ist {b}, und laut (2) muss diese Menge zum Ultrafilter gehören.
[6] englische Wikipedia, Artikel „Ultrafilter on a set“, Abschnitt „The ultrafilter lemma“ – „While free ultrafilters can be proven to exist, it is not possible to construct an explicit example of a free ultrafilter (using only ZF and the ultrafilter lemma); that is, free ultrafilters are intangible.“
[7] Andreas Blass und Nicholas Rupprecht: Ultrafilters and Cardinal Characteristics of the Continuum (PDF), S. 3 – „Well-order the power set 𝒫(X) (the set of all subsets of X) and proceed by transfinite

recursion along this well-ordering, starting with a given filter. At the step labeled by a particular set AX, decide (if it hasn’t already been decided) whether to put A or XA into the ultrafilter under construction“.

[8] Encyclopedia of Mathematics: Ultrafilter – „The existence of free ultrafilters is unprovable without the axiom of choice.“
[9] Encyclopedia of Mathematics: Ultrafilter – "To see that free ultrafilters are hard to describe, consider the mapping that assigns to each subset A of ℕ the number xA = ΣnA 2-n [Dieses n sollte wohl noch im Exponenten sein.] in the interval [0, 1]. If u is a free ultrafilter on ℕ, then the set {xA : Au} is non-measurable.
[10] Diskussionsbeitrag auf Reddit – „nonprincipal ultrafilters do not have the Baire property“

Seite erstellt am 11.9.2025 – letzte Änderung am 11.9.2025