Mario Sedlak
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Auswahlaxiom
(Abkürzung: AC)

In der heutigen Mathematik wird die folgende Grundannahme für die Arbeit mit Mengen verwendet:

Aus einer Familie nichtleerer Mengen können wir eine neue Menge bilden, indem wir aus jedem Mitglied der Familie ein Element auswählen (ohne zu sagen, welches).

Die so definierte Menge kann man nicht explizit angeben – wenn man sagen könnte, welches Element man aus jeder Menge auswählt (z. B. wenn jede Menge ein beschränktes Intervall ist, kann man dessen Mittelpunkt nehmen), dann bräuchte man das Auswahlaxiom nicht. Für praktische Zwecke, um irgendetwas konkret auszurechnen, ist das Auswahlaxiom daher nicht geeignet. Es vereinfacht aber viele Theorien in der Mathematik.

Plausibilität

Wie ich bei meinem Mathematik-Studium das erste Mal vom Auswahlaxiom gehört habe, fand ich es sofort einleuchtend. „Wenn die Mengen nicht leer sind, kann ich natürlich ein Element daraus auswählen“, dachte ich mir. Und so denken auch die meisten anderen Mathematiker.

Berühmtes Zitat (von Jerry Bona):

Das Auswahlaxiom ist offensichtlich wahr [und] der Wohlordnungssatz offensichtlich falsch ...

... sagt die Intuition von Mathematikern, obwohl tatsächlich beides logisch gleichwertig ist.

Doch aus dem Auswahlaxiom ergeben sich Folgerungen, die

Beispiel
  • überhaupt nicht einleuchtend sind
ℝ kann man so ordnen, dass jede Teilmenge ein kleinstes Element hat (Wohlordnungssatz).
  • paradox sind
Man kann eine 3-dimensionale Kugel in 5 Teilmengen zerlegen, aus denen man 2 Kugeln – jede so groß wie das Original – zusammensetzen kann (Banach-Tarski-Paradoxon).
  • oder lästig
Es gibt Teilmengen von ℝ, ℝ2 bzw. ℝ3 ohne definierbare Länge, Fläche bzw. Volumen (unmessbare Mengen).

Deswegen war das Auswahlaxiom sehr umstritten. 1938 hat Gödel bewiesen, dass das Auswahlaxiom zu keinen (neuen) Widersprüchen führt, wenn man es zur ZF-Mengenlehre hinzufügt. Daraufhin hat die Kritik stark abgenommen.[1]

Keine objektive Wahrheit

Das Auswahlaxiom ist in der ZF-Mengenlehre weder beweisbar noch widerlegbar. D. h.:

Um jedem die Entscheidung für oder gegen das Auswahlaxiom zu erleichtern, sollte angegeben werden, wenn es bei einer Herleitung benutzt wurde. Möglicherweise wird eines Tages ein besseres Axiom gefunden.

Alternativen

Gleichwertige Formulierungen

Begründung
  • Jede Familie nichtleerer Mengen hat eine Auswahlfunktion.
„Auswahlfunktion“ ist nur eine formellere Beschreibung von „eine neue Menge bilden“.
  • Das kartesische Produkt einer Familie von nichtleeren Mengen ist nicht leer.
Das allgemeine kartesische Produkt ist definiert als alle Abbildungen, die jedem Index der Familie ein Element aus dem dazugehörigen „Familienmitglied“ zuordnen. Das sind genau die Auswahlfunktionen, von denen das Auswahlaxiom spricht.

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Anwendungsbeispiele für das Auswahlaxiom

Literatur

Quellen

[1] Stanford Encyclopedia of Philosophy, Artikel Set Theory – „The AC was, for a long time, a controversial axiom. But Gödel’s 1938 proof of its consistency, relative to the consistency of ZF, dispelled any suspicions left about it.“
[2] U. Felgner and K. Schulz: „Algebraische Konsequenzen des Determiniertheit-Axioms“, Arch. Math., 42:557–563, 1984 laut Horst Herrlich: Axiom of Choice (PDF). Berlin: Springer, 2006, S. 150 (im PDF S. 161) – „Among all alternatives to the axiom of choice AC the axiom of determinateness AD undoubtedly is the most interesting.“
[3] englische Wikipedia, Artikel Ultrafilter, Abschnitt „Types and existence of ultrafilters“ – „the statement that every filter is contained in an ultrafilter does not imply AC. Indeed, it is equivalent to the Boolean prime ideal theorem (BPIT), a well-known intermediate point between the axioms of Zermelo-Fraenkel set theory (ZF) and the ZF theory augmented by the axiom of choice (ZFC).“

Seite erstellt am 22.7.2025 – letzte Änderung am 23.7.2025