Mengen als Grundlage der Mathematik
Jedes mathematische Objekt kann immer als Menge oder echte Klasse [= „zu große“ Menge] betrachtet werden. Die Eigenschaften des Objekts können dann in der Sprache der Mengenlehre ausgedrückt werden. Jede mathematische Aussage kann in der Sprache der Mengenlehre formalisiert weren, und jeder mathematische Satz kann nach den Regeln der Logik erster Ordnung, ausgehend von den Axiomen der Mengenlehre ZFC oder einer Erweiterung von ZFC, hergeleitet werden. In diesem Sinne ist die Mengenlehre die Grundlage der Mathematik.[1]
Die grundlegenden mathematischen Objekte können wie folgt als Mengen aufgefasst werden:
| mathematisches Objekt | mengentheoretische Definition | Alternativen | |||||||||||||||||||||||||
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
| natürliche Zahlen | 0 = ∅
1 = {0} | 0 = ∅
1 = {∅} | |||||||||||||||||||||||||
| Ordinalzahlen | α = Menge aller kleineren Ordinalzahlen (Von- | (Die Zermelo-| geordnetes Paar
| (a, b) = {a, {a, b}}
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Tripel
| (a, b, c) = ((a, b), c)
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| kartesisches Produkt
| A × B = {(a, b) | (a ∈ A ∧ b ∈ B)}
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| Relationen
| a steht in Relation zu b ⇔ (a, b) ∈ R ⊆ A × B (D. h. Relationen sind Teilmengen des kartesischen Produkts.)
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| Funktion
| Menge geordneter Paare mit bestimmten Eigenschaften (D. h. Funktionen sind spezielle Relationen.)
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| Folge
| (an)n∈ℕ = Funktion von ℕ
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| geometrische Objekte
| Ebene = ℝ2
| geometrische Figur = Teilmenge von ℝ2
| Raum = ℝ3
| geometrischer Körper = Teilmenge von ℝ3 Graphen
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Die mengentheoretische Definition von natürlichen Zahlen und geordneten Paaren wird in der Praxis kaum benutzt. Sie ist nur wichtig, um zu zeigen, dass alle mathematischen Objekte in der Sprache der Mengenlehre streng definiert werden können. Man braucht also keine weiteren „Grundannahmen“.
Unerwartete Probleme könnte es geben,
- wenn du Zahlen und Mengen von Zahlen in dieselbe Menge gibst. Da z. B. 1 = {0} ist, kannst du nicht zwischen 1 und {0} unterscheiden. Wenn du sowohl 1 als auch {0} zu deiner Menge hinzufügst, enthält diese nur ein Element (denn zweimal das gleiche Element ist in Mengen nicht erlaubt).
- wenn du geordnete und ungeordnete Paare von natürlichen Zahlen in dieselbe Menge gibst, da z. B. (0, 0) = {0, {0, 0}} = {0, {0}} = {0, 1} ist.
In der Praxis treten solche Mengen jedoch nicht auf. (Und wenn doch, kann man z. B. Zahlen z als (0, z) hinzufügen und Mengen M von Zahlen als (1, M). Dann kommen sich die beiden Arten von Elementen sicher nicht mehr „in die Quere“.)
Weitere Definitionen
Aufbauend auf obigen grundlegenden Definitionen kann man festlegen:
| mathematisches Objekt | mengentheoretische Definition | Alternativen | |||
|---|---|---|---|---|---|
| ganze Zahlen | geordnete Paare natürlicher Zahlen, wobei (n, m) = (p, q) sein soll, wenn n + p = m + q ist
D. h. man bildet Äquivalenzklassen. | ||||
| rationale Zahlen | geordnete Paare einer ganzen und einer natürlichen Zahl größer als 0, wobei (g, n) = (h, m) sein soll, wenn g·m = h·n ist
D. h. man bildet Äquivalenzklassen. | ||||
| reelle Zahlen | Folgen rationaler Zahlen; das n-|
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komplexe Zahlen
| geordnete Paare reeller Zahlen (Realteil und Imaginärteil), deren Multiplikation so definiert wird, dass i2 = −1 ist
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Philosophisch
Vielleicht fragst du dich:
- Sind Zahlen wirklich Mengen?
- Ist eine geometrische Figur wirklich eine Menge von geordneten Paaren reeller Zahlen? Oder wird die Figur durch diese Menge nur codiert?
Antwort: Mathematik und Wirklichkeit dürfen nicht vermischt werden. In der Mathematik ist das wahr, was wir als wahr annehmen oder was aus diesen Annahmen folgt.
Ich unterscheide nicht zwischen mathematischen Objekten, die bis auf die Bezeichnung gleich sind. Daher ist es für mich dasselbe, wenn eine Teilmenge des ℝ2 eine Figur ist oder diese codiert.
Beispiel
Als Student habe ich nicht verstanden, wieso der Professor V2 als abstrakte „Menge aller Vektoren der Ebene“ von ℝ2 unterscheidet, und ich sehe heute noch keinen Nutzen darin. Rechnen kann man ja in V2 nicht (da die Vektoren in dieser abstrakten Menge keine Koordinaten haben), sondern nur in ℝ2.
Weiter
Weblinks
Detaillierter über die Grundlagen der Mathematik (in Englisch):
- Stanford Encyclopedia of Philosophy, Artikel „Basic Set Theory“
- englische Wikipedia, Artikel „Implementation of mathematics in set theory“ – Zeigt, wie die übliche Mengenlehre ZFC, aber auch die exotische Mengenlehre NFU als Basis für grundlegende mathematische Begriffe verwendet werden können.
Quellen
| [1] | Stanford Encyclopedia of Philosophy, Artikel „Set Theory“, Abschnitt „Set theory as the foundation of mathematics“ – „Any mathematical object whatsoever can always be viewed as a set, or a proper class. The properties of the object can then be expressed in the language of set theory. Any mathematical statement can be formalized into the language of set theory, and any mathematical theorem can be derived, using the calculus of first- |