Ordinalzahlen
Ordinalzahlen beschreiben die Position erste, zweite, dritte, ...
In der Mathematik wird diese "Zählvorschrift" auf unendliche Mengen, die eine Größer-
- Von 2 verschiedenen Elementen der Menge ist immer eines größer als das andere.
- Jede nicht leere Teilmenge hat ein kleinstes Element. (D. h. es gibt keine unendliche absteigende Kette. – Wenn man also von einer beliebigen Ordinalzahl runterzählt, kommt man nach endlich vielen Schritten zur 0.)
Bezeichnung
Solche Mengen heißen in der Fachsprache wohlgeordnet.
Die Ordinalzahlen werden auch Ordnungszahlen genannt. Unendliche Ordinalzahlen bezeichnet man auch als transfinite Ordinalzahlen. Statt Ordinalzahl(en) sagt man auch kurz Ordinal(e).
Von Ordinalzahlen spricht man, weil man mit ihnen rechnen kann (und dadurch neue Ordinale, d. h. Wohlordnungen erhält).
Beispiele
Abk. | Beschreibung | Veranschaulichung |
---|---|---|
1 | endliche Folgen von natürlichen Zahlen | 1 |
2 | 1 < 2 | |
3 | 1 < 2 < 3 | |
ω | alle natürlichen Zahlen (ℕ) | 1 < 2 < 3 < ... |
ω + 1 | alle natürlichen Zahlen und noch ein weiteres Element, das größer als alle diese natürlichen Zahlen ist | 1 < 2 < 3 < ... < 1' |
ω + 2 | und noch ein Element | 1 < 2 < 3 < ... < 1' < 2' |
ω + ω
= ω·2 | 2 Kopien von natürlichen Zahlen hintereinander | 1 < 2 < 3 < ... < 1' < 2' < 3' < ... |
ω·ω
= ω2 | abzählbar unendlich viele Kopien der natürlichen Zahlen hintereinander | ℕ1 < ℕ2 < ℕ3 < ...
(Es bleiben in Summe abzählbar viele Elemente, aber ω2 hat unendlich viele "Häufungspunkte", während ω keinen hat. In ω2 kann ich unendlich lang um 1 raufzählen und erreiche dennoch nicht alle Elemente.) |
ω2 + ω | abzählbar unendlich viele Kopien der natürlichen Zahlen (ohne größte) und dann eine Kopie als größte | ℕ1 < ℕ2 < ℕ3 < ... < ℕω
(Wie ω + 1, aber jede Zahl ist durch eine Kopie von ℕ ersetzt worden.) |
ω3 | abzählbar unendlich viele Kopien von ω2 | ℕ1 < ℕ2 < ... < ℕ1,1 < ℕ1,2 < ... < ℕ2,1 < ℕ2,2 < ...
(Zuerst kommt ω2, dann ist der erste Index die Nummer der Kopie und der zweite Index stammt von ω2.) |
ω4 | abzählbar unendlich viele Kopien von ω3 | ℕ1 < ℕ2 < ... < ℕ1,1 < ℕ1,2 < ... < ℕ2,1 < ℕ2,2 < ...
ℕ1,0,1 < ℕ1,0,2 < ... < ℕ1,1,1 < ℕ1,1,2 < ... < ℕ1,2,1 < ℕ1,2,2 < ... |
ωω | Grenzwert (Vereinigungsmenge) der Folge ω, ω2, ω3, ω4, ... | Entspricht endlichen Folgen von natürlichen Zahlen, aufsteigend geordnet (vgl. Indizes bei ω4 oben). |
ε0 | Grenzwert (Vereinigungsmenge) der Folge ω, ωω, ωωω, ... | Entspricht den endlichen Bäumen (Graphen mit einer Wurzel). |
ε1 |
das nächste Ordinal nach ε0 mit der Eigenschaft ε = ωε = Grenzwert (Vereinigungsmenge) der Folge ε0+1, ωε0+1, ωωε0+1, ... | Die zugrundeliegende Folge von Zahlen lässt sich kaum noch veranschaulichen.[1] |
εω | Grenzwert (Vereinigungsmenge) der Folge ε0, ε1, ε2, ... | |
φγ(α) | Es lässt sich die Folge εε0, εεε0, εεεε0, ... definieren. Diese hat einen Grenzwert, der nicht mehr mit Epsilons angegeben werden kann. Man kann aber mit ihm genauso wie mit den Epsilons rechnen und damit neue, größere Ordinale definieren – bis man wieder auf so einen Grenzwert stößt. Dann kann man mit diesem weiterrechnen usw. Mit der Funktion φ werden alle diese Grenzwerte "durchnummeriert" (wobei die "Nummer" wieder ein unendliches Ordinal sein kann):
φ1(α) = εα φ2(α) = das α- φ3(α) = das α- ... (Veblen- | |
Γ0 |
Grenzwert (Vereinigungsmenge) aller mit der Veblen- = kleinstes Ordinal x, für das φx(0) = x ist = kleinstes (unendliches) Ordinal, das nicht mit kleineren Ordinalen beschrieben werden kann | |
ψ0(εΩ+1) | Größere Ordinale können definiert werden, indem man ein noch größeres, überabzählbares Ordinal (Ω) verwendet. (Die beispielhaft angegebene Formel benennt das Bachmann- | |
ω1CK |
kleinstes Ordinal, für das keine exakte, nachprüfbare Beschreibung gegeben werden kann (Church- Jede Beschreibung besteht aus endlich vielen Buchstaben. Die Menge aller möglichen Beschreibungen ist dadurch abzählbar. Die Menge aller abzählbaren Ordinale ist jedoch überabzählbar! (Beweis siehe nächste Zeile) Größere Ordinale können nicht mehr explizit angegeben werden. Man kann sie jedoch definieren. | |
ω1 |
erste überabzählbare Ordinalzahl = Menge aller abzählbaren Ordinale (Diese Menge ω1 ist – wie jede Vereinigung von Ordinalen – wieder ein Ordinal.[2] Wenn ω1 abzählbar wäre, dann wäre auch das größere Ordinal ω1 + 1 abzählbar. Doch als Vereinigungsmenge aller abzählbaren Ordinale müsste ω1 mindestens genauso groß sein.) Bemerkenswert ist, dass ω1 durch keine Folge abzählbarer Ordinale erreicht werden kann, denn eine Vereinigung von abzählbar vielen abzählbaren Mengen ist wieder abzählbar.[3] | ω1 entspräche (wenn die Kontinuumshypothese gilt) einer Wohlordnung auf den reellen Zahlen. (Die übliche Ordnung ist keine Wohlordnung, da man in ihr unendlich oft absteigen kann, ohne 0 zu erreichen.) Eine Wohlordnung auf den reellen Zahlen ist mit den üblichen Axiomen der Mathematik jedoch nicht explizit konstruierbar. |
Ω | ||
ω2 |
erste Ordinalzahl mit größerer Kardinalität als ω1 = Menge aller Ordinale mit der Kardinalität von ω1 | |
ωω | Grenzwert (Vereinigungsmenge) von ω1, ω2, ω3, ... |
Auf diese Art und Weise lassen sich beliebig große Ordinalzahlen bilden. (Die Vereinigung aller Ordinale einer bestimmten Kardinalität liefert immer ein Ordinal mit noch größerer Kardinalität.) Mathematisch untersucht scheinen jedoch hauptsächlich die abzählbaren Ordinale zu werden. Vielleicht weil bei den überabzählbaren wenig Neues passiert.
Ähnlichkeiten
- So wie man durch keine endliche Operation zum Abzählbaren kommt, kommt man durch keine abzählbare Operation ins Überabzählbare. (Aber alle endlichen Ordinale sind zusammengenommen abzählbar, und alle abzählbaren Ordinale sind zusammengenommen überabzählbar.)
- Die Bemühungen, möglichst große Ordinale angeben zu können, erinnern an die Bemühungen, möglichst große Zahlen angeben zu können. Da wie dort stößt jede Notation an Grenzen.
Anwendungen
- transfinite Induktion – Damit kann man jede beliebige (auch überabzählbare) Menge erschöpfend "durchgehen" und z. B. beweisen, dass jeder Vektorraum eine Basis hat.
- Die "Beweiskraft" von mathematischen Axiomensystemen kann man oft durch das größte Ordinal, das damit "erreicht" werden kann, angeben.
Mein erster Gedanke war, dass mit den Ordinalen Wohlordnungen klassifiziert werden, doch das scheint kaum ein Thema zu sein. Anscheinend treten bei mathematischen Analysen nur selten unbekannte, komplizierte Wohlordnungen auf.
In der angewandten Mathematik scheint es keine Verwendung für Ordinalzahlen zu geben.[4]
Ursprünglich ist Cantor als Erster auf die Ordinalzahlen gestoßen, als er Häufungspunkte von Mengen reeller Zahlen studierte:
- Die Menge aller dieser Häufungspunkte kann selbst Häufungspunkte haben.
- Diese können wieder Häufungspunkte haben usw.
- Man kann unendlich oft die Menge durch ihre Häufungspunkte ersetzen und dann den Durchschnitt aus diesen unendlich vielen Mengen bilden (entspricht ω).
- Dieser Durchschnitt kann wieder andere Häufungspunkte haben (entspricht ω + 1) usw.
Mein Bezug zu Ordinalzahlen
Ich habe im gesamten Mathematik-
Schreibweise
Ich schreibe Ordinale, die für eine genau bestimmte transfinite Zahl stehen (ω, ε0, Γ0, ...), wie reelle Konstanten (e, π, ...) in aufrechter Schrift. Wird aber nicht überall so gehandhabt.
Weiter
Weblinks
- Wikibooks: Beweisarchiv: Mengenlehre: Ordinalzahlen
- Jörg Resag: Die Grenzen der Berechenbarkeit, Kapitel Goodsteinfolgen, Ordinalzahlen und transfinite Induktion – mit grafischer Veranschaulichung von Ordinalzahlen
Quellen
[1] | Peter J. Cameron: Sets, logics and combinatorics (PDF), S. 52 (im PDF S. 10) – "Ordinals soon grow to a point where it is not easy to imagine the resulting sequence." |
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