Echte Klassen
Eine echte Klasse ist üblicherweise eine Zusammenfassung von Elementen, die „zu groß“ ist, um noch eine Menge sein zu können.
Beispiele
- alle Ordinalzahlen
- alle Kardinalzahlen
- alle Mengen
- alle einelementigen Mengen
- alle Gruppen
Diese Beispiele haben gemeinsam, dass man – egal wie viele Elemente man „zusammengetragen“ hat – immer noch ein weiteres Element finden kann, das dazugehört. Daher kann es sich nicht um Mengen handeln (vgl. Paradoxa in der naiven Mengenlehre).
Eigenschaften
Mit echten Klassen kann man fast alles machen, was man auch mit Mengen machen kann:
- Operationen wie Vereinigung, Durchschnitt, kartesisches Produkt, ...[1]
- Unterscheidung von Teilklassen und Oberklassen
- alle Teilmengen in eine neue echte Klasse zusammenfassen (wie Potenzmenge einer Menge)[2]
- jedem Element einer echten Klasse ein mathematisches Objekt zuordnen (Klassenfunktion, z. B. A ↦ 𝒫(A))
Eine wichtige Einschränkung gibt es aber:
Ansonsten gäbe es das Paradoxon (Russellsche Antinomie):
echte Klasse aller echten Klassen, die sich nicht selbst als Element enthalten
(Egal, ob diese Klasse sich selbst enthält oder nicht – es folgt immer das Gegenteil, also ein Widerspruch.)
Hingegen ist möglich:
echte Klasse aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten
(Eine echte Klasse ist keine Menge und daher stellt sich nun die Frage, ob sie sich selbst enthält, gar nicht.)
Dieses und andere derartige Paradoxa zu vermeiden, ist gerade der Zweck von echten Klassen.
Weitere Unterschiede zu Mengen
Mengen | echte Klassen |
---|---|
| werden durch die Eigenschaft, die die Elemente erfüllen müssen, definiert (logischer Begriff einer „Zusammenfassung“ von Elementen)[5] |
| durch eine logische Formel |
| Echte Klassen sind alle „gleich groß“ (so groß wie die echte Klasse aller Mengen).[6] |
| Eine echte Klasse kann in einer anderen Mengenlehre mehr oder weniger Elemente haben[7] (z. B. gibt es in der Mengenlehre Z Ordinalzahlen nur bis ausschließlich ωω, und in ZF sehr viel größere). |
Verwendung
In der üblichen Mengenlehre (ZFC) gibt es keine echten Klassen. Aber:
wir [können] in ZF durchaus mit Aussagen über Klassen arbeiten, solange diese Aussagen sich nur auf Elemente der Klassen, nicht aber auf Teilklassen beziehen.[8]
Klassen lassen sich im Prinzip aus Definitionen und Theoremen immer entfernen, indem sie durch Formeln ersetzt werden. In der Praxis ist aber die Durchführung einer solchen Elimination nicht erforderlich und wäre wegen der suggestiven Stärke der Klassensprechweise auch nicht wünschenswert. Generell gilt: Keine Angst vor Klassen, auch nicht in ZFC.
Alternative:
- Neumann-
Bernays- (NBG) – Das ist ZFC mit einem Begriff für „echte Klassen“. Wird aber selten explizit verwendet.Gödel- Mengenlehre
Andere Bezeichnungen
Unmenge | für echte Klasse |
eigentliche Klasse | |
absolut unendlich | wäre die Kardinalität einer echten Klasse (ist größer als die Kardinalität jeder Menge) |
Klasse | Oberbegriff für Menge und echte Klasse (nicht mit Äquivalenzklasse verwechseln) |
Sonderfälle
In der Praxis ist eine echte Klasse fast immer eine „zu große“ Menge. Es gibt jedoch auch kleine „Möchtegern-
Beispiel | ||
---|---|---|
| A = {A} | Verboten wegen Fundierungsaxiom |
| A1 = {A2}
A2 = {A3} | |
| Mengenlehre „New Foundations“ |
Weiter
Quellen
[1] | Oliver Deiser:
|
[2] | Oliver Deiser: Einführung in die Mengenlehre, Abschnitt „Operationen mit Klassen“ |
[3] | englische Wikipedia, Artikel „Class (set theory)“, Abschnitt „Paradoxes“ – „there is no notion of classes containing classes.“ |
[4] | Joel David Hamkins im Diskussionsforum StackExchange – „a ,collection‘ of proper classes ... is neither a set nor a class.“ |
[5] | Penelope Maddy: Proper classes (PDF), The Journal of Symbolic Logic, 1983, S. 119 (im PDF S. 7) – „These contrasting ideas, set as iteratively generated versus class as extension, are often called the mathematical and logical notions of collection, respectively. ... sets are generated by an iterative construction process. Classes are given all at once, by the properties that determine which objects are members of them ... ,set‘ is a mathematical concept and ,class‘ is a logical concept.“ |
[6] | englische Wikipedia, Artikel „Morse–Kelley set theory“, Abschnitt „Discussion“ – „all proper classes have the same size as V.“ |
[7] | Penelope Maddy: Believing the Axioms, part II (PDF), The Journal of Symbolic Logic, 1988, S. 752 (im PDF S. 18) – „a set is completely determined by its members–it has the same members in every possible world–but a class might have more members in another possible world“ |
[8] | Stefan Bold: AD und Superkompaktheit (PDF), Diplomarbeit, S. 11 (im PDF S. 17) |
[9] | Penelope Maddy: Proper classes (PDF), The Journal of Symbolic Logic, 1983, S. 116 (im PDF S. 4), Fußnote 10 – „In common usage, a proper class is a collection which for some reason or other cannot be a set.“ |
[10] | Wikipedia, Artikel „Klasse (Mengenlehre)“, Abschnitt „Echte Klassen“ – „Besonders in Mengenlehren, wo das Aussonderungsschema nicht bedingungslos gilt, wie etwa der New Foundations, können echte Klassen sogar Teilmengen von Mengen sein.“ |