Mario Sedlak
Mathematik
Wissenschaft
Hauptthemen
Neue und erweiterte Seiten

Echte Klassen

Eine echte Klasse ist üblicherweise eine Zusammenfassung von Elementen, die „zu groß“ ist, um noch eine Menge sein zu können.

Beispiele

Diese Beispiele haben gemeinsam, dass man – egal wie viele Elemente man „zusammengetragen“ hat – immer noch ein weiteres Element finden kann, das dazugehört. Daher kann es sich nicht um Mengen handeln (vgl. Paradoxa in der naiven Mengenlehre).

Eigenschaften

Mit echten Klassen kann man fast alles machen, was man auch mit Mengen machen kann:

Eine wichtige Einschränkung gibt es aber:

Ansonsten gäbe es das Paradoxon (Russellsche Antinomie):

echte Klasse aller echten Klassen, die sich nicht selbst als Element enthalten

(Egal, ob diese Klasse sich selbst enthält oder nicht – es folgt immer das Gegenteil, also ein Widerspruch.)

Hingegen ist möglich:

echte Klasse aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten

(Eine echte Klasse ist keine Menge und daher stellt sich nun die Frage, ob sie sich selbst enthält, gar nicht.)

Dieses und andere derartige Paradoxa zu vermeiden, ist gerade der Zweck von echten Klassen.

Weitere Unterschiede zu Mengen

Mengen echte Klassen
  • werden „von unten“ (schrittweise aus einfacheren Mengen) konstruiert (mathematischer Begriff einer „Zusammenfassung“ von Elementen)
werden durch die Eigenschaft, die die Elemente erfüllen müssen, definiert (logischer Begriff einer „Zusammenfassung“ von Elementen)[5]
durch eine logische Formel
Echte Klassen sind alle „gleich groß“ (so groß wie die echte Klasse aller Mengen).[6]
  • Eine Menge bleibt gleich, egal in welcher Mengenlehre sie konstruiert wird (sofern die Konstruktion in beiden Mengenlehren möglich ist).
Eine echte Klasse kann in einer anderen Mengenlehre mehr oder weniger Elemente haben[7] (z. B. gibt es in der Mengenlehre Z Ordinalzahlen nur bis ausschließlich ωω, und in ZF sehr viel größere).

Verwendung

In der üblichen Mengenlehre (ZFC) gibt es keine echten Klassen. Aber:

wir [können] in ZF durchaus mit Aussagen über Klassen arbeiten, solange diese Aussagen sich nur auf Elemente der Klassen, nicht aber auf Teilklassen beziehen.[8]
Klassen lassen sich im Prinzip aus Definitionen und Theoremen immer entfernen, indem sie durch Formeln ersetzt werden. In der Praxis ist aber die Durchführung einer solchen Elimination nicht erforderlich und wäre wegen der suggestiven Stärke der Klassensprechweise auch nicht wünschenswert. Generell gilt: Keine Angst vor Klassen, auch nicht in ZFC.

Alternative:

Andere Bezeichnungen

Unmenge für echte Klasse
eigentliche Klasse
absolut unendlich wäre die Kardinalität einer echten Klasse (ist größer als die Kardinalität jeder Menge)
Klasse Oberbegriff für Menge und echte Klasse (nicht mit Äquivalenzklasse verwechseln)

Sonderfälle

In der Praxis ist eine echte Klasse fast immer eine „zu große“ Menge. Es gibt jedoch auch kleine „Möchtegern-Mengen“, die aus irgendwelchen Gründen keine Menge sein dürfen und daher echte Klassen sind:[9]

Beispiel
  • Menge, die sich selbst enthält
A = {A} Verboten wegen Fundierungsaxiom
  • unendlich absteigende Kette von Mengen
A1 = {A2}

A2 = {A3}
A3 = {A4}
...

Mengenlehre „New Foundations“

Weiter

Kardinalitäten

Quellen

[1]

Oliver Deiser:

[2] Oliver Deiser: Einführung in die Mengenlehre, Abschnitt „Operationen mit Klassen
[3] englische Wikipedia, Artikel „Class (set theory)“, Abschnitt „Paradoxes“ – „there is no notion of classes containing classes.“
[4] Joel David Hamkins im Diskussionsforum StackExchange – „a ,collection‘ of proper classes ... is neither a set nor a class.“
[5] Penelope Maddy: Proper classes (PDF), The Journal of Symbolic Logic, 1983, S. 119 (im PDF S. 7) – „These contrasting ideas, set as iteratively generated versus class as extension, are often called the mathematical and logical notions of collection, respectively. ... sets are generated by an iterative construction process. Classes are given all at once, by the properties that determine which objects are members of them ... ,set‘ is a mathematical concept and ,class‘ is a logical concept.“
[6] englische Wikipedia, Artikel „Morse–Kelley set theory“, Abschnitt „Discussion“ – „all proper classes have the same size as V.“
[7] Penelope Maddy: Believing the Axioms, part II (PDF), The Journal of Symbolic Logic, 1988, S. 752 (im PDF S. 18) – „a set is completely determined by its members–it has the same members in every possible world–but a class might have more members in another possible world“
[8] Stefan Bold: AD und Superkompaktheit (PDF), Diplomarbeit, S. 11 (im PDF S. 17)
[9] Penelope Maddy: Proper classes (PDF), The Journal of Symbolic Logic, 1983, S. 116 (im PDF S. 4), Fußnote 10 – „In common usage, a proper class is a collection which for some reason or other cannot be a set.“
[10] Wikipedia, Artikel „Klasse (Mengenlehre)“, Abschnitt „Echte Klassen“ – „Besonders in Mengenlehren, wo das Aussonderungsschema nicht bedingungslos gilt, wie etwa der New Foundations, können echte Klassen sogar Teilmengen von Mengen sein.“

Seite erstellt am 18.9.2025 – letzte Änderung am 18.9.2025