Rückspeisung von Elektroautos ins Stromnetz ("Vehicle to grid")
Im Zuge des Hypes um Elektroautos verbreiten überzeugte Befürworter die Vision, dass Millionen Elektroautos mit ihren Akkus die Erzeugungsschwankungen von Windkraftwerken und Solarzellen ausgleichen könnten, indem sie bei Bedarf ihren gespeicherten Strom wieder in das Netz zurückspeisen. So soll der Traum von 100% Ökostrom aus dezentralen Kraftwerken wahr werden, und durch Einnahmen aus dem Verkauf des Stroms könnten gleichzeitig die Kosten von Elektroautos erträglich werden. Wer daran glaubt, für den ist das Ganze "eine pfiffige Idee"; Skeptiker nennen es eine "fröhliche grüne Botschaft".
Potenzial
Wenn 1 Million Elektroautos mit je 3 kW an das Netz angeschlossen sind, könnten sie theoretisch ±3 GW zur Netzregelung beitragen. Das ist in der Tat nicht wenig. Vgl. Pumpspeicherkraftwerke[1]
Bei 20 kWh pro Akku könnten 1 Million Elektroautos max. 20 GWh liefern. Das ist der durchschnittliche Stromverbrauch von Österreich in 3 Stunden. Selbst wenn alle Autos (rund 5 Millionen in Österreich) so einen Akku hätten, reicht das offensichtlich nicht für längere Flauten bei Wind und Sonne.
Probleme
Neben der begrenzten Speicherkapazität gibt es noch weitere Nachteile, und ich staune immer wieder, wie man von einer Sache so begeistert sein kann, dass man sie alle ausblendet:
- Den meisten Autofahrern ist die Reichweite von Elektroautos ohnehin schon zu gering; da werden sie sich nicht dem Risiko aussetzen, dass ihr Elektroauto wegen Strommangel im Netz gerade noch weniger weit fahren kann. Angesichts der geringen Bereitschaft, den Stromanbieter zu wechseln erscheint es mir auch nicht wahrscheinlich, dass sich Millionen Autofahrer gerne den Kopf darüber zerbrechen, wann und wie viel sie ihr Fahrzeug am Strommarkt mitspielen lassen.[2]
- Zumindest bei den heute verfügbaren Akkus für Elektroautos kann sich die Lebensdauer durch häufiges Laden und Entladen verkürzen. Nachdem die Autofahrer nicht einmal den Verbrennungsmotor an der roten Ampel abstellen, habe ich starke Zweifel, dass sie an dem noch viel teureren Akku herumladen lassen werden. "Wer ist letztlich verantwortlich, wenn der Akku kaputt ist?"[3] Wenn man den Tesla Model S zur Rückspeisung ins Stromnetz nutzt, verliert man die Garantie auf den Akku.[4] Als 1. Hersteller in Europa hat Mitsubishi seine Elektroautos zum Rückspeisen freigegeben. Da die Akkukapazität nicht voll ausgenutzt wird, sieht Mitsubishi kein Problem durch häufigere Entladevorgänge.
- Beim derzeitigen Stand der Dinge ist der Verkauf von Akkustrom ein Verlustgeschäft.[5] Selbst wenn die Akkus nicht verschleißen, musst du beachten, dass für die Rückspeisung i. A. zusätzliche Elektronik (ein Wechselrichter) erforderlich ist. Diese Kosten müssen erst einmal verdient werden.
Mein Fazit
Dass Elektroautos mit ihren Akkus das Stromnetz stützen könnten, ist eine aufgebauschte Idee, die auf absehbare Zeit Utopie bleiben wird. Wir sollten lieber näher bei den Fakten bleiben: Weder für die Zukunft von Elektroautos noch für die Stromzukunft ist die Idee der Rückspeisung entscheidend. 100% Ökostrom werden nicht ohne Ausbau des Stromnetzes möglich sein.
Weiter
Quellen
[1] | Wuppertal-[2]
| Vgl. WWF: Auswirkungen von Elektroautos auf den Kraftwerkspark und die CO2- | [3]
| Michael Paula, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, lt. Lebensart, 3/2011, S. 17
| [4]
| Tesla Model S Quick Guide (PDF, nicht mehr aufrufbar), S. 31 (im PDF S. 33)
| [5]
| Grid for Vehicles – Key Messages and Conclusions (PDF, 1 MB), S. 19
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