Mario Sedlak
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Über meine Artikel

Dieser Artikel wurde im SOL-Magazin, Sommer 2020, S. 12f. veröffentlicht. Das SOL-Magazin ist eine Zeitschrift des „Nachhaltigkeitsvereins“ SOL.


Wenn möglich, bitte wenden!

Ohne Verkehrsreduktion auf ein nachhaltiges Ausmaß wird die Verkehrswende nicht gehen.

Wir sollten möglichst bald nur noch erneuerbare Energie verwenden. Gerade im Verkehr ist das schwierig, weil es an nachhaltigen Alternativen mangelt. Aber auch Umweltschützer haben Fernweh und fragen sich: Wie kann ich Kompromisse zwischen meinen Sehnsüchten und meinem Gewissen schließen? Nachhaltiges Reisen ist der Wunsch, aber inwieweit geht das überhaupt? Schauen wir uns die Ökobilanzen der verschiedenen Verkehrsmittel an!

Fliegen: besser nie

Diagramm

Typische Werte für die Klimabilanz verschiedener Verkehrsmittel (CO2-Äquivalente). Vorkette der Energiebereitstellung ist berücksichtigt (+25% bei Treibstoffen), Fahrzeuge und Infrastruktur nicht (ca. 10–20%). Stromverbrauch ist mit den CO2-Emissionen des letzten noch benötigten Kraftwerks bewertet (900 g/kWh inkl. Verluste und Vorkette).

Verkehrsflugzeuge verbrauchen heutzutage im Durchschnitt nur rund 3,5 Liter Kerosin pro 100 Passagierkilometer. Dass sie trotzdem das umweltschädlichste Verkehrsmittel sind, liegt an ihrer Klimawirkung, die ca. 2–3 Mal höher als die vom CO2 allein ist, vor allem durch Kondensstreifen und Stickoxide, die zu Ozon reagieren, das auf Reiseflughöhe stark wärmt. Auf Kurzstrecken ist der Energieverbrauch pro Kilometer höher, weil der Steigflug viel Energie braucht. Andererseits ist in geringerer Flughöhe der Treibhauseffekt noch nicht erhöht, sodass die Klimabilanz eines Flugkilometers relativ unabhängig von der Länge des Flugs ist.

Propellerflugzeuge sind aus physikalischen Gründen[1] ca. 30% effizienter[2] als Düsenflugzeuge und fliegen außerdem in geringerer Höhe, wo noch keine Kondensstreifen entstehen und Ozon kein so großes Problem ist. Sie können allerdings nicht so schnell fliegen. Deswegen werden sie – wenn überhaupt – nur auf Kurzstrecken eingesetzt.

Öko-Tipp: Freigepäck nicht maximal ausnutzen! Ein Koffer weniger ist ungefähr 10% weniger Klimaschaden durch den Flug.[3]

Schiff: Filter nötig

Schiffe sind beim Gütertransport sehr klimafreundlich. Kreuzfahrtschiffe sind jedoch schwimmende Hotels und Freizeitparks, die ihren riesigen Energiebedarf ganz aus der Verbrennung von (meist dreckigstem) Mineralöl decken. Die Abgase werden oft nicht einmal gefiltert, weswegen die Luftverschmutzung massiv ist.

Manche Frachtschiffe nehmen auch Passagiere mit, aber zahlende Passagiere haben genauso Anteil an den Emissionen. Nur als Mitarbeiter oder im Segelboot kann man annähernd klimaneutral einen Ozean überqueren.

Zug: gar nicht so effizient

Züge, die mit Diesel betrieben werden, verbrauchen um die 2 Liter pro 100 Passagierkilometer. Das ist vom Energieverbrauch her nicht viel weniger als ein Flugzeug. Wenn Züge mit Kohlestrom fahren, ergibt das ungefähr den gleichen CO2-Ausstoß wie wenn sie mit Diesel fahren. Wenn sie mit Ökostrom fahren, dann verhindern sie damit, dass dieser Ökostrom Kohlestrom ersetzt. Im Endeffekt sind die Mehremissionen wieder die gleichen. Das ist die sogenannte Zuwachsbetrachtung. Sie sagt aus, was durch einen zusätzlichen Verbrauch letzten Endes tatsächlich (evtl. auf Umwegen) passiert. Viele Ökobilanzen werden stattdessen mit Durchschnittswerten gerechnet, was einfacher ist und oft „bessere“ Ergebnisse liefert, die jedoch mit der Wirklichkeit meist wenig zu tun haben, insbesondere beim Stromverbrauch, wo es „saubere“ und „schmutzige“ Kraftwerke gibt.

Auch wenn in Österreich das letzte Kohlekraftwerk im April abgeschaltet wurde, sind wir nach wie vor in das europäische Stromnetz eingebunden, wo bis dato 20% des Stroms aus Kohle erzeugt werden.[4] Von einem Ökostrom-Überschuss, den wir (fast) klimaneutral verbrauchen könnten, sind wir noch weit entfernt.

Hochgeschwindigkeitszüge mit 300 km/h oder mehr können eine ernstzunehmende Alternative zu einem Flug sein. Allerdings steigt auch bei Zügen der Energieverbrauch drastisch mit der Geschwindigkeit.

Bus: besser als sein Ruf

Ein voll besetzter Reisebus braucht nur 0,4 Liter Diesel pro 100 Passagierkilometer. Der Komfort ist aber geringer. Wenn Bahnstrecken auf Busse umgestellt werden, wechselt in der Regel der Großteil der Fahrgäste auf das Auto.[5]

Auto: gut mit Mitfahrern

Für den Transport einer einzigen Person ist ein Auto ineffizient, aber schon ab 2–3 Personen ist der Verbrauch nicht mehr höher als von Bus oder Bahn. Diese sind außerhalb der Stoßzeiten aber meist „sowieso“ unterwegs, sodass sie von Klimaschützern bevorzugt werden sollten. Zu Zeiten, wo die Öffis eher überfüllt sind und weiterer Bedarf also zusätzliche Waggons oder Busse auslösen würde, müssen Pendler, die Fahrgemeinschaften bilden, oder Familien, die mit dem Auto auf Urlaub fahren, hingegen kein schlechtes Gewissen haben.

Auch im Autoverkehr bringt die Elektrifizierung dem Klima (noch) nichts, denn es wird ungefähr gleich viel CO2 eingespart, wenn der Ökostrom Kohlestrom ersetzt wie wenn er Benzin oder Diesel ersetzt.

Motorrad: gefährlich

Motorräder sind hinsichtlich CO2 besser als Autos, aber bei den Luftschadstoffen deutlich schlechter. Letzteres Problem fällt bei elektrischem Antrieb weg, doch in jedem Fall sind Motorräder das Verkehrsmittel mit der höchsten Unfallgefahr.

Fahrrad: Strom besser als Muskeln

Interessanterweise produzieren Elektroräder pro Kilometer nicht mehr, sondern weniger CO2 als rein mit Muskelkraft betriebene Räder, denn die Muskeln brauchen Nahrung, und bei dessen Produktion entstehen Treibhausgase. (Das ausgeatmete CO2 ist hingegen egal, da es vorher von den Pflanzen gebunden wurde.)

Eine Fahrt in den Urlaub mit dem Elektrorad wäre ökologisch unschlagbar, aber nur wenige Reisende haben so viel Zeit, Fitness und Abenteuerlust. Als Ersatz für’s Auto oder Fitness-Studio ist ein Rad auch im Alltag gut für’s Klima.

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Urlaubs-Unterkunft und Fazit (Seite 2 von 2)

Quellen

[1] Mit einem Propeller wird viel Luft wenig beschleunigt; mit einer Düse wenig Luft stark. Für die Schuberzeugung ist das gleichwertig; der Energieaufwand ist im letzteren Fall aber deutlich höher, weil die Geschwindigkeit im Quadrat eingeht (E = mv2/2).
[2]
[3] Es kann statt dem Koffer Fracht eingeladen werden, die sonst einen Treibhausgas-Ausstoß (CO2-Äquivalente) von 2000 g/tkm verursacht hätte. Bei angenommenen 15 kg Frachtgewicht entspricht das 2000 · 15/1000 = 30 g/km = 10% von 300 g/km.
[4] ENTSO-E: Statistical Factsheet 2018 (PDF, 2 MB), S. 3 (im PDF S. 2)
[5] VCÖ: Öffentlicher Verkehr mit Zukunft, 2005, S. 23