Mario Sedlak
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Windkraftwerke verdrängen Strom aus konventionellen Kraftwerken. Manche glauben daher, dass bis zu einer gewissen Entfernung von ihnen nur "sauberer" Strom aus der Steckdose kommt.

Umweltwirkungen durch den Verbrauch von Strom

Es gibt ganz verschiedene – unklare – Ansichten darüber, welche Umweltwirkungen ein bestimmter Stromverbrauch hat:

Aus welchem Kraftwerk kommt dein Strom?

Kraftwerke produzieren Strom nicht nur aus "Profitgier", sondern weil es jemanden gibt, der ihnen den Strom abkauft. Wenn du mehr oder weniger Strom brauchst, welche Kraftwerke werden dann letztlich mehr oder weniger Strom erzeugen?

Übrig bleiben die Wärmekraftwerke auf Basis von fossiler Energie. Wir alle wissen, dass Kohle, Gas und Öl begrenzt sind, aber paradoxerweise sind sie heute die einzigen Energieformen, die "im Überfluss" vorhanden sind und zur Deckung einer erhöhten Stromnachfrage zur Verfügung stehen. Nur in seltenen Fällen erzeugen Wind und Sonne dermaßen hohe Stromüberschüsse, dass alle konventionellen Kraftwerke auf ein Minimum gedrosselt oder ganz abgeschaltet sind.

Das heißt: I. A. kommt jede Kilowattstunde, die du mehr verbrauchst, aus Wärmekraftwerken – und zwar gerade aus den ineffizientesten, denn die haben höhere Kosten, was bewirkt, dass sie nur bei entsprechend hoher Nachfrage zum Einsatz kommen.

Oder umgekehrt: Jede Kilowattstunde, die du einsparst,

Emissionen

Wenn man betrachtet, was wirklich passiert, wenn Strom verbraucht wird, ergibt sich ein De-facto-Kohlendioxid-Ausstoß von 700[1]1000[2] g/kWh. Der genaue Wert ändert sich, je nachdem, welches Kraftwerk gerade noch benötigt wird, um den Bedarf zu decken. Ich halte 800 g/kWh für eine realistische Schätzung.

Gaskraftwerke wären deutlich sauberer, aber Gas ist teuer und wird aus Gründen der Versorgungssicherheit nur in begrenztem Umfang verwendet. Deshalb halte ich es nicht für richtig, mit einem deutlich kleineren Wert als 800 g/kWh zu rechnen, wenn gerade viele Gaskraftwerke am Netz sind. Außerdem erzeugen genau dann auch die Pumpspeicherkraftwerke Strom, den sie zuvor mit hohen Verlusten gespeichert haben.

Hinzu kommen indirekte Emissionen, die bei Errichtung, Wartung und Abriss der Kraftwerke sowie bei Gewinnung und Transport der Brennstoffe entstehen. Diese liegen im Bereich von 5–10%. Weiters gehen im Stromnetz durchschnittlich 5% des erzeugten Stroms verloren. Insgesamt wird sich daher eine Klimabilanz von ca. 900 g/kWh ergeben.

Physikalisch

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Wasserkraftwerk Freudenau – Sogar in diesem "Plusenergiehaus" führt jeder Stromverbrauch dazu, dass irgendwo anders Kohlendioxid ausgestoßen wird.

Manche sagen, rein physikalisch kommt der Strom immer aus dem nächstgelegenen Kraftwerk. Das stimmt insoweit, als in der Nähe eines Kraftwerks, das in Betrieb ist, kein Strom von weiter entfernten Kraftwerken importiert wird. Aber der Weg der elektrischen Kräfte lässt sich nicht wirklich von einzelnen Kraftwerken bis zu dir daheim verfolgen. Physikalisch wirken sich an jedem Punkt eines verbundenen Stromnetzes alle Kraftwerke des gesamten Netzwerkes aus (Überlagerungsprinzip).

Wie auch immer – wenn du neben einem Wasserkraftwerk wohnst, heißt das nicht, dass du ohne Bedenken beliebig viel Strom verbrauchen darfst. Wenn du mehr verbrauchst, muss irgendwo auch mehr erzeugt werden. Auf die Gesamtsummen kommt es an.

Kurzfristig

Wenn du deinen elektrischen Wasserkocher einschaltest, erbringt zunächst ein Kraftwerk, das schnell regelbar ist, die benötigte Leistung. Das ist in Österreich praktisch immer ein Speicherkraftwerk. Aber wenn ein Speicherkraftwerk mehr Wasser aus seinem Stausee verbraucht hat, weil die Kunden mehr Strom bezogen haben, dann kann das Kraftwerk zu einem späteren Zeitpunkt weniger Strom produzieren. Diese Lücke, die dadurch entsteht, muss ein Wärmekraftwerk schließen.

Langfristig

Wenn der Stromverbrauch steigt, müssen irgendwann neue Kraftwerke gebaut werden. Welche werden das sein? Ökostrom-Anbieter versprechen, dass sie nur Ökostrom-Kraftwerke bauen. Das halten sie auch ein, aber es darf bezweifelt werden, dass die umweltfreundlichen Kraftwerke nur deswegen gebaut werden, weil die Kunden der Ökostrom-Anbieter mehr Strom verbrauchen. Die allermeisten Öko-Kraftwerke werden nämlich gänzlich ohne Zutun der Ökostrom-Anbieter errichtet und von der Allgemeinheit über die Ökostrom-Förderung bezahlt. Das ist erfreulich, bedeutet aber, dass es unter den derzeitigen Rahmenbedingungen gar nicht so einfach ist, die Stromerzeugungslandschaft so weit zu verbessern, dass der Traum vom umweltneutralen Stromverbrauch tatsächlich wahr wird. Das würde auch deutlich mehr kosten, als die Ökostrom-Anbieter für ihren Strom verlangen.

Es ist gut, einen Ökostrom-Anbieter zu unterstützen, aber eine Stromheizung wird nicht umweltfreundlich und ein Elektroauto nicht CO2-neutral, wenn man ein paar Cent/kWh mehr zahlt. Siehe Umweltwirkungen von Ökostrom und Missverständnisse bei der Stromkennzeichnung

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Umweltwirkungen je nach Tageszeit des Stromverbrauchs

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Quellen

[1] Marian Klobasa, Frank Sensfuß, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI): CO2-Minderung durch erneuerbare Energien im Stromsektor. Ergebnisse des Gutachtens für 2010 und 2011 (PDF, 1 MB), S. 12 (Eine CO2-Minderung durch eingespeisten Ökostrom ist gleich hoch wie die Minderung durch niedrigeren Stromverbrauch.)
[2] WWF: Auswirkungen von Elektroautos auf den Kraftwerkspark und die CO2-Emissionen in Deutschland (PDF, 3 MB), 2009, S. 33 (Deutschland und Österreich haben einen eng verbundenen Strommarkt.)

Seite erstellt am 23.1.2008 – letzte Änderung am 22.12.2018