Ökobilanz nach der Durchschnittsbetrachtung
Als ich mich in Ökobilanzen einarbeitete, war ich verblüfft, wie primitiv da tw. vorgegangen wird: Umweltwirkungen, die bei der Produktion entstehen, werden einfach aufsummiert und dann durch die verkaufte Menge dividiert.
Beispiel
Im Jahr 2005 betrugen die Emissionen der Fernwärme Wien:[1]
197,1 g/kWh | Kohlendioxid (und andere Treibhausgase) |
0,047 g/kWh | Schwefeldioxid |
0,110 g/kWh | Stickoxide |
0,005 g/kWh | Staub |
0,024 g/kWh | Kohlenmonoxid |
Vorteile
- Die Zahlen sind genau berechenbar, da sie rein auf messbaren Größen basieren.
- einfache Berechnungsformel – keine besonders tief gehenden Analysen erforderlich
- Summe über alle Verbraucher ergibt die tatsächliche Gesamtsumme.
Nachteile
- schwierige Interpretation – keine Aussage darüber, was wirklich passiert, wenn eine Einheit des bilanzierten Produkts zusätzlich benötigt oder eingespart wird!
- nicht geeignet, um zu entscheiden, welches von mehreren Produkten aus Sicht des Umweltschutzes zu bevorzugen ist – Wenn man es doch tut, ergeben sich u. U. wirklichkeitsferne Ergebnisse.
Wenn ich 1 kWh Fernwärme einspare, dann werden keineswegs die in obiger Tabelle aufgelisteten Schadstoffmengen vermieden, denn diese stammen zu einem guten Teil aus der Müllverbrennung und der Resteverwertung in der Raffinerie Schwechat, welche vollkommen unabhängig vom Heizenergiebedarf arbeiten. Ein im Sommer eingesparter Fernwärmeverbrauch hat nahezu gar keinen Nutzen, weil es da oft einen Überschuss an Wärme aus den immer laufenden Anlagen gibt.
Besonders unrealistisch ist die Durchschnittsbetrachtung bei der Ökobilanz von Strom. Hier zeigt sich noch ein weiterer Nachteil: Es ist nicht klar, welcher Durchschnitt zu nehmen ist. Sowohl der eines Bundeslandes als auch der eines Staates oder von ganz Europa kann plausibel erscheinen und wird in Ökobilanzen auch verwendet. Die Ergebnisse unterscheiden sich drastisch.
Vergleiche
Die Durchschnittsbetrachtung erscheint mir so absurd wie:
- jeden Wärmeverbrauch eines Einfamilienhauses mit dem Jahresdurchschnittswert bewerten, auch wenn die Wärme im Sommer vollständig von Sonnenkollektoren kommt
- Trinkgeld gedanklich einem Durchschnittssteuersatz unterwerfen, obwohl es tatsächlich steuerfrei ist – 1 € mehr Trinkgeld = 1 € mehr Einkommen, aber man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass Geld kein Mascherl hat und die verschiedenen Einkommensarten nicht unterschieden werden dürfen, da eine Zuordnung "hypothetisch" wäre.
- den durchschnittlichen Verlust pro Kunde ausrechnen und glauben: je weniger Kunden, desto weniger Verlust
Mein Fazit
Eine Ökobilanz nach der Durchschnittsbetrachtung ist eventuell sinnvoll, um einen groben Überblick zu bekommen, in welchen Sektoren die größten Umweltbelastungen auftreten. Wenn man versucht, einzelne Produkte damit zu bewerten und zu vergleichen, ergeben sich leicht falsche Schlussfolgerungen. Daher befürworte ich – im Gegensatz zu den meisten Ökobilanzierern – die Erstellung von Ökobilanzen nach der Zuwachsbetrachtung.
Weiter
Ökobilanz nach der Zuwachsbetrachtung – Hier wird nicht nur einfach ein Durchschnitt genommen, sondern genau untersucht, was wirklich passiert, wenn mehr oder weniger verbraucht wird. |
Quellen
[1] | Umweltbundesamt: Emissionen der Fernwärme Wien 2005. Ökobilanz der Treibhausgas- und Luftschadstoffemissionen aus dem Anlagenpark der Fernwärme Wien GmbH (PDF), S. 16 |