Preisbildung an Strombörsen
In der Theorie verlangen die Kraftwerks-
Wie ist dann zu erklären, dass der Großhandelspreis für eine Megawattstunde an der Börse in Extremfällen auf fast 300 € (entspricht fast 30 Cent/kWh) oder sogar darüber steigt? Es gibt kein Kraftwerk, das so hohe variable Kosten hat.
- Manche meinen, das sind hohe Summen, die Kraftwerksbesitzer verlangen, um geplante Stillstände, die für Wartungszwecke nötig sind, zu verschieben. Oder um alte Kraftwerke, die eigentlich stillgelegt sind, wieder zu reaktivieren. Aber ich glaube, die meisten Kraftwerke sind planmäßig am Netz und die anderen können nicht so große bzw. so häufige Preissprünge verursachen.
- Speicherkraftwerke könnten ein Preistreiber sein. Sie haben zwar nur geringe variable Kosten (das Wasser im Stausee ist gratis), aber begrenzte Erzeugungsmöglichkeiten (irgendwann ist der Stausee leer). Sie "versteigern" daher ihren Strom an den Meistbietenden und können spekulieren – wenn sie an einem Tag zu viel verlangt haben, können sie am nächsten Tag mehr verkaufen. Bei Kohlekraftwerken oder Atomkraftwerken hätte eine Verspekulierung hingegen drastischere Auswirkungen: eine vorübergehende Abschaltung geht auf Kosten der Lebensdauer des Kraftwerks und gleichzeitig entgehen Einnahmen aus dem Stromverkauf.
- Man kann es aber auch so machen: Wenig an der Börse anbieten, sodass der Preis steigt und dann mehr außerbörslich verkaufen. Das lohnt sich, weil der Börsenpreis als Richtwert auch für außerbörsliche Geschäfte verwendet wird. Derartige Börsenpreismanipulationen wurden und werden den großen Stromkonzernen in Deutschland vorgeworfen. Das wäre ein verbotener Missbrauch von Marktmacht. Belege dafür wurden jedoch nicht gefunden.
Einfluss von Windkraftwerken und Solarzellen
Bei viel Wind und wenig Stromnachfrage (z. B. Sonntag nachts) kann der Strompreis auf 0 fallen, denn die Windkraftwerke müssen ihren Strom auf jeden Fall loswerden. Sie verdrängen damit alle anderen Kraftwerke von der Börse.
Seit 1.9.2008 kann der Börsenpreis von Strom sogar negativ werden![1] Preise von −500,02 €/MWh sind meines Erachtens ein eindeutiger Beweis dafür, dass die Marktteilnehmer ihre Gebote nicht an ihren variablen Kosten orientieren, denn die "Vernichtung" von elektrischer Energie kann kaum so viel kosten. Z. B. kann ein Flusskraftwerk das Wasser über das Wehr laufen lassen und die Turbine abschalten. Das erscheint vielleicht nicht sinnvoll, aber es kostet fast nichts (allenfalls geringfügig stärkere Generatorabnutzung durch den Lastwechsel).
Ich glaube kaum, dass irgendein Kraftwerksbetreiber seinen Strom zu einem Preis unter −10 €/MWh verkaufen würde. Er würde stattdessen sein Kraftwerk vom Netz nehmen. Dampfkraftwerke können zwar nicht stundenweise abschalten, aber notfalls ihren Dampf direkt in den Kondensator (= Kühler) leiten. Nur bei Windkraftwerken und Solarzellen ist es anders: Ihr Strom wird (in Deutschland) auf jeden Fall an der Börse verkauft. Kann es vielleicht sein, dass manche Marktteilnehmer diesen Umstand zu ihrem Vorteil ausnutzen, indem sie Gebote zu Fantasiepreisen abgeben?
Meines Erachtens wurde die Glaubwürdigkeit der deutschen Strombörse durch die Einführung der negativen Preise beeinträchtigt. Inzwischen sind negative Preise freilich überall gang und gäbe.
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Weblinks
- Strombörse EPEX – Aktuelle Marktdaten
- Österreichische Strombörse EXAA – Historische Preise
- Möglichkeiten der Strompreisbeeinflussung im oligopolistischen Markt (PDF, 1 MB)
Quellen
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