Demokratisierung der Stromwirtschaft
Ein häufig gebrauchtes Schlagwort, das aber nie erklärt wird:
Energieautonomie und Energieautarkie werden eine Demokratisierung der Energieversorgung nach sich ziehen[1]
Wenn der Verbraucher die Möglichkeit hat, selbst Energie zu erzeugen, wird die Energieerzeugung demokratisch, im Gegensatz zum momentanen zentralistisch-
Energiewende.[2]
Solarzwerge stellen eine Wahlmöglichkeit, eine Alternative dar. Wer sie verbietet, verhindert oder verzögert, der bekämpft eine Demokratisierung des Energiesystems.
Unser bahnbrechender Tarif mit stündlicher Preisanpassung ... ist die Zurückeroberung des Strommarkts von den Energiekonzernen, das ist Demokratisierung pur.
Unser Ziel bleibt auch heute noch eine Demokratisierung des Strommarktes.
Ich verstehe nicht, was mit dieser "Demokratisierung" gemeint ist. Meines Erachtens ist der Strommarkt bereits demokratisch:
- Jeder kann seinen Stromanbieter frei wählen.
- Jeder kann Strom produzieren und importieren/exportieren/handeln/etc. (kein Monopol mehr).
- Die meisten Stromfirmen sind entweder
- von demokratisch gewählten Organen kontrolliert (weil sie überwiegend im öffentlichen Eigentum sind) oder
- Gesellschaften, in deren Gremien demokratisch abgestimmt wird (weil sie Aktiengesellschaften oder Genossenschaften sind).
Die für mich am ehesten nachvollziehbare Argumentation, warum es dennoch ein Demokratiedefizit geben soll, geht ungefähr so:
- Solarzellen sind die beliebteste Form der Stromerzeugung. 98% der Menschen wollen mehr Solarstrom.
- Die etablierte Stromwirtschaft setzt hingegen weiterhin hauptsächlich auf konventionelle Kraftwerke.
- Der Wunsch der absoluten Mehrheit wird also durch die kleine Minderheit, die am Strommarkt das Sagen hat, ignoriert.
Aber das stimmt so nicht:
- Nur wenige Prozent der Menschen kaufen bewusst teureren Ökostrom, geschweige denn reinen Solarstrom. Die meisten wollen günstigen Strom. Wenn man mehr zahlen muss, ist es mit der hohen Akzeptanz schnell aus.
- Es gibt auch technische Gründe, wieso der Anteil des Solarstroms nicht so einfach demokratisch festgesetzt werden kann. Z. B. müssen ausreichend Netz- und Speicherkapazitäten vorhanden sein.
Häufig wird mit "Demokratisierung der Stromwirtschaft" einfach die Entmachtung der etablierten Stromfirmen gemeint:
Wenn sich Entscheidungen aus Konzernzentralen in die Wohnzimmer und Gemeindesäle verlagern, ist das ein Stück gesellschaftlicher Partizipation. Jeder Bürger entscheidet heute durch seine Solaranlage, durch Bürgerwindprojekte oder durch genossenschaftliche Biokraftwerke mit über die Zukunft der Stromwirtschaft – das ist ein Akt der Demokratisierung.
Kritik dazu:
- Bürgergesellschaften sind meines Erachtens nicht "demokratischer" als Konzerne. In beiden Fällen stimmen (sinnvollerweise) die finanziell Beteiligten ab. Es hat nicht jeder Einwohner ein Mitbestimmungsrecht.
- Nur wenige Menschen sind tatsächlich an Bürgergesellschaften beteiligt. Z. B. halten in ganz Österreich nur 7000 Personen Anteile an Windkraftwerken. Das sind weniger als 0,1% der Bevölkerung. Wahrscheinlich sind mehr Leute an Stromkonzernen wie dem Verbund beteiligt.
- Die Gewinne der Bürgerkraftwerke werden über eine Zwangsabgabe (Ökostrom-
Förderung ) finanziert. Was ist daran demokratisch? Am "demokratischsten" ist meiner Meinung nach der freie Strommarkt (den ich mir aber nicht wünsche).
Mein Fazit
Wenn irgendwo von einer "Demokratisierung der Stromwirtschaft" (oder dgl.) gesprochen wird, ist das ein sicheres Zeichen für Energiepopulismus. In seriösen Energiestudien wird dieser Kampfbegriff nicht verwendet.
Wenn es mehr Teilnehmer am Strommarkt gibt und die Eigenversorgung leichter wird, ist das gut. Aber der Anbau eines Salats im Garten wird auch nicht als "Demokratisierung der Landwirtschaft" bezeichnet.
Weiter
Weblinks
Quellen
[1] | Niyazi Serdar Sariciftci: Solarenergie: Eine Demokratisierung der Energieversorgung? (PDF), S. 6 |
[2] | WEB Windenergie: Nachhaltigkeits- und Geschäftsbericht 2013 (PDF, 7 MB), S. 25 |