Donaukraftwerk Hainburg
1984 sollte mit dem Bau eines großen Wasserkraftwerks bei Hainburg an der Donau begonnen werden. Eine Besetzung der dortigen Au durch tausende Kraftwerksgegner verhinderte das. Letztlich wurde das Kraftwerk nie gebaut. Der Lebensraum vieler seltener Tier- und Pflanzenarten blieb erhalten. Dieser Erfolg gilt als ein Meilenstein der österreichischen Umweltbewegung.
Unrecht
- Der niederösterreichische Landesrat Ernest Brezovszky genehmigte – im Wissen, dass er die letzte Instanz ist – das Kraftwerk, obwohl das folgenden Rechtsgrundlagen widersprach:[1]
- niederösterreichisches Naturschutzgesetz (§ 6 Abs. 4)
- Verordnung vom 27.4.1979, in der Donau-, March- und Thaya-
Auen unter Landschaftsschutz gestellt wurden – Nicht einmal eine Fischerhütte durfte errichtet werden![2] - Ramsar-
Konvention, die seit 16.4.1983 in Kraft war
- Die Gendarmerie hielt Busse der Österreichischen Hochschülerschaft, die zwischen Wien und der Hainburger Au fuhren, auf und zwang sie zum Umkehren.
- Polizei und Post installierten einen mobilen Störsender, damit die Besetzer ihre eigene Funkanlage nicht mehr zur Verständigung untereinander verwenden konnten (die dann im Gegenzug die drahtlose Kommunikation in den Schleusen von flussaufwärts liegenden Donaukraftwerken blockierten, woraufhin Polizei und Post ihre Störaktion bald aufgaben).[3]
- Journalisten von ORF, ARD und anderen wurden von der Exekutive an ihrer Arbeit in der Au gehindert und tw. mit Gewalt vertrieben.[4] (Der ORF-
Generaldirektor beschwerte sich daraufhin beim Innenminister.[5])
Das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat sei erst wieder durch den Verwaltungsgerichtshof gestärkt worden, sagte Alois Mock von der ÖVP,[6] die damals in Opposition war. (Es regierte die SPÖ mit einer damals noch schwachen FPÖ.) Der Verwaltungsgerichtshof hatte nach einer Klage, die der WWF initiierte, am 2.1.1985 einen vorläufigen Baustopp verfügt und am 1.7.1986 den Wasserrechtsbescheid aufgehoben.
Gründe für den Erfolg der Umweltschützer
- Die Kronenzeitung machte eine beispiellose Kampagne gegen das Kraftwerk und solidarisierte sich mit den Besetzern (wie dann immer mehr Menschen aus allen Schichten). – Die oft kritisierte Medienmacht wurde hier also für die (aus Umweltsicht) gute Sache eingesetzt.
- Gewaltfreiheit – Wenn Steine geworfen worden wären, hätte das die Polizei zum harten Durchgreifen berechtigt.
- Die Kraftwerksbefürworter waren so überheblich und ungeschickt in ihren Äußerungen, dass die Zahl der Kraftwerksgegner allein dadurch immer größer wurde, analysiert Bernd Lötsch, der als einer der Initiatoren des Konrad-
Lorenz- zum Schutz der Au mit der Regierung verhandelte.Volksbegehrens - Die Besetzer schwenkten rot-
weiß- rote Fahnen und sangen die Bundeshymne. Das war eine gute Taktik, um nicht als Staatsfeinde zu gelten, glaubt Martin Balluch. - Nach dem großen Polizeieinsatz mit Schlagstöcken versammelten sich 14 000–
40 000 Demonstrierende vom Heldenplatz bis zur Staatsoper in Wien. Das zeigte der Regierung, dass es sich bei den Kraftwerksgegnern nicht um einige wenige Radikale handelte. Ein Weiterbau mit Gewalt schien den sozialen Frieden im Land zu gefährden.
Was ich sonst für bemerkenswert halte
- Die Mehrheit der Bevölkerung war für den Bau.[7]
- Anfangs waren auch Naturschützer nicht gegen den Bau.[8]
- Das Donaukraftwerk Wachau wurde verhindert, weil die Leute die dortige Kulturlandschaft schätzten. Die Aulandschaft bei Hainburg weckte hingegen kaum Gefühle und war bis zum Kraftwerksprojekt überhaupt nur wenigen bekannt.[9]
- Letztlich war es nicht Einsicht, die genügend Menschen zu Gegnern des Kraftwerks machte, sondern Mitleid mit den verletzten Aubesetzern und Protest gegen das „Drüberfahren“ durch „die da oben“.
- Dass die Hochschülerschaft so aktiv gegen das Hainburger Kraftwerk kämpfte, ging nicht von den Studierenden aus, sondern war ein (anfangs umstrittener) Beschluss der Zentrale. Allein für den Busverkehr zwischen Wien und Stopfenreuth soll die Studierendenvertretung 1 Million Schilling ausgegeben haben (was nach heutiger Kaufkraft rund 140 000 € entspräche).
- Die Gewerkschaften waren die massivsten Gegner der Umweltschützer. Sie drohten mit dem eigenen Einmarsch, wenn es die Polizei nicht schafft, die Baustelle zu räumen. Dadurch kam es zu dem massiven Polizeieinsatz.
- Die angedrohten Strafen für die Aubesetzer wurden meines Wissens nie verhängt.
Wie es weiterging
Ähnlich wie beim nie eingeschalteten Atomkraftwerk Zwentendorf hoffte die Regierung über viele Jahre, dass sich die Meinung der Bevölkerung ändert. Erst Mitte der 1990er Jahre wurde das Donaukraftwerk Hainburg endgültig aufgegeben, weil es im Zuge des EU-
Meine Erfahrung
Während der Aubesetzung war ich in der 4. Klasse Volksschule und habe von den ganzen Geschehnissen nichts mitbekommen. Bei meiner späteren Beschäftigung mit dem Umweltschutz habe ich immer wieder von dem „legendären Erfolg“ gehört, aber was genau passiert ist, habe ich mir erst im Zuge des 30-
Gelegentlich treffe ich Menschen, die glauben, dass wir heute froh wären, wenn wir das Donaukraftwerk Hainburg hätten. Das ist aber ein Irrtum, denn eine der letzten halbwegs intakten Aulandschaften ist viel mehr wert als 3% mehr „sauberer“ Strom in Österreich[10] (= das durchschnittliche Stromverbrauchswachstum von 3 Jahren).
Weiter
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Siehe auch
- Umweltwirkungen von Wasserkraftwerken – Das Aufstauen eines Flusses verändert das Biotop dauerhaft. Aus einem ursprünglichen Auwald wird etwas anderes, das nur bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck von unversehrter Natur erweckt.
Quellen
[1] | Peter Weish: Stellungnahme der Aktionsgemeinschaft gegen das Kraftwerk Hainburg (PDF), S. 2f. | ||||||||||
[2] | Roberto Epple: Widerstand am Strom (Film, 60 min), 1986, ab 15:20 | ||||||||||
[3] | Manfred Rosenberger: Chronologie der Aubesetzung (PDF), S. 2 (Eintrag vom 15.12.1984) | ||||||||||
[4] |
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[5] | Mittagsjournal, Ö1, 20.12.1984, ab 2:25 – „ORF-[6]
| Parlaments- | [7]
| APA: Die Besetzung der Auen bei Hainburg – „Laut einer gesamtösterreichischen Umfrage des Instituts IMAS sprachen sich allerdings 47 Prozent der Österreicher gegen und nur 29 Prozent für die Au- | [8]
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[9]
| Carl Manzano, Direktor des Nationalparks Donau- | [10]
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