Mario Sedlak
Umweltschutz
Themen
Fotos
Geld
Irrtümer
Freizeit
Mathematik und Physik
Humor
Glaube
Computer
Wirtschaft
Gesellschaft
Über meine Artikel
Neue und erweiterte Seiten

Dieses Interview wurde im SOL-Magazin, Frühling 2024, S. 24–26 veröffentlicht. Das SOL-Magazin ist eine Zeitschrift des „Nachhaltigkeitsvereins“ SOL.


Foto

Gerhard Zoubek vom Adamah Biohof

Foto
Foto

Wegen kleiner oder größerer Mängel unverkäufliche, aber großteils noch genießbare Kartoffeln

Wieso ist Bio-Gemüse so makellos?

Weil jede Ware, die nicht perfekt aussieht, aussortiert werden muss, bedauert Gerhard Zoubek vom Adamah Biohof im Interview.

Gerhard Zoubek hat 1997 den Adamah Biohof in Glinzendorf bei Wien mitgegründet, der heute 140 Hektar und über 100 Mitarbeitende hat. Bekannt ist Adamah für sein „Kistl“, das auf Wunsch wöchentlich mit Obst und/oder Gemüse oder anderen Bio-Produkten ins Haus kommt.

1) Was sind die Herausforderungen beim biologischen Anbau von Kartoffeln, Zwiebeln und Karotten?

Gerhard Zoubek: Ackerbau ist eine unheimlich herausfordernde Sache, gerade in Zeiten wie heute. Bei Kartoffeln, Karotten usw. kommt es auf das Mikroklima, den Boden und die verfügbaren Möglichkeiten an. Als Biobauer musst du viel mehr mit der Pflanze in Kontakt sein, viel schneller reagieren. Wenn es ein Problem gibt, können wir nicht bei der chemischen Industrie anrufen und fragen, was wir da drüberspritzen sollen.

Heute ist Standard, dass in Kartoffeln keine Bohrlöcher von Drahtwürmern drin sein dürfen, auch wenn sie noch so klein sind. Man sagt den Konsumenten, das sei ungenießbar – deswegen sollen wir Gift auf die Pflanzen draufspritzen. Dann wird aber auch der ganze Erdapfel giftig, denn das sind systemische Mittel, die in der ganzen Pflanze wirken. Auf den Packungen der „Pflanzenschutzmittel“ ist ein Totenkopf drauf, und es steht wörtlich: „Nicht mit der Haut in Berührung bringen!“ Und die Grenzwerte für die Rückstände der Pestizide wurden mehrmals erhöht. Die kleinen Löcher der Drahtwürmer könnte man rausschneiden.

2) Was machen Biobauern, wenn der Kartoffelkäfer kommt?

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass manche Kartoffelsorten vom Kartoffelkäfer abgeräumt werden und manche haben eine gewisse Widerstandsfähigkeit. Für Kartoffelkäfer gibt es Absauggeräte oder mechanische Abstreifgeräte. Besser ist es, bereits die Larven zu bekämpfen. Biobauern spritzen Mittel mit Wirkstoffen, die in der Natur vorkommen. Das ist z. B. Novodor – der darin enthaltene Bacillus thuringiensis wird aus Stiefmütterchen gewonnen. Jahrtausendelang hat es für jeden Schädling einen Nützling gegeben.

3) Auch gegen Fäule und Pilzerkrankungen?

Man forscht an Mitteln, die Kupfer und Schwefel ersetzen können, die biologische Weinbauern derzeit noch relativ oft spritzen müssen. Wir verwenden kein Kupfer, obwohl wir es für die Kartoffeln verwenden dürften, damit sie nicht faulen.

4) Was macht ihr stattdessen?

Wir sind Gottseidank im Marchfeld, wo viel Wind geht. Dadurch trocknen die Pflanzen tagsüber. Deshalb gießen wir auch nicht am Tag, sondern in der Nacht. So kann die Pflanze dann tagsüber trocknen und bekommt keine Fäulnis.

5) Und was passiert, wenn es 2 Wochen nur regnet?

Na, dann ist es schlecht. Dann kann es passieren, dass du auf Kupfer oder Schwefel ausweichen musst. Aber dass es 2 Wochen regnet, ist bei uns sehr, sehr selten.

Foto

Fraßspur einer Maus – Bei Karotten, Pastinaken (Foto), gelben Rüben und dgl. ist die Maus der größte Schädling. Rund 20–30% aller Karotten von einem Acker des Adamah Biohofs sind angebissen; im Extremfall 70%.

Foto

Adamah-Kistl

Foto

Ausschuss – kommt in eine Biogasanlage.

6) Ist es ein Problem, wenn es länger trocken ist?

Dann müssen wir bewässern. Den intensiven Gemüseanbau im Marchfeld können wir nur machen, weil wir Grundwasser haben, das wir aus 7–10 m Tiefe rauspumpen können.

7) Was macht ihr, wenn Mäuse eure Karotten am Feld fressen?

Verzweifelt sind wir! Die Mäuse beißen blöderweise viele Karotten ein bisschen an, statt eine ganz zu fressen. Das Problem ist, dass es kaum mehr Raubvögel oder andere natürliche Feinde der Mäuse gibt. Eine Lösung gibt es für Biobauern nicht. Fallen kann man auf hektargroßen Flächen nicht aufstellen. Personal ist so teuer. Die Konventionellen fahren vor der Karottenernte noch mit einem Gift drüber, damit alle Mäuse krepieren. Wir können nur hoffen, dass es im Winter 2–3 Wochen starke Minusgrade gibt.

Wenn der Konsument wissen würde, dass der optische Fehler nichts Giftiges ist, und er bereit wäre, das einfach auszuschneiden, dann könnten Bio-Karotten und anderes Bio-Wurzelgemüse günstiger sein. Aber die Qualitätsnormen, die uns die Manager der Supermärkte vorgeben, verlangen gerade, gleiche, hochglänzende Karotten.

8) Aber ihr habt ja auch den direkten Vertrieb.

Wir versuchen, den Kunden zu sagen, dass angebissene Karotten genauso gut schmecken, weil viele gar nicht wissen, in welchem Umfeld wir arbeiten. Aber wenn wir welche ins Kistl legen würden, hätten wir immer das Risiko, dass die Kunden die reklamieren. In der Anfangszeit haben sich die Leute noch über unförmige Karotten gefreut, aber heute verlangen auch Bio-Kunden perfekte Ware.

9) Was macht ihr dann mit den angebissenen Karotten?

Die kommen in eine Biogasanlage. Manchmal holt sie auch ein Safthersteller. Kompostieren dürfen wir leider nicht, da das Marchfeld ein Wasserschutzgebiet ist – außer wir errichten um 50.000 € eine Betonplatte als Unterlage, was wir aber nicht wollen.

Weiter

Lagerung (Seite 2 von 4)