Mario Sedlak
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Dieses Interview wurde im SOL-Magazin, Sommer 2023, S. 22–25 veröffentlicht. Das SOL-Magazin ist eine Zeitschrift des "Nachhaltigkeitsvereins" SOL.


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Biobauer Manfred Radl jun. mit seinen Erdbeeren

So entstehen ungespritzte Bio-Erdbeeren

Der Biohof Radl in Wien ist einer der größten Bio-Erdbeerproduzenten Österreichs und hat SOL einen Blick "hinter die Kulissen" gewährt.

1) Wie lange bauen Sie schon Erdbeeren an?

Manfred Radl jun.: Der Vater hat vor etwas mehr als 30 Jahren damit begonnen, seit 1996 arbeiten wir biologisch.

2) Und merken Sie einen Klimawandel?

Das Einzige, was anders ist: lange kein Regen und dann lange Regenperioden.

Herausforderungen beim Anbau

3) Was sind in den letzten 30 Jahren die größten Herausforderungen gewesen?

Bei den Erdbeeren passiert eigentlich immer irgendwas: entweder Frost oder Hagel. Die Hagelzeit ist blöderweise meist in der Hauptsaison. Alle 3 Jahre oder so hast sicher einen Hagelschaden. Darum haben wir immer mehrere Erdbeerfelder, die möglichst weit auseinander liegen.

Ein Jahr war's ganz blöd, da sind die Erdbeeren angefroren und innen kaputt geworden. Von außen haben die makellos ausgeschaut, aber innen waren sie faul. Das war die Katastrophe. Da hatten wir viele Reklamationen, berechtigterweise. Wir geben dann sofort einen Kilo gratis.

Insgesamt bewirtschaften wir 200 Hektar. Erdbeerkulturen sind 1–3 Jahre auf einem Fleck, und dann darf dort 10 Jahre keine Erdbeere mehr hin, weil es verschiedenste Krankheiten und Schädlinge gibt.

Blüten beginnen Mitte/Ende April. Dann wird's heikel. Wenn's dann Minusgrade gibt, sind die Blüten kaputt und dann hast keine Ernte.

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Erdbeerfelder werden abgedeckt, damit die Früchte 1–2 Wochen früher reif werden.

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Blühende Erdbeerpflanzen mit Vlies

4) Gibt's da irgendwelche Schutzvorrichtungen?

Vlies haben wir drübergelegt, aber nicht über alle, denn mit dem Vlies verfrühen wir's ein bisschen, sonst hast du die ganze Ernte auf einmal, und dann bringst du's nicht weg. Bei manchen ist auch vom Vorjahr noch Stroh am Boden oder es wird früher eingestreut, weil das verzögert es dann auch noch einmal.

5) Und wenn der Rüsselkäfer kommt? Was machen Sie dann?

Einmal haben wir den Rüsselkäfer auf Erdbeerpflanzen gehabt. Den haben wir händisch zusammengeklaubt. Viel mehr kann man nicht wirklich machen. Bei den Zuckerrüben haben wir den Rüsselkäfer "totgegossen". Das funktioniert, denn wenn es immer feucht ist, gefällt ihm das nicht. Aber dann hast halt wieder viel Unkraut.

Spritzmittel, auch biologische, setzen wir auf unserem Betrieb generell nicht ein. Wir machen Pflanzenschutz nur mittels Fruchtfolge, und wir düngen auch nur über Fruchtfolge. Wir lehnen das ganze Bio-Hilfsmittelzeug ab.

6) Das ist dann sogar "ein besseres Bio"?

Das ist das richtige Bio. Es gibt sehr viele, die umsteigen und wie konventionell weiterarbeiten, nur nehmen sie halt im Biolandbau erlaubte Mittel, die ja sicher auch biologisch sind – das will ich nicht hinterfragen –, aber es geht generell um die Ideologie, wie man das angeht. Entweder bau ich mir einen schönen Boden auf und geb ihm Zeit, schau, dass das alles natürlich funktioniert, so gut wie's geht, oder ich helf halt nach.

7) Sie schauen vor allem, dass der Boden gesund bleibt?

Richtig. In unserer Fruchtfolge – die ist meistens 7 Jahre – sind 2 Jahre Luzerne, dann irgendwelche Ackerfrüchte (Rüben, Sojabohnen, Mais, ...) und evtl. 1–2 Jahre Erdbeeren. In den 2 Jahren Luzerne düngt sich der Boden auf. Da wird alles wieder so repariert und wiederhergestellt, dass man dann 5 Jahre lang ernten kann.

Ich weiß nicht, wie gescheit das ist, dass wir irgendwo im Regenwald irgendwas abbauen oder irgendeinen Baum fällen, um daraus irgendein biologisches Spritzmittel zu gewinnen. Ich verstehe, dass die Mittel wichtig sind oder man düngen muss, wenn man eine kleine Gärtnerei ist oder die Hektar ganz einfach nicht hat, um diese Fruchtfolge einzuhalten. Dann muss man sich irgendwie helfen. Aber viele sind sich auch einfach zu gierig, obwohl's ja auch keinen Sinn macht, denn der Dünger ist nicht billig. Auch die Pestizide sind teuer. Es arbeiten sogar schon viele konventionelle Bauern mit Bio-Spritzmitteln, weil die genauso gut wirken, aber ein bisschen günstiger sind.

Die 2 Jahre Luzerne kosten natürlich auch was, weil man dort 2 Jahre keinen effektiven Ertrag hat; die Luzerne muss man ja abmähen und liegen lassen. Sie wird nicht als Viehfutter verwertet, weil dann würde man ja die "Energie" wieder wegnehmen. Die Luzerne holt Stickstoff in den Boden, aber auch Phosphor und Kali, denn sie wurzelt 6–7 m tief und holt eigentlich alles rauf.

8) Da unten ist die Reserve praktisch unerschöpflich?

Unerschöpflich wird's nicht sein, aber da kommt man schon relativ lang aus. Vor 3 Jahren haben wir wieder Bodenproben machen lassen, und da waren die Werte sehr gut. Wir sind eigentlich nirgends unterversorgt. Mit dem Schwefel haben wir ab und zu irgendwo ein bisschen Probleme. Den müsste man halt zuführen. Aber es geht sich bei uns eigentlich überall aus. Wir sind ja auch nicht die intensivsten. Es muss nicht überall ein Ertrag von 4000 kg Getreide oder 10–20 t Erdbeeren pro Hektar sein. Also man könnte sicher alles noch optimieren, aber das ginge halt zulasten von irgendwas anderem.

9) Manche konventionellen Bauern sagen, sie können nicht auf Bio umstellen, weil Bio nur Sinn mache, wenn man Tiermist hat.

Das ist nicht richtig. Sicher: Ein konventioneller Bauer, wenn er voll aufdüngt, und wenn er alles andere richtig macht, hat 6000 kg Weizen pro Hektar (ha) – und wenn der Bio-Bauer 4000 kg hat, ist er schon richtig gut.

Tiermist ist interessant, wenn ich weniger Fläche habe. Wenn ich nur 30–40 ha hab, was bei uns der durchschnittliche Betrieb ist, dann geht sich das mit 2 Jahre Luzerne nicht wirklich aus.

10) Könnte der Betrieb nicht dasselbe wie Sie auf kleineren Feldern machen?

Das könnte er, aber ob's dann wirtschaftlich noch machbar ist, ist eine andere Frage.

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Kosten und Ernte (Seite 2 von 3)