Mario Sedlak
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Windkraftwerke auf der Parndorfer Platte (Burgenland) – Errichtet von Oekostrom und Greenpeace Energy

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Windpark Breitenlee (Wien) – Erzeugte früher Strom für die Firma Oekostrom und musste dadurch auf einen geförderten Einspeisetarif verzichten.

Vergangenheit der Firma Oekostrom

Die Firma Oekostrom wurde 1999 von Personen aus dem Greenpeace-Umfeld gegründet,[1] allen voran Ulfert Höhne, der Kampagnenleiter bei Greenpeace war.

Aufbruchstimmung bis 2006

Beinahe-Pleite

In den Jahren 2006 und 2007 hat die Firma Oekostrom einen Verlust von über 5 Millionen € (= 2/3 des Grundkapitals) ausgewiesen.[4] Anfang 2007 wurde dem Alleinvorstand Ulfert Höhne ein 2. Vorstand (Michael Pierer) zur Seite gestellt, Anfang 2008 trennte man sich im Streit von Höhne. 2009 war die Krise am Höhepunkt. Um die Pleite abzuwenden, musste die Firma Oekostrom ihren Anteil an dem erst 2006 errichteten Kleinwasserkraftwerk Triebentalbach verkaufen. Ende 2009 herrschte eine "große Unsicherheit" über die Zukunft des Unternehmens.

Ursachen

Der Hauptgrund, wieso sich die Firma Oekostrom im Vergleich zu anderen Ökostromfirmen wie der WEB Windenergie so schlecht entwickelte, war der mangelnde Erfolg im ertragreichsten Geschäftsbereich: dem Bau von geförderten Ökostrom-Kraftwerken. Sie war zwar bei den ersten dabei, aber dann haperte es. Pierer verriet, wieso:

Wir mussten uns plötzlich mit Finanzinvestoren und Hedgefonds vom Schlage der Meinl European Power um die wenigen guten Kraftwerksprojekte raufen. Das konnten wir nicht finanzieren.

Das glaube ich auch:

Die Gründer der Gesellschaft hatten ... zu wenig auf die betriebswirtschaftlichen Grundlagen geachtet.

Pierer formulierte es so:

Die oekostrom AG wuchs Ende 2005, auch durch die Übernahme der oekoplan Energiedienstleistungen GmbH, auf eine organisatorische Größe, die für das damalige Management [unter Vorstand Ulfert Höhne] nicht mehr beherrschbar war.[5]

Der Grund, wieso der Ökostrom-Verkauf nicht aus den roten Zahlen rauskam, lag wohl am fehlenden Bilanzgruppenmanagement der Firma Oekostrom: Man hat die Erzeugungsschwankungen nicht selbst ausgeglichen, sondern einfach Ausgleichsenergie aus dem Netz bezogen, die aber immer teurer wurde.

Aber nicht alle Ursachen waren hausgemacht. 2009 war Wirtschaftskrise. Die führte zu einem Verfall der Strompreise und einem rückläufigen Interesse an teuren Premiumprodukten. Greenpeace Energy kaufte keinen Solarstrom mehr von der Firma Oekostrom, sodass diese im Gegenzug das beliebte 1:1-Einspeisemodell kündigen musste.

Interne Turbulenzen

2007, als der 2. Vorstand Pierer auf scharfe Kurskorrektur drängte, "kochte" es im Unternehmen. Berichte darüber sind auf verschiedenen Wegen sogar bis zu mir vorgedrungen. Die Belegschaft stand tw. aufseiten von Höhne und tw. aufseiten von Pierer. Ende 2007 sollen mehrere Mitarbeiter, die einen Betriebsrat gründen wollten, gekündigt worden sein. Jedenfalls gibt es seit Jänner 2008 einen Betriebsrat bei der Firma Oekostrom.[6]

Erholung ab 2010

Nach einem neuerlichen Wechsel im Vorstand ging es allmählich wieder aufwärts.

Unwirtschaftliche Geschäftsaktivitäten wurden eingestellt. Statt mit visionären Ideen zur ökologischen Stromzukunft beschäftigt man sich nun hauptsächlich mit dem Geldverdienen. Das Marketing wurde ausgebaut und nimmt nun mit einer Form von Energiepopulismus den Massenmarkt ins Visier, was gut für die Wirtschaftlichkeit, aber schlecht für die Glaubwürdigkeit ist und von mir kritisiert wird. Es ist das Gegenteil von Höhnes Kurs, der glaubwürdig, aber unwirtschaftlich war.

Mein Fazit

Die Firma Oekostrom ist ein Beispiel dafür, wie groß die Gefahr ist, beim Investment in eine Ökostromfirma an einen Visionär zu geraten, der Geld verbrennt, weil ihm Profit nicht so wichtig wie die Umsetzung seiner Ideen von einer besseren Welt ist. Ich bin froh, dass ich keine Aktien zum hohen Ausgabepreis gekauft habe. Der Kurswechsel 2008/2009 hätte viel früher stattfinden können und sollen.

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Frühere Kritik an der Firma Oekostrom

Weblinks

Eigendarstellung der Firma Oekostrom

Quellen

[1] Greenpeace-Broschüre: Atomstrom – nein, danke (PDF, 4 MB), 2000, S. 22
[2]
  • Knapp 10 000 Kunden (genauer: Zählpunkte) bis Ende 2007 laut Firma Oekostrom: Halbjahresbericht 2015 (PDF, 1 MB), S. 2
  • geteilt durch rund 3,5 Millionen Haushalte (2005) ergibt 0,29% (und das ist noch hochgegriffen, da in den knapp 10 000 Kunden auch Unternehmen enthalten sind)
[3] Vereinszeitschrift SOL, Beilage zur Ausgabe Herbst 2004 (PDF), S. A-5 (im PDF S. 3)
[4] Bilanzen in den Geschäftsberichten, z. B. im Nachhaltigkeits- und Geschäftsbericht 2008 (PDF), S. 31 (im PDF S. 17)
[5] Firma Oekostrom: Nachhaltigkeits- und Geschäftsbericht 2008 (PDF), S. 31 (im PDF S. 17)
[6] Firma Oekostrom: Nachhaltigkeits- und Geschäftsbericht 2008 (PDF), S. 9 (im PDF S. 6)

Seite erstellt am 7.2.2016 – letzte Änderung am 13.6.2018