Folgeeffekte in Ökobilanzen
Eine Ökobilanz gibt die Umweltwirkungen einer Sache "von der Wiege bis zur Bahre" wieder. Die Betrachtung des gesamten Lebenswegs liefert ein umfassenderes Bild als wenn man nur das, was man unmittelbar sieht, berücksichtigt. Doch auch damit ist es nicht getan: Ein Produkt kann nicht nur bei seiner Herstellung, Nutzung und Entsorgung die Umwelt belasten, sondern auf Umwegen auch an ganz anderer Stelle oder auf eine schwer fassbare, indirekte Art und Weise.
Beispiele
- Treibstoffe aus Biomasse setzen über ihren Lebensweg weniger Kohlendioxid als fossile Energie frei. Wenn aber Energiepflanzen angebaut werden, führt das zu einer Verknappung von landwirtschaftlicher Fläche, die für die Ernährung des Menschen und seiner Nutztiere gebraucht wird. Das bewirkt steigende Preise und in Folge Rodungen von Waldflächen, um neues Acker- und Weideland zu gewinnen ("indirekte Landnutzungsänderungen").
- Es hilft nichts, wenn wir nur solche Bio-
Treibstoffe verbrauchen, die – mit Zertifikaten belegt – nicht von abgeholzten Flächen stammen. Das führt lediglich dazu, dass der große nicht zertifizierte Rest von Ländern wie China aufgekauft wird. - Ähnlich ist es mit der Stromkennzeichnung: Der Kauf von reinem Ökostrom führt i. A. nicht dazu, dass es mehr Ökostrom gibt, sondern es kommt nur zu einer rechnerischen Umverteilung von Strom, d. h. der Ökostrom-
Kunde hätte eine bessere Ökobilanz (wenn man so rechnen dürfte) und alle anderen Kunden eine schlechtere, sodass sich in Summe keine Änderung ergibt. - Als Folgeeffekt von Elektroautos erwarte ich, dass öffentliche Verkehrsmittel weniger genutzt werden, weil Elektroautofahrer fälschlicherweise annehmen, sie seien ohnehin umweltneutral unterwegs. Dadurch kommt es zu höheren Belastungen der Umwelt als es Ökobilanzen, die die Folgeeffekte vernachlässigen, suggerieren.
- Dass erwartete Effizienzgewinne nicht eintreten ("Rebound-
Effekt "), ist eher der Normalfall als die Ausnahme. Siehe Energieverbrauchswachstum - Benzin und Diesel werden immer gemeinsam produziert. Die Bevorzugung eines der beiden bewirkt daher keinen Umweltvorteil, sondern nur dass der Preis des bevorzugten Treibstoffs steigt und der des anderen sinkt, bis jedes Produkt verkauft ist.
- Unter Berücksichtigung von Folgeeffekten haben wahrscheinlich alle Arten von handelbarer fossiler und erneuerbarer Energie (ohne Strom) annähernd die gleiche Ökobilanz, weil sie sich auf dem großen Energiemarkt gegenseitig ersetzen: Wenn einer mehr Holz braucht, steht dieses anderen nicht mehr zur Verfügung, und die brauchen dann mehr Kohle, Öl oder Gas.
- Offensichtlich führt es global auch zu keinen Einsparungen, wenn lokal weniger fossile Energie gebraucht wird, denn der Verbrauchsrückgang führt zu einem Rückgang der Preise, was den Verbrauch wieder anheizt ("grünes Paradoxon").
- Laut Verein für Konsumenteninformation bewirkt der Kauf von Waschnüssen aus Indien, dass in deren Ursprungsland die Bevölkerung vermehrt chemische Waschmittel verwendet, weil die Nüsse zu teuer geworden sind.
Probleme
Folgeeffekte sind schwierig zu belegen und zu messen. Ihre Berücksichtigung gehört daher zu den größten Problemen von Ökobilanzen. Meines Erachtens führt aber kein Weg daran vorbei, wenn man wissen will, was durch die Verwendung eines Produkts wirklich passiert.
Vergleich
Man kann auf Kommastellen genau ausrechnen, wie viel Energie dem Körper eines Menschen entzogen wird, wenn er ein Glas kaltes Wasser trinkt. Ohne Betrachtung von Folgeeffekten wäre alles Kalte ein Schlankmacher und alles Heiße ein Dickmacher. In der Praxis wird der Körper aber lediglich seine Wärmeabgabe an die Umgebung anpassen. Mit Folgeeffekten ist die Wirkung also gleich 0.