Mario Sedlak
Maßeinheiten
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Maßeinheiten für die Lästigkeit von Schall

Das Ausmaß der Lärmbelästigung hängt nicht nur von der Lautstärke ab, sondern auch von der Art des Schalls:

In der Fachliteratur werden hierfür folgende Maßeinheiten verwendet:

Größe Einheit Abk. Beschreibung Beispiele
Acum acum

Auf einer Skala von stumpf bis scharf bewerten Versuchspersonen hauptsächlich Geräusche, bei denen hohe Frequenzen dominieren, als scharf. Bei Erhöhung der Lautstärke werden scharfe Geräusche (geringfügig[1]) als noch schärfer empfunden.[2]

scharf = „aggressiv, schneidend und lästig

Schärfe = „Grad des Zischens“, aber auch „ganz wesentliche Komponente dessen, was wir Klangfarbe nennen“

Moderne Flugzeuge sind oft leiser als alte, aber die unangenehme Schärfe des Schalls hat zugenommen.[3]
Asper asper

Menschen bewerten Geräusche, bei denen eine dominierende Frequenz und/oder die Lautstärke ca. 15–300 Mal pro Sekunde schwanken, als rau. Am stärksten ist diese Empfindung bei 70 Schwankungen pro Sekunde.[4]

Raue Geräusche entstehen insbesondere durch Überlagerung zweier Frequenzen, die sich nur wenig unterscheiden und dadurch periodisch verstärken bzw. auslöschen. Erst wenn die Frequenzen so großen Abstand voneinander haben, dass sie vom Gehörsinn leicht getrennt werden können, wird der Klang als „glatt“ empfunden.[5]

Vacil vacil

Wie Rauigkeit, aber mit weniger als 15 Schwankungen pro Sekunde, sodass das Gehör den Schwankungen noch folgen kann

Wird am stärksten bei 4 Schwankungen pro Sekunde empfunden.[9]

Polizeisirene (in den USA)
  • Tonhaltigkeit (auch: Tonalität, Klanghaftigkeit, Ton-Rausch-Verhältnis oder Prominenz)
Tonality Unit tu

Gibt an, wie stark einzelne Frequenzen (Töne) aus dem Geräusch heraushörbar sind.

Keine genormte Maßeinheit;[10] deswegen wird u. U. das zugrundeliegende Modell dazugeschrieben, z. B. tuHMS = Tonality Unit nach Hörmodell von Sottek.[11]

Oder es wird gar keine eigene Maßzahl für die Tonhaltigkeit berechnet, sondern ein Geräusch einfach als „tonhaltig“ bezeichnet, wenn einzelne Frequenzen mehr als 6 dB (A) über dem Durchschnittspegel liegen.

Gebräuchliche Vorsätze

Wie für andere Schall-Maßeinheiten sind auch für die Einheiten in obiger Tabelle keine Vorsätze üblich.

Größenordnungen

Quelle: Fraunhofer-Institut für Bauphysik[13]

Lautstärke Lästigkeit
Schärfe Rauigkeit Schwankungs-
stärke
Tonalität
Autobahn 73 dB (A) 33 sone 2,48 acum 2,84 asper 0,01 vacil 0,04 tu
Baustelle 72 dB (A) 43 sone 2,40 acum 3,10 asper 0,13 vacil 0,09 tu
Busanfahrten 64 dB (A) 26 sone 2,12 acum 2,09 asper 0,01 vacil 0,06 tu
Fluglärm 72 dB (A) 43 sone 1,54 acum 2,21 asper 0,01 vacil 0,07 tu
Fußball 51 dB (A) 9 sone 1,34 acum 0,69 asper 0,03 vacil 0,05 tu
Kinder 73 dB (A) 37 sone 2,57 acum 3,98 asper 0,08 vacil 0,11 tu
Motorsense 70 dB (A) 35 sone 3,40 acum 2,06 asper 0,06 vacil 0,42 tu
Auto 68 dB (A) 33 sone 2,20 acum 2,29 asper 0,01 vacil 0,06 tu
Regionalbahn 66 dB (A) 31 sone 2,08 acum 2,00 asper 0,02 vacil 0,07 tu
U-Bahn 63 dB (A) 29 sone 2,11 acum 1,72 asper 0,02 vacil 0,09 tu

Andere Größen

Die Maßeinheiten für die Lästigkeit von Schall sind so definiert, dass größere Werte eine größere Belästigung bedeuten. Auch mit zunehmender Lautstärke wird ein Schall unangenehmer. Es gibt aber auch andere Eigenschaften von Schall, die nerven können. Für diese gibt es keine eigenen Maßeinheiten:

Als Maß für die Lästigkeit insgesamt wird verwendet: Prozentsatz der Menschen, die sich „stark“ belästigt fühlen (Percent Highly Annoyed, Abkürzung: %HA).[15] Kann durch Befragung ermittelt werden. Interessanter, aber schwieriger ist die Berechnung mittels Modellen – dann kann der Nutzen von Lärmminderungsmaßnahmen vorausgesagt werden.

Dann gibt es noch die (kaum mehr verwendete) D-Bewertung des Schallpegels in Dezibel. Bei dieser wurde versucht, nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Lästigkeit (insb. von Fluglärm) zu bewerten.[16] Die Frequenzen von 2–kHz werden hierfür um etwa 10 dB höher gewichtet als bei der sonst gängigen A-Bewertung.

Weiter

Maßeinheiten für Musik

Quellen

[1] Alois Sontacchi: Entwicklung eines Modulkonzeptes für die psychoakustische Geräuschanalyse unter MatLab (PDF), Diplomarbeit, S. 26 (im PDF S. 29)
[2] Fraunhofer-Institut für Bauphysik: Wirkungsbezogene Gesamtlärmsimulation und -bewertung (PDF, 3 MB), 2013, S. 22
[3] Messverfahren für Geräuschempfindungen (PDF), S. 9
[4] Fraunhofer-Institut für Bauphysik: Wirkungsbezogene Gesamtlärmsimulation und -bewertung (PDF, 3 MB), 2013, S. 22
[5] Alois Sontacchi: Entwicklung eines Modulkonzeptes für die psychoakustische Geräuschanalyse unter MatLab (PDF), Diplomarbeit, S. 4 (im PDF S. 7)
[6] Alois Sontacchi: Entwicklung eines Modulkonzeptes für die psychoakustische Geräuschanalyse unter MatLab (PDF), Diplomarbeit, S. 5 (im PDF S. 8)
[7] Messverfahren für Geräuschempfindungen (PDF), S. 9
[8] Messverfahren für Geräuschempfindungen (PDF), S. 9
[9] Fraunhofer-Institut für Bauphysik: Wirkungsbezogene Gesamtlärmsimulation und -bewertung (PDF, 3 MB), 2013, S. 22
[10] Fraunhofer-Institut für Bauphysik: Wirkungsbezogene Gesamtlärmsimulation und -bewertung (PDF, 3 MB), 2013, S. 22
[11] A New Psychoacoustic Method for Reliable Measurement of Tonalities According to Perception (PDF, 2 MB), S. 4
[12] Fraunhofer-Institut für Bauphysik: Wirkungsbezogene Gesamtlärmsimulation und -bewertung (PDF, 3 MB), 2013, S. 22
[13] Fraunhofer-Institut für Bauphysik: Wirkungsbezogene Gesamtlärmsimulation und -bewertung (PDF, 3 MB), 2013, S. 87
[14] Österreichischer Arbeitsring für Lärmbekämpfung: Schalltechnische Grundlagen für die Beurteilung von Lärm. Lärm am Arbeitsplatz (PDF), S. 12 – „In der Praxis hat sich gezeigt, dass bei Vorhandensein von Sprachlärm das Kriterium der Impulshaltigkeit in vielen Fällen erfüllt wird.“
[15] Fraunhofer-Institut für Bauphysik: Wirkungsbezogene Gesamtlärmsimulation und -bewertung (PDF, 3 MB), 2013, S. 23
[16] Mario Fresner: Untersuchung von Messmethoden zur Bestimmung eines einzelnen Lautheitswertes anhand realer Audiodaten (PDF, 5 MB), Diplomarbeit, S. 17 (im PDF S. 24)

Seite erstellt am 1.6.2020 – letzte Änderung am 2.6.2020