Mario Sedlak
Strommarkt
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Kritik an der Stromkennzeichnung

Fehlender Nachfragedruck

Die Stromkennzeichnung ist im Prinzip eine gute Idee, aber sie verfehlt meiner Meinung nach ihren Zweck. Der Grund ist, dass es viel zu wenig Stromkunden gibt, die sauberen Ökostrom nachfragen. Es gibt in Europa genug Ökostrom, um alle Haushalte damit zu beliefern,[1] in Österreich sogar mehr als genug. Also selbst wenn tatsächlich jeder private Stromverbraucher auf reinen Ökostrom umsteigt, würde sich an der Stromproduktion nicht unbedingt etwas in Richtung Energiewende ändern. Es würden lediglich die restlichen Kunden, denen die Herkunft ihres Stroms egal ist, dann den gesamten "schmutzigen" Strom allein verbrauchen. Das ist eine rein rechnerische Umschichtung und keinerlei Vorteil für die Umwelt.

Deswegen bin ich davon abgekommen, der Stromkennzeichnung eine große Hilfe bei der Entscheidung für einen Anbieter zuzumessen. Siehe stattdessen Kriterien für die Auswahl eines Ökostrom-Anbieters

Nur Durchschnittswerte

Aus der Stromkennzeichnung lässt sich nicht ablesen, welche Kraftwerke tatsächlich den Strom produziert haben, als ich ihn gebraucht habe. Es wird nur belegt, dass die von mir verbrauchten Kilowattstunden irgendwann während des Jahres irgendwo in Europa erzeugt wurden. Trotz "0% Atomstrom" kann also de facto zu gewissen Zeiten mein Strom aus einem Atomkraftwerk kommen. Das belegt meines Erachtens, wie nichtssagend die Stromkennzeichnung ist.

Vergleich

Ein Blumenhändler verspricht Bio-Schnittblumen, die wöchentlich frisch geliefert werden. Doch in Wirklichkeit sind nicht alle gelieferten Blumen "Bio". Zu Zeiten von Ernteüberschuss werden dafür Bio-Schnittblumen an andere Händler verkauft (ohne Erlaubnis, sie als Bio-Blumen weiterzuverkaufen). Das wäre dann dasselbe wie bei der Stromkennzeichnung.

Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Bio-Produkten und Ökostrom:

Tochtergesellschaften

Ein Stromanbieter darf unterschiedlichen Kundengruppen eine unterschiedliche Stromzusammensetzung verkaufen (Produktmix). Das wird oft als Beschönigung kritisiert, ist aber im Grunde das Gleiche, wie wenn zwei verschiedene Anbieter Strom unterschiedlicher Herkunft verkaufen. In der Tat gründen viele Anbieter eine 100%-Tochter, die dann reinen Ökostrom liefert. Überraschenderweise wird diese Umgehungskonstruktion sogar von der E-Control ausdrücklich empfohlen.[2] Aber was ist damit gewonnen?

Es würde auch nichts bringen, wie Horst Ebner von der Firma Oekostrom forderte, alle verbundenen Unternehmen bei der Stromkennzeichnung zusammenzurechnen. Er denkt, dass dann die Ökostrom-Töchter wieder einen Anteil Atomstrom ausweisen müssten, aber da unterschätzt er meiner Meinung nach die Kreativität der Juristen. Die 100%-Tochter wird dann offiziell einer Stiftung auf den Kaiman-Inseln gehören, die keine europäische Behörde kontrollieren kann ... Ich gebe zu bedenken, dass man nicht einmal Banken so regulieren konnte, dass sie keine unliebsamen Bilanzpositionen in geheimen Töchtern verstecken konnten.

Rechtliches

Weiter

Stromkennzeichnung nach dem Produktmix

Weblinks

Quellen

[1]
[2] E-Control: Stromkennzeichnungsbericht 2010 (PDF, 9 MB), S. 13

Seite erstellt am 20.10.2007 – letzte Änderung am 8.2.2016