Sievert
(Abkürzung: Sv)
Das Sievert ist eine Maßeinheit für die Wahrscheinlichkeit, dass energiereiche (ionisierende) Strahlung im Menschen tödlichen Krebs auslöst:
1 Sv = ca. 5% Wahrscheinlichkeit, durch diese Strahlung irgendwann Krebs zu bekommen und daran zu sterben
Dieser Wert ergibt sich als Durchschnitt aus zahlreichen Studien. Für einen bestimmten Menschen kann das Risiko auch deutlich höher oder niedriger sein, insbesondere wenn er jung bzw. alt ist.[1]
Der Zeitraum, in dem der Mensch die Strahlung abbekommen hat, ist für das Krebsrisiko unwichtig. Alle Strahlenbelastungen des gesamten Lebens sind zu addieren. Ob künstliche oder natürliche Strahlung, macht auch keinen Unterschied.
Berechnung
Die Strahlendosis in Sievert basiert auf der Energiedosis in Gray, welche einfach die absorbierte Energie pro Kilogramm bestrahlter Materie angibt. Für lebende Zellen sind vor allem Zerstörungen der Erbsubstanz im Zellkern gefährlich. Es macht einen Unterschied, ob eine Strahlung relativ gleichmäßig 0–
20 Sv/Gy | für Alphastrahlung und alle schwereren Atomkerne | ||
1 Sv/Gy | für Betastrahlung und Myonen | ||
1 Sv/Gy | für Röntgen- und Gammastrahlung | ||
2,5–für Neutronenstrahlung (je nach Energie)
| 2 Sv/Gy
| für Protonenstrahlung und geladene Pionen
| |
Diese Faktoren beruhen auf dem Stand der Wissenschaft und können sich daher ändern, wenn es neue Erkenntnisse gibt. Insbesondere bei der Neutronenstrahlung gibt es noch Unsicherheiten und Diskussionen. In natürlicher Strahlung kommt diese aber kaum vor.
Die Strahlendosis, die ein Mensch aufgenommen hat oder die er an einem verstrahlten Ort aufnehmen würde, lässt sich nicht direkt messen – weder in Gray noch in Sievert. Stattdessen verwendet man diverse Hilfsmaßeinheiten und Kennzahlen, die in Versuchen ermittelt wurden, um die messbaren Größen in Gray bzw. Sievert umzurechnen. (Diese Umrechnung kann bereits in einem Messgerät erfolgen, sodass Laien fälschlicherweise glauben, direkt Sievert zu messen, und gar nicht wissen, unter welchen Bedingungen die Anzeige stimmt.)
Verschiedene Größen
- Bei einer hohen Strahlendosis in kurzer Zeit werden so viele Zellkerne getroffen, dass die Art der Strahlung nicht mehr wichtig ist – die Verteilung der zahlreichen Schäden ist dann in jedem Fall relativ gleichmäßig. Deswegen ist für hohe Strahlendosen, die akute Symptome verursachen, Gray die richtige Maßeinheit. Sievert ist nur gedacht für langfristige Strahlenschäden, und zwar beim Menschen – nicht bei Dingen. Evtl. machen Sievert auch bei (höheren) Tieren Sinn, habe ich aber noch nicht gesehen.
- Die Energiedosis wird durch Multiplikation mit den obigen Gewichtungsfaktoren zur Äquivalentdosis in Sievert. Allerdings gilt die durchschnittliche Gefahr für tödlichen Krebs von 5%/Sv nur bei gleichmäßiger Ganzkörperbestrahlung.
- Wird nur ein Organ bestrahlt, ist die Äquivalentdosis noch mit einem weiteren Faktor (0,01–
0,12) zu multiplizieren, damit 1 Sv wieder ungefähr 5% Krebssterberisiko entspricht. Wenn mehrere Organe bestrahlt wurden, können/müssen die erhaltenen Werte addiert werden. 1 Sv bleibt dann 5% Krebssterberisiko. Das Ergebnis heißt effektive Dosis. (Bei gleichmäßiger Bestrahlung aller Organe ist die effektive Dosis gleich der Äquivalentdosis.) - Wenn radioaktives Material im Körper verbleibt (u. U. bis zum Lebensende), sagt die effektive Folgedosis, welche effektive Dosis der Mensch dadurch insgesamt erleidet und welche Krebssterbegefahr sich dadurch ergibt.
- Die Äquivalentdosis, die ein Mensch an einem Ort abbekommen würde, heißt Ortsdosisleistung. Weil es auf die Aufenthaltsdauer ankommt, wird diese in Sievert pro Stunde angegeben. Evtl. wird noch dazugesagt, welche Strahlungsarten (und ggf. in welchem Energiebereich) gemessen wurden. Normalerweise ist nur Gammastrahlung relevant, da Alphastrahlung nicht in den Körper eindringen kann und Betastrahlung nur eine begrenzte Reichweite hat. (Belastungen durch Einatmen oder Verschlucken radioaktiver Substanzen werden bei der Ortsdosisleistung i. A. nicht mitberücksichtigt.)
Verwendung
- Am häufigsten wird die effektive Dosis angegeben – wenn auch nicht immer exakt so genannt. Bei Aufnahme von Radioaktivität in den Körper macht eigentlich nur die effektive Folgedosis Sinn. Streiten kann man nur darüber, welchen Zeitraum man bei Stoffen, die bis zum Lebensende im Körper bleiben können, nimmt (50 Jahre sind üblich; für Kinder bis zu 70 Jahre). So weit ich sehe, wird meist nicht extra erwähnt, dass die gesamten Folgen der inneren Bestrahlung berücksichtigt wurden – vielleicht weil das selbstverständlich ist.
- Die unkorrigierte Organdosis ist irreführend:
- Sie kann nicht addiert werden (wenn alle Organe mit je 1 Sv bestrahlt wurden, hat der gesamte Körper ebenfalls 1 Sv abbekommen) und
- entspricht nicht einer Krebssterbegefahr von 5%/Sv (wenn nur ein Organ bestrahlt wurde, kann nur dieses Krebs bekommen)
Ich unterstütze daher den Vorschlag der International Commission on Radiological Protection, die Organdosis nicht mehr zu verwenden.[3]
Die Einheit Sievert sollte meines Erachtens nur benutzt werden, wenn sie auf ein Krebssterberisiko von 5%/Sv normiert wurde.
Nur dann ist die Einheit Sievert allein aussagekräftig; ansonsten müsste genau dazugeschrieben oder -gesagt werden, auf was genau (welche Größe, welche Umstände) sich die Sievert beziehen. Im Prinzip kann ja jede Energiedosis ganz leicht mittels obiger Tabelle in eine Äquivalentdosis umgerechnet werden, aber sinnvoll ist das nicht unbedingt.
- Für niedrige Strahlendosen, die Menschen abbekommen (können), ist grundsätzlich Sievert die richtige Maßeinheit. Wenn aber keine Umrechnung in die effektive Dosis möglich ist, halte ich es für besser, bei den Gray zu bleiben (mit entsprechend geringerem Aussagegehalt), anstatt Sievert anzugeben, die nicht 5% Krebssterberisiko entsprechen (was nur Verwirrung stiftet).
- Die Ortsdosisleistung ist viel aussagekräftiger als die Aktivität in Becquerel in der Nähe dieses Orts – aber nur für den Aufenthalt an diesem Ort. Werden radioaktive Stoffe eingeatmet, gegessen oder getrunken, ergibt sich die dadurch erlittene effektive Dosis aus den aufgenommenen Becquerel multipliziert mit stoffabhängigen Dosiskoeffizienten, die man in der Literatur findet.
Gebräuchliche Vorsätze
1 nSv | = 1 Nanosievert | = 1 Milliardstel Sievert | = 10−9 Sv |
1 µSv | = 1 Mikrosievert | = 1 Millionstel Sievert | = 10−6 Sv |
1 mSv | = 1 Millisievert | = 1 Tausendstel Sievert | = 10−3 Sv |
Größenordnungen
5 µSv | ein Kieferröntgen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
0,013 mSv/kBq | effektive Dosis durch Aufnahme von Jod-
|
| 20 µSv
| ein Lungenröntgen (frontal)
| 0,05 µSv/h
| =
| 0,4 mSv/Jahr
| natürliche Radioaktivität im menschlichen Körper (Kalium- | 0,03– | =
| 0,3– | kosmische Strahlung (auf 0– | 0,11 µSv/h
| =
| 1 mSv/Jahr
| natürlich vorkommendes Radon inkl. strahlende Zerfallsprodukte (in manchen schlecht belüfteten Häusern deutlich mehr)
| 0,1– | =
| 1– | gesamte natürliche Strahlenbelastung[4]
|
|
| 0,8– | eine Röntgenaufnahme der Lendenwirbelsäule[5]
|
|
| 1– | eine Schädel- | 0,23 µSv/h
| =
| 2 mSv/Jahr
| japanischer Grenzwert für Bewohnbarkeit (bezogen auf zusätzliche effektive Dosis durch Kontamination?)
| max. 0,3 µSv/h
|
| max. 1,8 mSv/Jahr
|
| natürliche Gammastrahlung (aus radioaktiven Zerfällen natürlicher Elemente und von kosmischer Strahlung) in Deutschland (Gamma- Die stündlichen Werte schwanken mit der Wetterlage.[6] Daher ist das Jahresmaximum geringer als das hochgerechnete Stundenmaximum.
|
| 2– | eine Röntgenaufnahme des Harntrakts[7]
| 5– |
|
| im Flugzeug auf Reiseflughöhe (10– |
|
| 9 mSv/Jahr
| Rauchen von 20 Zigaretten pro Tag[9] (weil sich an Tabakblättern radioaktive Zerfallsprodukte anlagern)
|
|
| 10– | eine Computertomographie des Bauchraumes
| 11– | =
| 100– | in Raumstation in 300 km Höhe bei ruhiger Sonne (aber die Sonne wird nicht ein ganzes Jahr ruhig bleiben ...)
| bis 100 µSv/h
| =
| bis 876 mSv/Jahr
| Felder beim explodierten Atomkraftwerk Fukushima
| |
Hilfsmaß
Personendosis ist die Äquivalentdosis für Weichteilgewebe, gemessen an einer für die Bestrahlung repräsentativen Stelle der Körperoberfläche. Sie benutzt man als Schätzwert für die (nicht direkt messbare) effektive Dosis, die ein Mensch oder eines seiner Organe durch rein äußerliche Bestrahlung abbekommen hat. Um anzugeben, was genau geschätzt wird, kann man noch präzisieren:[10]
- Personen-
Tiefendosis – Dem entspricht die Personendosis, wenn nichts weiter dazugesagt wird. Sie wird für 10 mm unter der Haut berechnet. - Personen-
Oberflächendosis – Zur Schätzung der Dosis 0,07 mm unter der Haut (früher "Hautdosis" genannt). - Personen-
Oberflächendosis für Extremitäten
Abgeleitete Einheiten
Größe | Einheit | Abk. | Anmerkung |
---|---|---|---|
| "Personen-
|
| = Summe der effektiven Dosis mehrerer Personen Beispiel: Ein Stoff im Wirtschaftskreislauf darf maximal 1 Personen- |
Weiter
Quellen
[1] | ICRP: Use of Effective Dose (PDF), 2015, S. 7f., 18f. | ||||||||||||||||
[2] | Vorlesungsskriptum (PDF), S. 1 – "Der Grund [warum Alpha-[3]
| ICRP: Use of Effective Dose (PDF), 2015, S. 10
| [4]
| Bayerisches Umweltministerium: Radioaktivität und Strahlungsmessung (PDF), S. 15 (im PDF S. 29)
| [5]
| Bayerisches Landesamt für Umwelt: Radioaktivität und Strahlung. Vorkommen und Überwachung (PDF), S. 5
| [6]
| Bayerisches Landesamt für Umwelt: Radioaktivität und Strahlung. Vorkommen und Überwachung (PDF), S. 6 – "Die Messwerte schwanken durch den Einfluss des Wetters (z. B. Temperatur, Niederschlag, Luftdruck) zwischen 0,03 und 0,3 µSv/h".
| [7]
| Bundesamt für Strahlenschutz: Röntgen: Nutzen und Risiko (PDF), S. 12
| [8]
| Bayerisches Umweltministerium: Radioaktivität und Strahlungsmessung (PDF), S. 234 (im PDF S. 248) – "In typischen Flughöhen von 33 000 ft (10 km) und 39 000 ft (11,7 km) beträgt die Äquivalentdosis 5 bzw. 8 µSv/h."
| [9]
| Bayerisches Landesamt für Umwelt: Radioaktivität und Strahlung. Vorkommen und Überwachung (PDF), S. 5
| [10]
| Bayerisches Umweltministerium: Radioaktivität und Strahlungsmessung (PDF), S. 198 (im PDF S. 212)
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