Mario Sedlak
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Durchheizen ist energiesparend?

Wien-Gas erklärt:

Drehen Sie Ihr zentrales Heizungssystem nie ganz ab! Das weit verbreitete Gerücht, damit Erdgas zu sparen, ist schlicht und einfach falsch. Denn es kostet wesentlich mehr Energie, kalte Räume komplett neu aufzuheizen, als gleichmäßig eine niedere Temperatur zu halten.[1]

Wien Energie rät:

Die Heizkörper nie ganz abdrehen. Das ist unwirtschaftlich, weil dann der Wärmeverlust aus den beheizten Räumen wächst und die Heizkörperleistung durch eine höhere Vorlauftemperatur ausgeglichen werden muss.[2]

Der Verbund gab bis 2010 "Energiespartipps" wie:

Die Fernwärme Wien (bzw. die von ihr beauftragte Ablesefirma Techem) gab auf der Rückseite des Ablesebelegs zumindest bis 2011 "Tipps, die Ihnen sparen helfen". Einer davon ist:

Lassen Sie auch bei längerer Abwesenheit die Räume nicht völlig auskühlen.

Den Bürgern von Wien wird mitgeteilt:

Kurzzeitiges Abschalten der Heizung ist nicht gut. Es ist teurer, ein ausgekühltes Zimmer aufzuheizen, als die Heizung auf niedriger Stufe laufen zu lassen.[3]
Kalte Räume für eine kurzfristige Nutzung aufzuheizen, kostet mehr Energie, als diese Räume konstant auf niedriger Temperatur zu halten.[4]
Drehen Sie die Heizung nie ganz ab. Das Wiederaufheizen verbraucht mehr Energie.[5]
Der Energieaufwand, um ausgekühlte Räume wieder aufzuheizen, ist größer, als wenn die Heizung um 3 Grad Celsius zurückgedreht wird.[6]

Wiener Wohnen warnt:

Wenn Sie für einige Zeit verreisen, sollten Sie die Heizung zwar absenken, die Heizung aber niemals komplett ausschalten. Es kostet nämlich mehr Energie, kalte und feuchte Räume komplett neu aufzuheizen, als sie auf einem niedrigen Temperaturlevel zu halten.[7]
Das Abschalten von Heizkörpern während des Tages bringt keine Heizkostenersparnis.[8]

Die Arbeiterkammer gibt die Tipps:

Sind Sie tagsüber nicht in der Wohnung, so drehen Sie die Heizung um 3 Grad zurück. Auf keinen Fall völlig abdrehen, denn jedes Wiederaufheizen kostet sehr viel Energie.
Bei längerer Abwesenheit, z. B. Urlaub, kann die Heizung in der gesamten Wohnung auf 15 bis 16°C abgesenkt werden.[9]
Ein gänzliches Abschalten ist nicht ratsam, denn ein Wiederaufheizen einer völlig ausgekühlten Wohnung kostet mehr Energie und Geld, als ein durchgängiges Heizen auf niedriger Stufe.[10]

Ähnlich die Energie Burgenland:

Sind Sie länger weg – z. B. im Urlaub – sollten Sie Ihre Heizung auf keinen Fall komplett abdrehen. Das Wiederaufheizen der Räume ist teurer als das Halten einer abgesenkten Durchschnittstemperatur.[11]

Die Mietervereinigung empfiehlt:

Wenn man tagsüber nicht in der Wohnung ist, die Heizung nie ganz ausschalten. Das Halten einer Temperatur verbraucht weniger Energie als das Abkühlen und Aufheizen.[12]

Ratschlag vom Umweltbundesamt Berlin:

An Frosttagen sollten Sie die Heizung, auch bei längerer Abwesenheit, nie ganz ausstellen. Erstens könnten ältere Heizungen sonst einfrieren, und zweitens ist der Energieverlust beim Aufheizen wegen der ausgekühlten Wände zu hoch.[13]

Das Kompetenzzentrum für Energieeffizienz der Linz AG behauptete noch 2019:

Es ist wichtig, auf gleichmäßiges Heizen zu achten. Denn das Aufheizen der Räume benötigt oft mehr Energie als eine konstante Raumtemperatur.[14]

Der Chef der deutschen Gewerkschaft "IG Metall" behauptete 2022:

das Abschalten und Wiederaufwärmen größerer Gebäude [verbrauche] mehr Energie als das Durchheizen.

Die Mythenaufklärer von Mimikama behaupten:

Zudem kühlen sich die Wände in der Wohnung beim Abschalten so weit ab, dass durch das Wiederaufheizen mehr Kosten entstehen. Es ist also besser und günstiger, die Räume gleichmäßig zu beheizen.

Irrtum!

Das Laufenlassen der Heizung ist nicht energiesparend. Je tiefer die Raumtemperatur abgesenkt wird, desto weniger Energie braucht man. Die ausgekühlten Wände sind egal, solange man nicht als Folge die Heizung auf eine höhere Raumtemperatur als sonst einstellt. Das Wiederaufheizen kostet weniger Energie, als die Heizung für das Halten einer bestimmten Temperatur gebraucht hätte. Die Öfen arbeiten unter Volllast auch nicht schlechter – im Gegenteil. In manchen Fällen mag es Gründe geben, wieso das Durchheizen dennoch ratsam ist, aber niemals zum Heizenergiesparen. Siehe Soll man durchheizen?

Falschinformation

Ich habe den Eindruck, dass die Energieversorger diesen Irrtum, durchheizen spare Energie, bewusst – und leider erfolgreich – in Umlauf halten. Schließlich verdienen sie daran, möglichst viel Energie zu verkaufen. Bei "Tipps" von Leuten, die mir was verkaufen wollen, bin ich immer skeptisch.

Seit Wien Energie selbst ein Produkt verkauft(e), mit dem man unter anderem die Heizung fernsteuern kann, ist das plötzlich eine gute Idee:

Was bringen programmierbare Raumthermostate und Steuergeräte?
Sehr viel! Zunächst können Sie die Zeit, in der die Wohnung beheizt werden soll, eingrenzen. Während Sie also in der Arbeit sind, bleibt es kühler – und kurz vor der Heimkehr fährt die Heizung auf Ihren Komfortwert hoch.[15]

Wenn alle Leute in der Früh die Heizung wieder voll anlaufen lassen, muss das Gas- oder Fernwärme-Netz für eine höhere Leistung ausgelegt werden, als wenn die Leute die Heizung relativ konstant lassen.[16] Deswegen haben die Betreiber dieser Netze wohl ein großes Interesse daran, den Mythos vom Durchheizen zu verbreiten. Wenn im Fernwärme-Netz ineffiziente Spitzen-Heizwerke zugeschaltet werden müssen, wird die Ökobilanz tatsächlich etwas schlechter – aber wohl kaum so viel, dass man tatsächlich durchheizen sollte, um Energie oder Emissionen zu sparen (nur Geld sparen könnte aus Sicht der Netzbetreiber stimmen).

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Lob für die Stromheizung

Quellen

[1] Wiener Bezirkszeitung, 6/2003, S. 29 ("gewidmet von Wien-Gas")
[2] Zeitschrift der Wiener Stadtwerke: 24 Stunden für Wien, 12.2010, S. 23
[3] Zeitung Wien.at, 11/2005, S. 20
[4] Zeitung Wien.at, 11/2010, S. 26
[5] Zeitung Wien.at, 9/2014, S. 27
[6] Wien Wissen. Das Wichtigste aus Wissenschaft, Forschung und Bildung, 4/2021, S. 28
[7] Wiener Wohnen aktuell. Die Zeitung für Wiener Gemeindemieterinnen und Gemeindemieter, Winter 2001, S. 3
[8]
  • Zuhause. Wohnen und Leben in Wiens Gemeindebauten, 5/2011, S. 22
  • Ähnlich in Wiener Wohnen: Gutes Wohnklima (PDF), S. 10
[9]
[10] Arbeiterkammer Niederösterreich: Richtig Heizen. Richtig Lüften. Energie sparen. Schimmel vermeiden (PDF), S. 10 (im PDF S. 7)
[11] Energie Burgenland: Energie TV, 1–2.2017, Heizen und Lüften im Winter (Video), ab 7:20
[12] Tageszeitung Österreich (Gratisausgabe), 22.10.2014, S. 29
[13] Peter Wagenknecht, Umweltbundesamt Berlin, laut Zeitschrift Eltern, 1.1997, S. 7
[14] Schuldnerhilfe Oberösterreich: Geizhalszeitung Österreich, 10.2019, S. 1
[15] 24 Stunden Energie. Das Energiemagazin der Wiener Stadtwerke, 6/2014, S. 17
[16] Intelligente Betriebsstrategien im Fernwärmenetz zur Reduktion von Spitzenlasten (PDF), S. 3 – "Bis zu 30% Energieeinsparungen durch Nachtabsenkung [Kosny, 2001] ABER: Erhebliche Spitzenlasten durch hohe Gleichzeitigkeiten der Verbraucher"

Seite erstellt am 11.5.2008 – letzte Änderung am 12.3.2023