Mario Sedlak
Umweltschutz
Geld
Irrtümer
Freizeit
Mathematik und Physik
Humor
Glaube
Computer
Wirtschaft
Gesellschaft
Über meine Artikel

Fehlender Mechanismus

Ein funktionierender Mechanismus, der es frei schwebenden Partikeln in der Erdatmosphäre ermöglichen würde, energiearme Photonen zu absorbieren und – zum Erhalt der Energie – energiereiche Photonen zu emittieren, wird in der Patentschrift von Chang & Shih nicht angegeben. Der Normalfall ist, dass Atome nach dem Absorbieren eines Photons einen angeregten Zustand erreichen. Das kann z. B. ein Elektron auf einem höheren Energieniveau oder (bei Molekülen und Festkörpern) ein Schwingungszustand sein. Dieser angeregte Zustand hat jedoch eine sehr kurze Lebensdauer von typischerweise 10−8 s.[1] Wenn das Atom zu seinem stabilen Grundzustand zurückkehrt, emittiert es i. A. entweder ein Photon mit (höchstens) derselben Energie wie das absorbierte (ein Teil kann in Wärme umgewandelt werden) oder mehrere Photonen, die in Summe dieselbe Energie abführen; jedes einzelne hat daher weniger Energie als das zuvor absorbierte Photon.

In phosphoreszierenden Materialien können angeregte Zustände eine Lebensdauer von Stunden haben. Daher können derartige Stoffe im Dunkeln einige Zeit nachleuchten (Phosphoreszenz). Im angeregten Zustand werden jedoch keine weiteren Photonen „aufgespart“. Daher ist die später abgegebene Strahlung i. A. nicht von kürzerer Wellenlänge als die vorher absorbierte. Die Phosphoreszenz basiert darauf, dass Atome, die durch Absorption eines Photons angeregt wurden, in seltenen Fällen in einen anderen Zustand wechseln (Intersystem crossing), von dem aus ihr Grundzustand wieder nur mit geringer Wahrscheinlichkeit erreichbar ist („Interkombinationsverbot“). Ein vereinfachtes Beispiel: Wenn ein Elektron aus einer abgeschlossenen Schale durch das absorbierte Photon auf ein höheres Energieniveau gehoben wird und dort den Spin ändert, kann es nicht mehr auf das ursprüngliche Energieniveau zurückkehren, weil sich dort bereits ein Elektron mit demselben Spin befindet (Pauli-Prinzip).

Das illustriert, wieso sich der Vorgang nicht wiederholt, wenn das auf hohem Energieniveau „gefangene“ Elektron erneut ein Photon absorbiert: Nach der Absorption eines weiteren Photons gibt es kein Hindernis, diese Energie gleich wieder abzustrahlen; ein „Ansammeln“ mehrerer Photonen ist mit diesem Mechanismus nicht möglich. Nur in seltenen Fällen wird das Elektron nach der Absorption des 2. Photons direkt in den Grundzustand zurückkehren, wodurch ein Photon, das energiereicher als jedes einzelne absorbierte ist, ausgestrahlt wird (Anti-Stokes-Verschiebung). Materialien mit Fehlstellen in der Kristallstruktur zeigen eine größere Ausbeute bei der Umwandlung in energiereichere Strahlung, jedoch wird dabei innere Energie verbraucht. Das taugt somit nicht als Mechanismus für Partikel, die bis zu 1 Jahr in der Erdatmosphäre bleiben sollen.

Es ist physikalisch nicht „verboten“, dass ein Atom zwei Photonen absorbiert und dann die Energie beider Photonen in einem Photon wieder abgibt. Das wäre ein Fall, wo aus einer langwelligen Strahlung eine kurzwellige wird (auch ohne zusätzliche Energiequelle). Aufgrund der i. A. sehr kurzen Lebensdauer von angeregten Zuständen ist hierfür jedoch eine extrem hohe Photonendichte erforderlich, wie sie in der Erdatmosphäre bei weitem nicht vorkommt.[2] Eine Möglichkeit, zwei Photonen niedriger in ein Photon höherer Energie umzuwandeln, wäre ein Laser (Stichwort: Frequenzverdopplung). Allerdings funktioniert das nur dann gut, wenn der Laser eine hohe Intensität hat. Es handelt sich um einen nichtlinearen Effekt: Bei geringerer Intensität werden überproportional weniger Photonen umgewandelt. Die Photonen der Wärmestrahlung der Erde ergeben nur eine vernachlässigbare Ausbeute.[3]

Ein Mechanismus, der eine geringfügige Frequenzerhöhung oder eine minimale Ausbeute einer größeren Frequenzerhöhung produziert, würde keinen nennenswerten Nettoeffekt ergeben, da immer auch der umgekehrte Fall (Frequenzverringerung) eintreten kann,[4] sodass sich das thermische Strahlungsgleichgewicht (bzw. das Plancksche Strahlungsspektrum) nicht ändert. Bei zu großer Ausbeute an kurzwelliger Strahlung ergäbe sich wiederum ein Widerspruch zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik, wie weiter oben erläutert.

Theoretisch denkbar wäre ein Mechanismus, der umgekehrt wie der im Text des Welsbach-Patents vorgeschlagene funktioniert: Die Wärmestrahlung der Erdoberfläche wird absorbiert und dafür eine Strahlung mit einer größeren Wellenlänge, wo die Erdatmosphäre durchlässiger ist, abgegeben. So verhalten sich Stoffe bei sehr tiefen Temperaturen. In der unteren Erdatmosphäre werden die tiefsten Temperaturen in der Tropopause mit −50 bis −80°C erreicht.[5] Bei dieser Temperatur ist die maximale Intensität der Wärmestrahlung (laut Wienschem Verschiebungsgesetz) allerdings immer noch genau in dem Bereich, wo CO2 stark absorbiert (~13–17 µm). Es wäre also nichts gewonnen. Außerdem wäre dieser Mechanismus, selbst wenn er funktionierte, in der Tropopause nicht sehr effektiv, weil sich der Treibhauseffekt hauptsächlich in den Schichten unter der Tropopause (= in der Troposphäre) abspielt, denn dort sind 70–90% der Luftmasse enthalten.[6] In der Troposphäre ist jedoch die Atmosphäre wegen des Wasserdampfs auch für längerwellige Infrarotstrahlung dicht (Stichwort: atmosphärisches Fenster), sodass der Mechanismus dort erst recht nicht funktioniert, selbst wenn man irgendwie die extrem tiefen Temperaturen herstellen könnte.

Diese Ausführungen beweisen nicht, dass es undenkbar ist, die von Chang & Shih patentierte Idee geeignet abzuändern, um daraus eine funktionierende Geoengineering-Maßnahme zu machen. Es wurde jedoch gezeigt, dass die Lücke in den Erläuterungen im Patenttext groß ist und es nicht auf der Hand liegt, wie diese geschlossen werden könnte, wenn dies überhaupt möglich sein sollte.

Kurze Schlussfolgerungen

Eine Umsetzbarkeit des von Chang & Shih 1991 patentierten Wirkprinzips zur Milderung des anthropogenen Treibhauseffekts ist nicht gegeben. Der Patenttext muss in der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Geoengineering nicht weiter beachtet werden.

Quellen

[1] Hermann Haken, Hans Christoph Wolf: Atom- und Quantenphysik. Einführung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen. Berlin: Springer, 8. Aufl. 2004, S. 122
[2] Johannes Rybach: Physik für Bachelors. München: Carl Hanser, 2. Aufl. 2010, S. 223 – „bei der Bestrahlung mit extrem lichtstarken Lasern wird die Photonendichte so groß, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mehrere Quanten gleichzeitig auf dasselbe Elektron treffen.“
[3] Dieter Meschede, Christian Gerthsen: Gerthsen Physik. Berlin: Springer, 23. Aufl. 2006, S. 577 – „Erzwungene oder stimulierte Emission ... spielt bei tieferen Temperaturen im Strahlungsgleichgewicht keine Rolle“
[4] Dieter Meschede, Christian Gerthsen: Gerthsen Physik. Berlin: Springer, 23. Aufl. 2006, S. 624 – „Wenn ein bestimmter Prozess [zwischen Atomen, Photonen und Elektronen] möglich ist, so ist auch seine Umkehrung möglich“.
[5] Brigitte Klose: Meteorologie. Eine interdisziplinäre Einführung in die Physik der Atmosphäre. Berlin: Springer, 2008, S. 40
[6] Brigitte Klose: Meteorologie. Eine interdisziplinäre Einführung in die Physik der Atmosphäre. Berlin: Springer, 2008, S. 40