Irrtümer über die Physik von Flugzeugflügeln
Es gibt nur wenige physikalische Phänomene, die trotz breiter Untersuchung so häufig missverstanden werden wie die Physik eines Flugzeugflügels.[1] Selbst angesehene Experten können voll danebenliegen.

Quelle: NASA-

Quelle: NASA-
Eine flache Platte (unten) erzeugt fast so viel Auftrieb wie ein typischer Flugzeugflügel (oben).
Behauptung | Gegenargument | ||||||
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| Die Oberseite eines Flügels erzeugt mehr Auftrieb als die Unterseite. Würde nur die Unterseite Auftrieb erzeugen, wäre egal, wie der Flügel oben aussieht. | ||||||
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Im Windkanal sieht man, dass die Luft über dem Flügel früher als die Luft unter dem Flügel am Ende ankommt.[4] Der Weg oben ist bei typischen Flugzeugflügeln nur ca. 2% länger als unten. Wenn die Geschwindigkeit auch nur 2% höher wäre, dann wäre der Auftrieb viel zu gering. Dass die Luftteilchen oben und unten gleich lange brauchen, ist ausnahmsweise dann wahr, wenn der Flügel in so einen Winkel gestellt ist, dass er gar keinen Auftrieb produziert.[5] | ||||||
| Der Weg am Flügel ist nicht so relevant, sondern nur die Richtung (und Geschwindigkeit), mit der die Luft den Flügel verlässt. Extra-
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Flugzeugflügel müssen nicht gekrümmt sein (und wenn sie gekrümmt sind, funktionieren sie auch verkehrt herum, d. h. wenn das Flugzeug mit dem Bauch nach oben fliegt). Auch bei völlig flachen Flügeln ist die Geschwindigkeit der Luft auf der Oberseite größer (siehe Bild rechts) und folglich produziert die Oberseite mehr Auftrieb als die Unterseite. (Natürlich müssen flache Flügeln schräg stehen, damit Auftrieb entsteht.)
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| Ein Halbkreis produziert sehr wohl Auftrieb, da die Luft zumindest ein bisschen seiner sich wegkrümmenden Oberfläche folgt. Da die Luft somit nach unten abgelenkt wird, wirkt auf den Flügel eine gleich große Kraft nach oben. Ein Flügel mit einem ganzen Kreis als Querschnitt (oben und unten gleich) kann aus Symmetriegründen tatsächlich keinen Auftrieb produzieren (außer wenn er sich dreht, denn dann reißt er die Luft zumindest ein Stück weit in Drehrichtung mit – Magnus-
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Ein Flugzeugflügel muss einen Luftstrom nach unten erzeugen, um Auftrieb zu generieren. An der Grenze zwischen diesem Abwind und der ruhenden Luft kommt es zwangsläufig zu einem Wirbel, denn irgendwo muss die Luft ja wieder nach oben zurückkehren. Das sind die Wirbelschleppen. Sie sind in der einen oder anderen Form immer da, wenn die Tragfläche arbeitet, egal wie sie designt ist.
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So weit die heute unstrittigen Sachen. Die folgenden Punkte werden von Experten immer noch kontrovers diskutiert. Meine Meinung ist grün.

Wasser folgt einer gekrümmten Oberfläche. Ähnlich, aber aus anderen Gründen, folgt Luft einem Flugzeugflügel.
Behauptung | Gegenargument |
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Der Coanda- Der Coanda- |
| Oft werden Berechnungen des Auftriebs mit dem Grenzwert von Null Viskosität durchgeführt. Deswegen wird vielfach behauptet, dass Flugzeugflügel keine Viskosität brauchen. Aber bei den Berechnungen wird Viskosität implizit wieder eingeführt mit der Kutta- |
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Dass die zwei Fälle gleichwertig sind, ist nicht so ohne Weiteres klar und unter manchen (praxisfernen) Umständen wohl falsch:
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Die Zirkulation um den Flügel herum ist nicht wirklich vorhanden, sondern ein Modell, um die Strömung und die wirkenden Kräfte zu berechnen.[18] Dafür hat sich die Theorie bewährt, aber sie ist keine wirkliche Erklärung.[19] Ein hypothetischer Wirbel kann nicht die Ursache einer realen Geschwindigkeitsverteilung sein.[20] Die mathematisch vorhandene Zirkulation ist gleichbedeutend damit, dass der Flügel Luft nach unten ablenkt.[21] Man kann nicht sagen: Eine Zirkulation um den Flügel erzeugt Auftrieb, daher muss der Auftrieb von einer Zirkulationsströmung stammen. Nachteile der Zirkulationstheorie:
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Falsche Stromlinienbilder
Im Internet findet man sehr viele Zeichnungen, wo die Strömung um einen Flugzeugflügel nicht der Realität entspricht. Ein häufiger Fehler ist, dass die Strömung nach Passieren des Flügels wieder genau waagrecht ist. In dem Fall würde der Flügel keinen Auftrieb erzeugen.
Weiter
Weblinks
- John S. Denker: Critique of „How Airplanes Fly“ – Illustriert schön, wie sich Experten streiten.
Quellen
[1] | David F. Anderson, Scott Eberhardt: The Newtonian Description of Lift of a Wing (PDF), S. 1 – „There are few physical phenomena, so generally studied, which are as misunderstood as the phenomenon of flight.“ | ||||||||||||||||||||||||
[2] | David F. Anderson, Scott Eberhardt: The Newtonian Description of Lift of a Wing (PDF), S. 3 | ||||||||||||||||||||||||
[3] | Peter Eastwell: Bernoulli? Perhaps, but What About Viscosity? (PDF), S. 9 | ||||||||||||||||||||||||
[4] | Klaus Weltner: Physics of Flight – reviewed (PDF), S. 2 | ||||||||||||||||||||||||
[5] | David F. Anderson, Scott Eberhardt: The Newtonian Description of Lift of a Wing (PDF), S. 3 | ||||||||||||||||||||||||
[6] | Jörn Loviscach: Auftrieb; warum ein Flugzeug fliegt (Video), ab 5:47 und ab 8:00 | ||||||||||||||||||||||||
[7] | Terry Day: The Coanda Effect And Lift (PDF), S. 1 – „Coanda Effect do[es] not naturally occur on aircraft wings. They play no part in generating conventional lift.“ | ||||||||||||||||||||||||
[8] | Terry Colon: How Planes Do NOT Fly – „there is practically no Coandă lift on an airfoil.“ | ||||||||||||||||||||||||
[9] | Krzysztof Fidkowski: How Planes Fly (Video), ab 18:33 – „Here is another non-[10]
| David F. Anderson, Scott Eberhardt: The Newtonian Description of Lift of a Wing (PDF), S. 4
| [11]
| David F. Anderson, Scott Eberhardt: A Physical Description of Flight (PDF), S. 1 – „This description of lift is based primarily on Newton’s three laws and a phenomenon called the Coanda effect.“
| [12]
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[13]
| Doug McLean: Common Misconceptions in Aerodynamics (Video), ab 21:10 – „Viscosity or Coanda effect not needed“
| [14]
| Josef Schreiner: Angewandte Physik, Teil 1: Mechanik, Thermodynamik, Optik, Wien: ÖBV & HPT, 1. Auflage 2001 (ISBN 3-209- | [15]
| Peter Eastwell: Bernoulli? Perhaps, but What About Viscosity? (PDF), S. 9 – „while friction forces are negligible ..., without them the air moving over the top of the aerofoil would not be deflected downwards and hence not contribute to lift.“
| [16]
| Rita Wodzinski: Wie erklärt man das Fliegen in der Schule? Versuch einer Analyse verschiedener Erklärungsmuster (PDF), Plus Lucis, 2/1999, S. 20 (im PDF S. 3) – „Eine gute Begründung, warum sich an der Tragflächenoberseite ein Unterdruck und an der Unterseite ein Überdruck einstellt, gibt es außer über die Zirkulation nicht.“
| [17]
| Rita Wodzinski: Wie erklärt man das Fliegen in der Schule? Versuch einer Analyse verschiedener Erklärungsmuster (PDF), Plus Lucis, 2/1999, S. 20 (im PDF S. 3)
| [18]
| David F. Anderson, Scott Eberhardt: The Newtonian Description of Lift of a Wing (PDF), S. 4 – „Circulation theory is a mathematical abstraction useful and accurate for aerodynamic calculations.“
| [19]
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[20]
| Klaus Weltner: Physics of Flight – reviewed (PDF), S. 3 – „The concept of circulation is a sophisticated mathematical discription of the velocity distribution but not the cause of the latter.“
| [21]
| David F. Anderson, Scott Eberhardt: The Newtonian Description of Lift of a Wing (PDF), S. 4 – „Mathematically, circulation is a non- | |