Wahrheit
Wir können niemals sicher sein, dass unsere Sinnesorgane die Welt so zeigen, wie sie "wirklich" ist:
- Alles, was wir von der Welt sehen, könnte eine Täuschung sein. Du könntest z. B. letzte Nacht von Außerirdischen entführt worden sein, welche dir dein Gehirn herausoperiert und mit einem Supercomputer verbunden haben, der alle deine Sinneseindrücke simuliert. – Klingt absurd, aber du kannst es nicht ausschließen! Und wenn du nicht einmal wissen kannst, ob du ein Gehirn im Reagenzglas bist, wie willst du dann überhaupt irgendetwas von der Welt wissen?
- Vielleicht träumst du gerade? Du bist dir wahrscheinlich sehr sicher, gerade wach zu sein, aber hast du das nicht auch in einem Traum schon mal geglaubt?
Auch von der Vergangenheit und Zukunft können wir nichts mit absoluter Sicherheit wissen:
- Alle Erinnerungen können falsch sein. Gott könnte die ganze Welt und dich mit allen deinen Erinnerungen vor 1 Sekunde erschaffen haben.
- Es gibt keinen logisch zwingenden Grund, warum ein Naturgesetz, das bisher immer gegolten hat, auch morgen noch gelten muss.
Die genannten Täuschungsmöglichkeiten mögen dir an den Haaren herbeigezogen erscheinen. Es geht auch gar nicht darum, ob wirklich alles nur eine Täuschung ist. Niemand glaubt, dass alles eine Täuschung ist! Die Beispiele sollen nur zeigen, dass alles eine Täuschung sein könnte.
Folgerung
- Jede Erkenntnis, die etwas über die Welt aussagt, ist auf die eine oder andere Art nur eine Näherung, nur eine Modellvorstellung.
- Alles könnte nur so aussehen, als ob es so wäre.
- In der Wissenschaft gibt es nie endgültige Wahrheiten. Diese gibt es nur im Glauben, aber es sind "Wahrheiten" von anderer Art (Glaubenswahrheiten).
- Alles ist möglich (wenn man das Wort "möglich" im weitesten Sinne definiert).
Wenn im Prinzip alles möglich ist, heißt das aber nicht, dass man alles glauben darf und jede Aussage gleich wahrscheinlich ist. Wenn du z. B. zum Bahnhof musst, wäre es sicher nicht hilfreich, anzunehmen, dass jeder Weg dorthin führen kann.
Lösung
Wenn wir annehmen, dass wir aus Erfahrung lernen können, dann können wir zwischen verschiedenen möglichen Aussagen einen Unterschied machen: Welche von ihnen hat sich – rückblickend betrachtet – am besten bewährt? Das ist das Grundprinzip der wissenschaftlichen Methode zur Erkenntnisgewinnung.
Alternativen
- Nur das für wahr zu halten, was sich "logisch zwingend beweisen lässt", funktioniert nicht – obwohl man bis zum 19. Jahrhundert noch so dachte.[1] Einen logisch zwingenden Beweis gibt es nur in der reinen Logik und Mathematik.
- Die Frage, ob eine Theorie wahr ist, sollte man auch nicht damit vermischen, ob die Theorie schön oder nützlich ist. Auch wenn wir alle übereinkommen, dass Atombomben schädlich sind und es sie besser nicht gibt, ändert dies gar nichts an der Tatsache, dass sie sehr wohl funktionieren und vorhanden sind.
- Falls es außer der wissenschaftlichen noch andere Methoden zur Erkenntnisgewinnung gäbe, wie sollten wir dann herausfinden, ob sie etwas taugen, wenn nicht über Erfahrung? Was der Erfahrung zugänglich ist, ist aber auch der Wissenschaft zugänglich.
Mein Fazit
- Weder haben die Recht, die behaupten: "Es gibt keine Wahrheit!"
- noch die, die behaupten, sie hätten die endgültige Wahrheit gefunden.
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Quellen
[1] | Imre Lakatos: Falsification and the Methodology of Scientific Research Programs (PDF), S. 1 – "For centuries knowledge meant proven knowledge- |