Mehrstöckiges Treibhaus
Ein Treibhaus, wie man es heute kennt, besitzt nur eine Ebene, auf der Pflanzen wachsen. Visionäre schwärmen von ganzen Hochhäusern, wo in vielen Stockwerken übereinander Salat und Co. gezogen werden.
Behauptete Vorteile
- weniger Flächenverbrauch – Aufgrund des Bevölkerungswachstums sei der Gang in die Senkrechte alternativlos.
- eingesparte Transporte, da näher beim Verbraucher produziert werden kann
Begeisterer nennen zahlreiche weitere Vorteile (z. B. weniger Wasserverbrauch), die jedoch in Wirklichkeit Vorteile von Treibhäusern gegenüber Anbau im Freien sind. Die sind für die Frage, ob man Treibhäuser übereinander stapeln soll, nicht relevant!
Sinnvolle Möglichkeit
Manche Pflanzen brauchen kein pralles Sonnenlicht, sondern wachsen auch bei bedecktem Himmel (= ca. 1/10 der Lichtstärke) gut[1] oder sogar besser, weil sie dann nicht überhitzen. An Orten, wo meist die Sonne scheint, kann daher der vertikale Anbau von solch genügsamen Pflanzen lohnend sein. Wenn die Pflanzen so bewegt werden, dass jede die gleiche Zeit in der Sonne ist, kann der Ertrag pro Quadratmeter ohne großen zusätzlichen Energieaufwand bis auf ca. das Zehnfache gesteigert werden.
Grenzen
Das Hauptproblem von mehrstöckigen Treibhäusern ist zu wenig Licht im Inneren, und dafür gibt es keine Lösung:
- Eine künstliche Beleuchtung würde sehr viel Energie kosten und lohnt sich schon in ebenerdigen Treibhäusern, die auch im Winter noch vergleichsweise viel natürliches Licht bekommen, nur in Ausnahmefällen.
- Eine Zuleitung von Licht mittels Spiegeln/etc. würde erst wieder die große Fläche beanspruchen, die man einsparen wollte, und der hohe technische Aufwand würde die Kosten ins Unermessliche steigen lassen. Bei Bürohochhäusern ist sowas eher machbar, aber nicht vergleichbar, da Büroarbeiter nur 1/100 so viel Licht wie Pflanzen brauchen.
- Als dünner Turm oder Fassadenverkleidung könnte ein mehrstöckiges Treibhaus noch Sinn machen, aber nicht als massives Hochhaus, weil für die Pflanzen im Inneren nicht genug Sonnenlicht übrig bleibt. Ansonsten könnte ich die Pflanzen ja gleich bei mir in der Wohnung anbauen, wenn sie nicht alle einen Fensterplatz brauchen.
Aufgrund des hohen Lichtbedarfs ist vertikaler Anbau für Getreide, Reis, Mais und Tomaten nicht sinnvoll. Das geben (manche) Anhänger von Gewächshochhäusern selbst zu. Damit ist die theoretisch mögliche Flächenreduktion in der Landwirtschaft minimal. – Die meisten Felder können nicht durch mehrstöckige Treibhäuser ersetzt werden.
Kosten
Der höhere bauliche Aufwand kann i. A. nicht durch geringere Grundstückspreise oder Transportkosten kompensiert werden. Der reine Transport macht generell recht wenig aus. Ansonsten wären Produkte direkt beim Bauern in Niederösterreich deutlich günstiger als beim Supermarkt in Wien. Nach meiner Beobachtung ist das nicht der Fall. Für einen Gemüsebetrieb in Wien-
Ökobilanz
Für die Umwelt ist eine regionale Produktion keineswegs so wichtig, wie immer wieder behauptet wird. Für frisches Gemüse wie z. B. Brokkoli verursacht der Transport nur 1/4 des gesamten Treibhausgas-
Hype
Im Internet und diversen Medien wird seit Jahren über mehrstöckige Treibhäuser als aussichtsreiche Zukunftstechnologie berichtet. In kaum einem Bericht werden kritische Fragen gestellt oder gar eigene Abschätzungen gemacht, um die verheißungsvollen Aussagen auf Plausibilität zu prüfen. Sogar der Wikipedia-
Eigene Erfahrung
Am 10.8.2016 war ich bei einem Vortrag des Vertical-
Im Wiener Technischen Museum wurde 2016 eine kleine Vorzeigeanlage für vertikales Gärtnern mit LED-
Beispiele
- Sky Greens in Singapur – einstöckige, 9 m hohe Türme, wo die Pflanzen über Förderbänder ständig langsam auf- und absteigen, sodass alle gleich viel Licht bekommen (wie von mir unter "sinnvolle Möglichkeit" beschrieben)
- Aerofarms – Arbeitet mit LED-
Lampen. - Seit 2021 gibt es in Kopenhagen (Dänemark) auf 7000 m2 eine vertikale Farm mit 14 Stockwerken. Pro Tag werden 3 t Salate und Kräuter geerntet. Ansonsten gibt es "nur wenige funktionsfähige vertikale Farmen in Europa". Viele befinden sich noch im Experimentierstadium.[3]
Vergangenheit
Die Idee der Gewächshochhäuser ist nicht neu. Schon in den 1960er Jahren wurde ein 41 m hohes in Wien errichtet. Es konnte aber anscheinend (trotz "zukunftsweisender" Konstruktion) nicht profitabel betrieben werden und wurde bald abgerissen.
Ein ähnlicher Turm in Wiener Neustadt wurde wegen hoher Energiekosten bald stillgelegt.
Mein Fazit
Mehrstöckige Treibhäuser sind sicher nicht die Zukunft der Landwirtschaft. Eine Lebensmittelproduktion unabhängig von Sonnenlicht taugt vielleicht als Arche für Superreiche zur langfristigen Nahrungsversorgung auch bei schwersten Krisen. Oder für bemannte Raumschiffe. Aber nicht zur Versorgung der Massen an Stadtbewohnern oder zur Entlastung der Umwelt.
Nur wenn auf künstliche Beleuchtung weitgehend verzichtet werden kann, machen mehrstöckige Treibhäuser Sinn. Das ist aber nur bei manchen Nutzpflanzen möglich, und dem stehen erhebliche Kosten für die gleichmäßige Verteilung des Lichts (mittels Förderbändern/etc.) gegenüber. Das wird sich nur in Sonderfällen rechnen.
Weiter
Quellen
[1] | Philips/AEG: Künstliche Belichtung im Gartenbau (PDF, 3 MB), S. 26 (Intensität von Sonnenlicht entspricht ca. 100 000 mW/m2 in der Tabelle) |
[2] | Treibhausgasbilanzierung von Lebensmitteln (PDF), S. 66 (im PDF S. 14) |
[3] | Permakultur- |