Mario Sedlak
Umweltschutz
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Kleine Schauanlage im Technischen Museum Wien

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Die Pflanzen wachsen nicht in Erde.

Mehrstöckiges Treibhaus

Ein Treibhaus, wie man es heute kennt, besitzt nur eine Ebene, auf der Pflanzen wachsen. Visionäre schwärmen von ganzen Hochhäusern, wo in vielen Stockwerken übereinander Salat und Co. gezogen werden.

Behauptete Vorteile

Begeisterer nennen zahlreiche weitere Vorteile (z. B. weniger Wasserverbrauch), die jedoch in Wirklichkeit Vorteile von Treibhäusern gegenüber Anbau im Freien sind. Die sind für die Frage, ob man Treibhäuser übereinander stapeln soll, nicht relevant!

Sinnvolle Möglichkeit

Manche Pflanzen brauchen kein pralles Sonnenlicht, sondern wachsen auch bei bedecktem Himmel (= ca. 1/10 der Lichtstärke) gut[1] oder sogar besser, weil sie dann nicht überhitzen. An Orten, wo meist die Sonne scheint, kann daher der vertikale Anbau von solch genügsamen Pflanzen lohnend sein. Wenn die Pflanzen so bewegt werden, dass jede die gleiche Zeit in der Sonne ist, kann der Ertrag pro Quadratmeter ohne großen zusätzlichen Energieaufwand bis auf ca. das Zehnfache gesteigert werden.

Grenzen

Das Hauptproblem von mehrstöckigen Treibhäusern ist zu wenig Licht im Inneren, und dafür gibt es keine Lösung:

Aufgrund des hohen Lichtbedarfs ist vertikaler Anbau für Getreide, Reis, Mais und Tomaten nicht sinnvoll. Das geben (manche) Anhänger von Gewächshochhäusern selbst zu. Damit ist die theoretisch mögliche Flächenreduktion in der Landwirtschaft minimal. – Die meisten Felder können nicht durch mehrstöckige Treibhäuser ersetzt werden.

Kosten

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Treibhäuser in Wien-Simmering

Der höhere bauliche Aufwand kann i. A. nicht durch geringere Grundstückspreise oder Transportkosten kompensiert werden. Der reine Transport macht generell recht wenig aus. Ansonsten wären Produkte direkt beim Bauern in Niederösterreich deutlich günstiger als beim Supermarkt in Wien. Nach meiner Beobachtung ist das nicht der Fall. Für einen Gemüsebetrieb in Wien-Simmering würde der Transportweg überhaupt nicht kürzer werden.

Ökobilanz

Für die Umwelt ist eine regionale Produktion keineswegs so wichtig, wie immer wieder behauptet wird. Für frisches Gemüse wie z. B. Brokkoli verursacht der Transport nur 1/4 des gesamten Treibhausgas-Ausstoßes.[2] Es kommt hauptsächlich auf die Art der Produktion an. Deswegen wäre eine künstliche Beleuchtung – selbst mit den effizientesten Lampen, die es irgendwann geben könnte – verheerend für die Ökobilanz.

Hype

Im Internet und diversen Medien wird seit Jahren über mehrstöckige Treibhäuser als aussichtsreiche Zukunftstechnologie berichtet. In kaum einem Bericht werden kritische Fragen gestellt oder gar eigene Abschätzungen gemacht, um die verheißungsvollen Aussagen auf Plausibilität zu prüfen. Sogar der Wikipedia-Artikel über vertical Farming gleicht über weite Strecken einer Werbebroschüre. (Der Artikel in der englischen Wikipedia ist besser.)

Eigene Erfahrung

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(Werbe-)Vortrag im Technischen Museum Wien

Am 10.8.2016 war ich bei einem Vortrag des Vertical-Farm-Institutes im Wiener Technischen Museum. Auf meine kritische Nachfrage argumentierte der Vortragende mit dem Verbrauch des gesamten Transportsektors, als ob damit belegt werden könnte, dass das Gemüse in Wien-Simmering auf mehreren Stockwerken angebaut werden sollte. Das ist typisch für Begeisterer. Das Vertical-Farm-Institute wollte bis 2020 ein mehrstöckiges Treibhaus in Wien bauen lassen.

Im Wiener Technischen Museum wurde 2016 eine kleine Vorzeigeanlage für vertikales Gärtnern mit LED-Beleuchtung angelegt. Dass diese funktioniert, überrascht mich nicht. Für eine Anlage dieser Größe spielen Geld und Energieverbrauch eine untergeordnete Rolle.

Beispiele

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So ähnlich sah das Wiener Gewächshochhaus aus.

Vergangenheit

Die Idee der Gewächshochhäuser ist nicht neu. Schon in den 1960er Jahren wurde ein 41 m hohes in Wien errichtet. Es konnte aber anscheinend (trotz "zukunftsweisender" Konstruktion) nicht profitabel betrieben werden und wurde bald abgerissen.

Ein ähnlicher Turm in Wiener Neustadt wurde wegen hoher Energiekosten bald stillgelegt.

Mein Fazit

Mehrstöckige Treibhäuser sind sicher nicht die Zukunft der Landwirtschaft. Eine Lebensmittelproduktion unabhängig von Sonnenlicht taugt vielleicht als Arche für Superreiche zur langfristigen Nahrungsversorgung auch bei schwersten Krisen. Oder für bemannte Raumschiffe. Aber nicht zur Versorgung der Massen an Stadtbewohnern oder zur Entlastung der Umwelt.

Nur wenn auf künstliche Beleuchtung weitgehend verzichtet werden kann, machen mehrstöckige Treibhäuser Sinn. Das ist aber nur bei manchen Nutzpflanzen möglich, und dem stehen erhebliche Kosten für die gleichmäßige Verteilung des Lichts (mittels Förderbändern/etc.) gegenüber. Das wird sich nur in Sonderfällen rechnen.

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Erdelose Landwirtschaft

Quellen

[1] Philips/AEG: Künstliche Belichtung im Gartenbau (PDF, 3 MB), S. 26 (Intensität von Sonnenlicht entspricht ca. 100 000 mW/m2 in der Tabelle)
[2] Treibhausgasbilanzierung von Lebensmitteln (PDF), S. 66 (im PDF S. 14)
[3] Permakultur-Magazin, 2022, S. 32f.

Seite erstellt am 15.8.2016 – letzte Änderung am 8.2.2024