Mechanischer Stromzähler im Leerlauf
Wenn kein Strom fließt, darf man erwarten, dass ein Stromzähler nichts misst. Viele glauben, dass dies bei einem mechanischen Stromzähler prinzipbedingt erfüllt ist, weil ohne Strom ja auch kein Magnetfeld, das die Drehung der Zählscheibe bewirken könnte, vorhanden ist. Damit irren sie sich jedoch! Auch ohne angeschlossene Verbraucher kann sich die Scheibe langsam drehen, wie in einem YouTube-
Erklärung
Mechanische Stromzähler sind nicht so einfach konstruiert, wie in vielen Erklärungen nachzulesen ist. Tatsächlich gibt es in den Geräten etliche Stellschrauben, die fein justiert werden müssen, damit der Zähler richtig arbeitet. Z. B. muss die Reibung ausgeglichen werden. Das geht mit zusätzlichen Hilfsmagnetfeldern, die eine leichte Drehkraft auf die Scheibe ausüben. Diese Drehkraft ist unabhängig vom Stromfluss und anscheinend nicht 100%ig perfekt dosierbar. Ein Lehrbuch erklärt das so:
Das Spannungseisen wird durch eine Metallschraube oder durch einen Kupferbügel unsymmetrisch gemacht. Dadurch entsteht ein selbstständiges Wanderfeld zur Kompensation des Reibungsmoments [also der ganzen Reibung im Zähler] ... Um den Leerlauf bei fehlendem elektrischen Drehmoment zu verhindern, trägt der Läufer eine Hemmfahne, auf die eine im Streufeld des Spannungseisens liegende Zunge oder Schraube gerade so stark einwirkt, dass der Läufer in der Ruhestellung (rote Marke im Sichtfenster) zum Stillstand kommt.[1]
Ein Elektriker, der mechanische Stromzähler kalibriert hat, schreibt, dass es fast unmöglich war, sie so einzustellen, dass die Scheibe absolut ruhig ist, wenn kein Strom verbraucht wird. Er hat auch Fotos von der "Bremse" mitgeliefert. Nach längerem Suchen habe ich auch eine Skizze gefunden. (In dem oben zitierten Lehrbuch ist eine ähnliche enthalten.)
Durch diese Hilfskonstruktion (die Leerlaufhaken oder -
- Stellt man den Stromverbrauch ab, kurz nachdem die rote Markierung die Mitte des Sichtfensters verlassen hat, dreht sich die Zählscheibe zurück, als würde Strom ins Netz eingespeist werden. (Ich dachte zuerst, die Scheibe würde aufgrund einer Unwucht oder dgl. zurücklaufen.)
- Stellt man den Stromverbrauch ab, kurz bevor die rote Markierung die Mitte des Sichtfensters erreicht, läuft sie langsam weiter, obwohl kein Strom verbraucht wird. Gegen Ende wird sie schneller (was klar ist, wegen der magnetischen Anziehung). Wenn die Markierung einen weiten Weg zurückzulegen hat, kann die Bewegung auch 1 Stunde dauern. (Bei mir sind es nur ein paar Minuten.)
- Es kann auch vorkommen, dass die Zählscheibe mittendrin stehen bleibt – bei idealer Einstellung des Zählers ist das dann, wenn die Markierung genau gegenüber vom Fenster ist (der Haken zeigt dann von der Spule weg); ansonsten bei dem Punkt, wo die Leerlauf-
Drehbewegung der Scheibe genau durch die Anziehungskraft, die auf den Haken wirkt, kompensiert wird.
Im Internet findet man die wildesten Erklärungen für diese Beobachtungen, aber nur selten die richtige. (Ich habe 2016 den entsprechenden Wikipedia-
jede Zählerscheibe [ist] mit einer Leerlauf-Hemmung ausgestattet
Die Zählerscheibe dreht sich langsam, obwohl kein Verbraucher eingeschaltet ist. Die ... Markierung muss im Sichtfenster stehen bleiben
Übliche Haushaltszähler sind so konstruiert, dass die Scheibe bedingt durch den Zufall vorwärts oder rückwärts in diese Ruheposition gezogen wird.[2]
Die Anlauf/Leerlaufeinstellung erfolgt mittels der an einem Triebsystem befestigten Haltefahne, die den auf der Läuferachse befindlichen Leerlaufhaken anzieht.[3]
Der Leerlaufhaken funktioniert nur, solange Netzspannung anliegt. Zähler, die vom Netz getrennt werden, können daher jede Orientierung der Zählscheibe zeigen. Aber auch wenn sie am Netz bleiben, kann ihre Scheibe am 2. Gleichgewichtspunkt ruhen, wie oben beschrieben, oder einfach stehen bleiben, weil die Reibung zu hoch ist. Die Stromzähler müssen sich nicht "nullen".
Skandal?
Wenn der Zähler im Leerlauf mal zurück, mal vorläuft, gleicht sich das im Schnitt aus. Die ungünstigsten Fälle wären:
- wenn ein periodisch arbeitendes Gerät wie ein Kühlschrank immer gerade so viel Strom verbraucht, dass die Scheibe anschließend selbsttätig vorläuft – Wenn die Scheibe dafür z. B. 5 Minuten braucht, wären das maximal 24*60/5 = 288 Umdrehungen pro Tag. Wie viel Kilowattstunden das sind, steht auf dem Zähler ("U/kWh"). Bei mir wären das 288/480 = 0,6 kWh/Tag und somit erheblich. Allerdings ist dieser schlimmste denkbare Fall kaum realistisch, da Kühlschränke nicht so regelmäßig arbeiten. In vielen Haushalten sind die Standby-
Verluste so hoch, dass nie ein Leerlauf erreicht wird. - wenn der Zähler schon ab einer geringen Entfernung von der Markierung immer nach vor läuft (anstatt den kürzeren Weg zurück) – Das deutet dann darauf hin, dass er ein zu starkes Drehfeld hat und wahrscheinlich auch sonst etwas zu viel misst.
Umgekehrt schenkt dir dein Stromzähler auch was: Er zählt erst ab einem Verbrauch von einigen Watt. Die Grenze liegt i. A. umso höher, je weniger Umdrehungen er für eine Kilowattstunde braucht. Typischerweise hängt das mit der möglichen Maximalleistung zusammen: Je höher, desto höher ist auch die Zählschwelle.
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Quellen
[1] | M. Stöckl, K. H. Winterling u. a.: Elektrische Meßtechnik. Stuttgart: Teubner, 6. Auflage 1978, S. 71 | ||
[2] | Physikalisch-[3]
| Actaris: Beschreibung Elektrizitätszähler Typenreihe 114/116 (PDF, 4 MB), S. 12
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