Cyco-Trekkingbike
Fahrräder aus dem Supermarkt haben hinsichtlich Qualität einen schlechten Ruf. Ich habe am 23.3.2015 bei Hofer ein Trekkingrad um 299 € erworben, das diesem Ruf leider voll gerecht wurde. Vermutlich war das aber Pech und nicht der typische Lieferstandard von Hersteller Mifa (Mitteldeutsche Fahrradwerke AG). Das Rad ist so schnell (nach 1 Monat) ausgefallen, dass ich von einem Transportschaden ausgehe. Ich habe das Rad zurückgegeben und anstandslos den Kaufpreis in voller Höhe rückerstattet bekommen.
Kaufkriterien
Nachdem mein Fahrrad gestohlen wurde, benötigte ich ein neues, das möglichst billig sein sollte, damit ich es auch über Nacht draußen oder in meinem Keller stehen lassen kann. Teure Räder sind meines Erachtens nicht alltagstauglich.
Mit billigen Rädern (150–
Mein Rad muss eine Gangschaltung, einen Gepäckträger und einen Nabendynamo haben. Nur ein Nabendynamo arbeitet bei jedem Wetter zuverlässig. Mit den billigen Seitenläuferdynamos habe ich schlechte Erfahrungen gemacht.
Gewicht ist für mich kein Kriterium. Das Cyco-
Inbetriebnahme
Hofer verkauft nur einmal im Jahr Fahrräder. Am 23.3.2015 war es so weit: Ich ging gleich in der Früh ins Geschäft, um sicher noch ein Exemplar zu bekommen. Probefahrt war natürlich nicht möglich; es war noch nicht einmal ein Musterrad ausgestellt. Ich fand zwei Mitarbeiter im Eingangsbereich des Lagers, die gerade eines herrichteten und mir gleich dieses anboten. Der Lenker war noch verdreht, damit er eine Linie mit dem Rahmen bildet und das Rad platzsparend transportiert werden kann. Aus dem gleichen Grund waren noch keine Pedale montiert. Da die beiden Mitarbeiter nicht einmal ein Herren- von einem Damenmodell unterscheiden konnten, sparte ich mir jegliche Fachfragen und kaufte das Rad quasi "blind". Aber nachdem Hofer eine Zufriedenheitsgarantie gibt, ist das Risiko begrenzt.
Ich führte das Rad nachhause. Karton hab ich keinen bekommen, aber Anleitung und alle notwendigen Teile waren vorhanden.
Beim Durchlesen der Anleitung war ich zunächst positiv überrascht: Ich habe schon drei Räder (auch eines, das mehr als 299 € kostete) gekauft, aber dieses ist das erste, dem eine brauchbare und ausführliche Anleitung beiliegt. Nicht nur die Montage von Lenker und Pedalen wird erklärt, sondern alle üblichen Tätigkeiten wie Einstellung der Bremsen und auch über Verschleißindikatoren der Felgen wird informiert. (Durch das Bremsen werden sie dünner und müssen dann ausgetauscht werden oder sie platzen während der Fahrt auf ...) Was fehlt, ist ein Index. Nicht optimal ist, dass das Handbuch in allen verfügbaren Sprachen zu einem dicken, schweren Buch gebunden ist. So viel Platz habe ich zuhause nicht, daher habe ich alle Sprachen bis auf die deutsche herausgerissen und zum Altpapier gegeben (dass ich das Rad zurückgeben werde, habe ich da nicht gedacht, aber es wurde akzeptiert, dass ich diese Teile nicht mehr hatte). Feministen werden an der Anleitung kritisieren, dass immer geraten wird, sich an einen Fachmann zu wenden.
Dann die erste Enttäuschung: Laut Flugblatt ist das Rad "mit wenigen Handgriffen fahrbereit" – laut Anleitung ist ein Drehmomentschlüssel unbedingt erforderlich. Woher soll ich den jetzt nehmen? Beiliegend sind billige Einweg-
Bemerkenswert ist auch, dass das Rad laut Flugblatt eine "24-
- vorne mittleres Zahnrad, kombiniert mit einem der acht Zahnräder hinten
- vorne kleinstes, kombiniert mit dem größten hinten
- vorne größtes, kombiniert mit dem kleinsten hinten
Alle anderen Kombinationen sind nicht wesentlich von diesen Möglichkeiten verschieden. Das ist aber grundsätzlich bei allen Gangrädern so und nicht eine besondere Eigenschaft des von mir gekauften Rades. Auch die Anpreisung als "24-
Ausstattung
Das Cyco-
- Ein stabiler Ständer – Alle meine bisherigen Räder hatten Ständer, die bei einer Beladung des Fahrrads oder bei Wind unbrauchbar waren, da sie zu schwach waren und nicht genügend Halt boten.
- LED-
Lampen vorne und hinten – Damit sollte es keine Ausfälle geben. (Die LEDs sind nicht einmal austauschbar ...) Auch Standlichtfunktion ist vorhanden, aber recht schwach. - Pannensichere Reifen – Die haben einen verstärkten Gummi, der so dick ist, dass er von üblichen Fremdkörpern nicht durchdrungen werden kann.
Außerdem ist dabei:
- Spanngurt für den Gepäckträger – Finde ich aber nicht brauchbar und habe ihn daher gleich abmontiert. Ein Spanngurt kann außerdem zurückschnalzen und Verletzungen (insbesondere am Auge) verursachen.
- Reflektorstreifen an den Reifen – Da diese meiner Erfahrung nach ständig verschmutzen, würde ich Katzenaugen in die Speichen geben (die beim Rad nicht dabei sind).
- "Trekking-
Sattel mit Gel- Einlage" – Den habe ich gleich nach der 1. Testfahrt ausgetauscht, weil er mir viel zu hart und schmal ist. Vielleicht ist er für Leute über 100 kg ideal ... (Das maximal zulässige Benutzergewicht beträgt jedoch 101,5 kg.)
1. Ausfall: Glocke
Die Glocke ist aus billigem Plastik und hat sich beim Einstellen des Lenkers und der darauf befindlichen Schalteinrichtungen aufgelöst. Ich trug die Einzelteile der Glocke in die Hofer-
2. Ausfall: Gangschaltung streikt tw.
Bei der 1. Testfahrt ist mir vorne beim Schalten die Kette herausgesprungen. Ein Umschalten vom 3. in den 2. Gang war vorne nicht möglich. Ich musste auf den 1. und dann auf den 2. Gang schalten.
In manchen Gängen schleift die Kette. Hinten ließen sich die höchsten Gänge gar nicht schalten.
Eigentlich brauchte das Rad ein Service, bevor es wirklich einsatzfähig war. Laut Auskunft der Hotline ist diese Einstellarbeit vom Kunden durchzuführen. Also musste ich mich durch die Anleitung kämpfen. Ich tüftelte an der Rändelschraube herum, aber die für das Hinterrad fand ich nicht. Daraufhin schickte mir die Hotline einen Techniker zu mir nachhause!
Dieser erklärte mir, dass die Rändelschraube für das Hinterrad nicht am Lenker (wie die Rändelschraube für die vordere Schaltung) sondern am Hinterrad ist. Blöd gelaufen – das habe ich doch glatt in der Anleitung überlesen. Die Einstellung der Gangschaltung wird dort nämlich ziemlich umständlich erklärt: mit Texten, die mit Copy & Paste dupliziert wurden. Bis auf eine Zahl sind die Absätze für vordere und hintere Schaltung gleich. Mir kommt es wie ein Suchrätsel vor – finde den Unterschied! Ich habe nur die Gleichheiten gesehen, zumal ich nicht erwartet habe, dass eine Rändelschraube am Lenker und die andere wo anders ist. Auch dem Mitarbeiter bei der E-Mail-
Aber das war noch nicht das ganze Problem: Der Techniker stellte fest, dass der Schutzbügel beim Hinterrad verbogen ist. Dieser Bügel schützt die Schaltung, wenn das Rad umfällt. Weil der Bügel verbogen war, hatte die Schaltung keinen Platz für die höheren Gänge. Der Techniker bog den Bügel weg, und alle Gänge waren schaltbar. So schnell konnte ich gar nicht schauen.
Der Techniker wollte 39 € von mir haben. Von sich aus telefonierte er aber mit seinem Chef, der von einer Verrechnung absah. Da ich erst 18 km gefahren bin, wurde es als Transportschaden gewertet. Der Bügel hatte feine Kratzer, die mir beim Kauf des Rads nicht aufgefallen sind. Der Techniker meinte, diese Kratzer können nicht beim Transport passiert sein, weil das Rad in einem Karton verpackt gewesen sei. Diesen Karton habe ich aber nie erhalten ... Meines Erachtens muss das Rad aus einer größeren Höhe (im Karton?) heruntergefallen sein, denn nur durch ein Umfallen verbiegt sich der Bügel nicht so.
In Windeseile war der Techniker wieder weg. Bei meiner nächsten Ausfahrt bemerkte ich, dass das Problem mit der Gangschaltung leider immer noch nicht vollständig gelöst ist: Vorne geht der kleinste Gang nicht hinein. Die Kette schleift zwar, wenn ich die Schaltung auf "1" stelle, aber es tut sich nichts. Zuhause funktioniert es immer, aber unterwegs nach einigen Minuten nicht mehr. Vielleicht hängt es irgendwie mit der Temperatur zusammen? Die Rändelschraube habe ich schon bis zum Anschlag verdreht – ohne Erfolg. (Wahrscheinlich war vom Transportschaden der ganze Umwerfer verdreht, was mir aber nicht auffiel.)
3. Ausfall: Bruch der Verschraubung des hinteren Zahnradkranzes
Nach nur 400 km fing der Zahnradkranz hinten plötzlich zu klappern an. Ich stellte fest, dass er locker ist. Die Kette sprang immer hin und her. In meiner Not wickelte ich ein Stück Plastikfolie um die Achse, damit der Gang drinnen bleibt. Ich fragte in einem Sportgeschäft, wie viel die Reparatur kosten würde. Die Mechaniker brauchten eine Weile, bis sie den anscheinend ungewöhnlichen Fehler analysiert hatten und kamen zu dem Schluss, dass die Verschraubung des Zahnradkranzes gebrochen sei. Man müsste diesen komplett erneuern. Das wollte ich nicht, da ich das Rad erst 4 Wochen hatte und es noch unter Gewährleistung stand. (Deswegen ist es nicht empfehlenswert, ein Rad kurz vor dem Winter zu kaufen!)
Leider war ich gerade 100 km von zuhause entfernt, und ich dachte, dass ich den Heimweg auch mit klapperndem Rad schaffe. Es blieb jedoch nicht dabei. Plötzlich fing der hintere Zahnradkranz an, durchzudrehen. Kein Vortrieb war mehr möglich. Vorbeikommende Radfahrer bemitleideten mich mit meinem Pannenrad. Da hätte ich gleich ein billiges gebrauchtes kaufen können, wenn ich solche Probleme habe, dachte ich. Meine geplante mehrtägige Radtour konnte ich mir abschminken. Den Freunden, die ich besuchen wollte, musste ich absagen. Aber nach ein paar Minuten vergeblichem Treten bekam der Zahnradkranz irgendwie wieder Halt und ich konnte weiterradeln. Ich sollte allerdings nicht stehen bleiben, denn dann verschob sich der Zahnradkranz wieder und ich trat wieder ins Leere. Das passierte ein paar Mal.
Dann schien sich der Zahnradkranz dauerhaft verkeilt zu haben. Das Problem war nun, dass sich die Pedale immer mitdrehten (kein Freilauf mehr). Wenn es bergab ging, musste ich entweder bremsen oder die Füße wegstrecken. Einige Male vergaß ich darauf. Da hat die Kette wild herumgeschlagen.
Rückgabe
Am 22.4.2015, knapp 1 Monat nach dem Kauf, habe ich das Cyco-
Bei Hofer ist alles durchdacht und effizient. Das gefällt mir. Das einzige, was Hofer nicht so ganz durchdacht hat, ist, wie man als Kunde bei einer Reklamation direkt zur Kasse kommt. Die Tür, die direkt zu den Kassen führt, lässt sich nur von innen öffnen. Warum eigentlich? Ich musste mich vorbeischwindeln, als Kunden das Geschäft durch diese Tür verließen.
Wahrscheinlich hätte ich das Rad auch gegen ein neues umtauschen können. Ich entschied mich für eine Rückabwicklung des Kaufes, da es mit dem Rad noch ein anderes Problem gibt: Es dürfte zu groß für mich sein. Mit 1,74 m liege ich zwar gut im Durchschnitt, aber anscheinend peilen die Mitteldeutschen Fahrradwerke mit ihrem Cyco-
Ich hätte eigentlich erwartet, dass ein Fahrrad, das bei Hofer in einer Einheitsgröße angeboten wird, für durchschnittliche Leute wie mich passt. Hofer hätte dazuschreiben können, für welche Körpergrößen das Rad gedacht ist. Anscheinend wäre das Damenmodell für kleinere Menschen vorgesehen gewesen. Dessen Rahmen ist 46 cm hoch; beim Herrenrad beträgt die Rahmenhöhe 52 cm. Ein Damenmodell ist allerdings aufgrund der abgesenkten Rahmenstange weniger stabil und für längere Touren mit schwerem Gepäck und tw. rasanten, kurvigen Abfahrten nicht empfehlenswert. (Die Bezeichnung Damen-
Der Lenker ist nicht höhenverstellbar! Nur der Winkel des Vorbaus ist verstellbar. Auch große Menschen werden damit nicht auf eine bequeme, aufrechte Sitzposition kommen (wie ich es von einem Trekkingbike eigentlich erwarten würde, denn längere Touren schafft man nur in einer bequemen Sitzposition). Das Cyco-
Zubehör wie etwa ein anderer Vorbau, mit dem man diesen Mangel ausgleichen kann, ist laut E-Mail-
Die Griffe sind "ergonomisch" geformt, aber in der Praxis nicht passend für mich. Ich hätte sie lieber weicher. Und da meine Hände "zu kurz" sind, komme ich nicht in die Position, wo die Griffe vielleicht tatsächlich ergonomisch sind.
Ein unwesentlicher Mangel, der aber eventuell Rückschlüsse auf den Qualitätsstandard von Mifa erlaubt, liegt an der Felge vor: An einer Stelle fehlt die Lackierung. Außerdem blätterte schon nach 1 Monat die Farbe von der Sattelstütze ab.
Zusammenfassung
Pro
- stabiler Ständer
- umfangreiche Anleitung
- 10 Jahre Garantie auf den Rahmen (theoretisch – denn 2017 ist Mifa pleitegegangen)
- 3 Jahre Garantie auf Kleinteile
Contra
- Einheitsgröße, nur für große Menschen
- nur "sportliche" Sitzposition möglich
- Transportschaden
Mein Fazit
Pech gehabt! Meinen Fall kann man sicher nicht verallgemeinern. Aber wenn ich ein neues Rad kaufe, werde ich beim nächsten Mal wieder ein Sportgeschäft bevorzugen, wo ich das Rad tatsächlich fahrbereit erhalte und bei Problemen einen Ansprechpartner vor Ort habe (der nicht gleich mit der Einhebung einer Gebühr droht). Ich hätte gerne ein Vorurteil widerlegt, aber Räder aus dem Supermarkt sind wirklich eher etwas für Abenteuerlustige.