Mario Sedlak
Chemtrails
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Berichte über das Welsbach-Patent

Bemerkenswerterweise habe ich bei meiner Internet-Recherche über das Welsbach-Patent im März 2014 außer einem Artikel von Focus online keine Enttarnung des Welsbach-Patents gefunden, aber viele unkritische Berichte darüber.

Chemtrail-Szene

Der Artikel "Die Zerstörung des Himmels", welcher 2004 in der Esoterik-Zeitschrift Raum & Zeit erschien und die Verschwörungstheorie von den Chemtrails im deutschen Sprachraum bekanntmachte, beschreibt das Welsbach-Patent so:

Laut Patentbeschreibung sind hier minimal kleine Metallpartikel dem Treibstoff der Düsenflugzeuge beizufügen, sodass die Partikel während des Verbrennungsvorgangs vom Triebwerk ausgestoßen werden. Dabei handelt es sich vornehmlich um Aluminiumoxide in Pulverform, sowie Barium-Salze, welche am Himmel – man höre und staune – "als reinweiße Federstreifen" zu sehen sind!

Tatsächlich steht im Patent weder etwas von Barium noch von "reinweißen Federstreifen". Die Patent-Autoren glaubten vielmehr, dass die Partikel unsichtbar wären.[1]

Weiters heißt es in der Raum & Zeit, die Metallpartikel sollen bewirken, ...

... dass von der Erde emittierte Hitze mittels eines photochemisch hochkomplizierten Verfahrens in Licht und dann in Infrarotstrahlung umgewandelt und schließlich in den Weltraum abgeleitet wird.

Wie in meiner Rezension des Welsbach-Patents ausführlich beschrieben, ist das Verfahren nicht nur "hochkompliziert", sondern würde auch den bekannten Naturgesetzen widersprechen, weil die Partikel aus Umgebungswärme energiereiche Strahlung herstellen müssten.

Fig. 3

Abbildung aus der Patentschrift, aus der hervorgeht, dass die vorgeschlagenen Materialien keineswegs unsichtbar wären (denn dann müsste die Kurve links, im sichtbaren Bereich, = 0 sein)

Andererseits bricht das hereinströmende Sonnenlicht am Aluminiumpulver und wird somit reflektiert.

Das ist ausdrücklich nicht das Ziel der Patent-Schreiber (siehe oben). Das von ihnen vorgeschlagene "ideale" Material würde das Sonnenlicht nicht streuen, sondern zu 100% schlucken (siehe Abbildung).

Das Sonnenlicht abzuschirmen, würde zwar prinzipiell funktionieren, allerdings wäre hierfür Schwefel noch besser geeignet. Dieser könnte im Gegensatz zu Aluminium auch tatsächlich dem Flugzeugtreibstoff beigemischt werden, ohne den Turbinen zu schaden. Allerdings würde er dann auch schon in unteren Luftschichten ausgestoßen werden und sauren Regen verursachen.

Das Welsbach-Patent wird "spätestens seit 1995 umgesetzt".

In Wirklichkeit ist das Patent gar nicht umsetzbar, weil es auf "Voodoo-Physik" beruht.

Folgeberichte

Der fehlerhafte Bericht über das irrige Welsbach-Patent dient als Quelle für häufig wiederholte Behauptungen von Anhängern der Chemtrail-Theorie.

In parlamentarischen Anfragen der FPÖ heißt es:

Das Einbringen von Aluminiumpulver in die Atmosphäre soll UV-Sonnenlicht ins Weltall reflektieren und Erdwärme in Infrarotwellen umwandeln, was jeweils der Abkühlung der Erdoberfläche dienen soll.
Dank der Polymer-Mischung können sich die versprühten Partikel gemäß Wortlaut des "Welsbach Patentes" bis zu einem Jahr in der Luft suspendiert halten.

Im Welsbach-Patent werden keine Polymere (Kunststoffe) erwähnt, aber im Bericht der Zeitschrift Raum & Zeit.

Ähnliche parlamentarische Anfragen stellte zuvor schon ein Abgeordneter der NPD im Landesparlament von Sachsen (Deutschland). Er befürchtete eine "Kontaminierung der Atmosphäre mit sobezeichneten Welsbach-Partikeln (Chemtrails)",[2] weshalb "zunehmend mehr Menschen ... über Atembeschwerden, brennende Augen, Schwindel, Schwächegefühle, Herz/Kreislaufbeschwerden und teilweise Bewusstseinstrübungen" klagen würden.[3]

In einem Protestbrief an das deutsche Umweltbundesamt zählen Chemtrail-Anhänger das Welsbach-Patent zu den "seriösen Quellen" und erklären:

Die Chemtrails werden auf das "Welsbach-Patent" zurückgeführt.[4]

Ein anderer Bericht ist genauer (und wieder sehr ähnlich dem ursprünglichen aus Raum & Zeit):

Die Chemiesuppe der Chemtrails enthält Aluminiumpulver und Bariumsalze, welche einen Teil des Sonnenlichts zurück ins All reflektieren und die von der Erde abgestrahlte Wärme photochemisch in Licht und dann in Infrarotstrahlung umwandeln, welche ebenfalls in den Weltraum abgeleitet wird (Die zugehörige Technologie wird im sogenannten Welsbach-Patent eingehend beschrieben).

Diese und ähnliche Erläuterungen finden sich auf zahllosen Chemtrail-Seiten, aber nie mit einer genauen, nachvollziehbaren Erklärung – was nicht verwundert, da ein unmöglicher Vorgang nicht erklärt werden kann. Alle Berichte, die sich auf das Welsbach-Patent berufen, sind unglaubwürdig.

Skeptiker

Der Physiker Holm Gero Hümmler schrieb im Skeptiker einen aufklärerischen Artikel über Chemtrails, wobei er das Welsbach-Patent anführte:

Dieses so genannte Welsbach-Patent wird häufig als Beleg für die Existenz von Chemtrails zitiert, obwohl es juristisch die Nutzung solcher Methoden eher einschränkt.[5]

In der online aufrufbaren Zusammenfassung seines Vortrags bei der GWUP-Konferenz 2006 geht Herr Hümmler auch auf das Welsbach-Patent ein, ohne es als irrig zu entlarven:

Das [Abkühlen der Erde] könnten auch Substanzen, die die Wellenlänge von Infrarot-Licht vom Treibhauseffekt weg verschieben (1991 von Hughes Aircraft patentiert)[6]

Geoengineering

Auch in einem ansonsten tadellosen Bericht über mögliche Geoengineering-Maßnahmen wird das Welsbach-Patent erwähnt, ohne auf dessen Fehlerhaftigkeit hinzuweisen:

Ein Patent aus dem Jahr 1991 behandelt das Einbringen von Aerosolen in die Stratosphäre (Chang 1991).[7]

In der Wikipedia tauchte das Patent unter Solar radiation management auf und wird auf den Seiten Thorium dioxide, Stratospheric sulfate aerosols (geoengineering) und Chemtrail erwähnt. Den Wikipedia-Artikel über das Welsbach-Patent habe ich selbst angelegt.

Weiter

Irrtümersammlung

Quellen

[1] Patenttext – "Welsbach ... materials ... have ... no effect in the visible range."
[2] Winfried Petzold: Kleine Anfragen 4/3782, 4/3783, 4/3784, 4/3785 und 4/3987, eingebracht in den Jahren 2005/2006. Alle gemeinsam samt Antworten sind auffindbar über die Volltextrecherche des Sächsischen Landtags mit Auswahl "4. Wahlperiode" und Stichwort Welsbach (Cookies und Javascript erforderlich).
[3] Winfried Petzold: Kleine Anfrage 4/3783 vom 13.12.2005, S. 2
[4] Chemtrail-Protestbrief an das deutsche Umweltbundesamt (DOC), S. 4
[5] Skeptiker. Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken, 2/2006, S. 28
[6] Holm Gero Hümmler: Chemtrails – zwischen Meteorologie und Verschwörungstheorie (PDF, 2 MB), 2006, S. 4
[7] Kiel Earth Institute: Gezielte Eingriffe in das Klima? Eine Bestandsaufnahme der Debatte zu Climate Engineering (PDF, 5 MB), Studie im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung, 2011, S. 45 (im PDF S. 53)

Seite erstellt am 1.4.2014 – letzte Änderung am 20.2.2016