Mario Sedlak
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Einfluss von Spekulation auf die Preisbildung

Spekulation als Form der Geldanlage kann die Preisbildung in der Marktwirtschaft erheblich beeinflussen: Wenn Spekulanten Immobilien, Aktien, Rohstoffe oder irgendetwas anderes kaufen, erhöhen sie die Nachfrage und wirken damit zwangsläufig preistreibend.

Spekulationen am Terminmarkt

Weniger klar ist die Situation, wenn Spekulanten Kauf- oder Verkaufsverträge abschließen, diese aber vor Erfüllung wieder rückgängig machen (zurückkaufen). Das ist die übliche Situation an Terminbörsen, wo man z. B. Erdöl oder Getreide kaufen kann, wobei die tatsächliche Lieferung erst zu einem späteren Zeitpunkt (meist in einigen Monaten) erfolgt. Der Spekulant hat i. A. gar kein Interesse an der Warenlieferung, sondern hofft, dass sich der Preis bis vor dem Fälligkeitstag in die von ihm erwartete Richtung bewegt. Dann kann er den abgeschlossenen Vertrag mit Gewinn rückgängig machen. Die große Frage ist nun: Kann er trotzdem Preissteigerungen verursachen? Das wird oft behauptet, aber die Begründungen sind wenig überzeugend.

Vergleich

Wenn ich als Spekulant Verträge über den Kauf von 100 Wohnungen unterzeichne, verursache ich in dem Moment eine Preissteigerung. Wenn ich die Wohnungen daraufhin notverkaufe (weil ich ja gar nicht einziehen will), sinken die Preise zumindest wieder auf das Ausgangsniveau, wenn nicht noch darunter. Das liegt einfach am Wechselspiel von Angebot und Nachfrage.

Lagerhaltung

Wer hingegen die Ware tatsächlich besitzt oder sich auf Lager legen kann, der kann preistreibend spekulieren, indem er bei einem Preisanstieg seine Ware hortet oder sogar neue Ware aufkauft. Dadurch verknappt er das Angebot und lässt den Marktpreis für alle steigen.

Über diesen Umweg können die "rein finanziellen" Spekulanten dann doch für Preisstiegerungen verantwortlich sein:

Die Möglichkeit der Lagerhaltung ist entscheidend. Ohne Lagerhaltung kann der hohe Preis einer Periode nicht in die nächste Periode "hinübergerettet" werden.[1] Deswegen ist am Strommarkt, wo Lagerhaltung praktisch unmöglich ist (min. 20% Verlust bei der Stromspeicherung), meines Erachtens keine spekulative Preissteigerung, die länger als bis zum nächsten Lieferbeginn anhält, möglich.

Unsicherheiten

Was die Besitzer der Lager wirklich tun, ist in vielen Fällen kaum bekannt.[2] Z. B. ist in China die Menge der staatlichen Lagerbestände ein Staatsgeheimnis.[3] Bekannt ist jedoch, dass die größten Agrargroßhändler und -spekulanten (Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Dreyfus) über Getreidesilos verfügen. Damit können sie die Preise beeinflussen.[4]

Während der großen Rohstoffpreissteigerung in den Jahren 2006–2008 stiegen jedoch die Lagerbestände von lagerfähigen Rohstoffen (soweit bekannt) nicht oder haben sogar abgenommen.[5] Deshalb gibt es bisher keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen "Finanzmarktspekulationen" und Preissteigerungen.[6]

Mein Fazit

Nicht nur die Terminmarktinvestoren, sondern vor allem auch die Besitzer der Lager sollten überwacht und ggf. reguliert werden. Aufgrund unzureichender Daten kann derzeit nicht seriös behauptet werden, dass Spekulanten für überhöhte Preise verantwortlich sind. Preise können auch aus anderen Gründen steigen.

Weiter

Preisausreißer in der Marktwirtschaft

Weblinks

Weitere Skeptiker wie ich:

Quellen

[1] Ingo Pies: Eine wirtschaftsethische Kritik der zivilgesellschaftlichen Kampagne gegen Agrarspekulation (PDF), S. 10 (Folie 17)
[2] Was die Rohstoffpreise treibt, Zeit online, 6/2011 – "Informationen über die tatsächlichen Angebots- und Nachfragebedingungen, zum Beispiel über die Lagerbestände, sind sehr unvollkommen"
[3] Hohe Agrarpreise – Mehr Hunger oder mehr Chancen für den ländlichen Raum? (PDF), S. 4
[4] Der Spiegel, 2.4.2022, S. 62 (online kostenpflichtig)
[5] Ingo Pies: Eine wirtschaftsethische Kritik der zivilgesellschaftlichen Kampagne gegen Agrarspekulation (PDF), S. 10 (Folie 17)
[6] Deutsches Wirtschaftsministerium: Schlaglichter der Wirtschaftspolitik, 1.7.2011

Seite erstellt am 2.10.2011 – letzte Änderung am 28.11.2023