Folgen eines bedingungslosen Grundeinkommens
Rückgang der Wirtschaftsleistung
Die zentrale Frage bei Diskussionen über das bedingungslose Grundeinkommen ist: Werden die Menschen weiterhin arbeiten, wenn sie es nicht müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen?
- Optimisten glauben, wenn die Menschen von allen Zwängen befreit sind, werden sie erst recht zu Höchstleistungen angespornt.
- Pessimisten befürchten, dass keiner mehr arbeiten geht, wenn man das Geld auch für's Nichtstun bekommt.
- Was die Leute selbst sagen, kannst du einer Umfrage entnehmen oder z. B. in diesem Blog nachlesen. Die meisten würden ihre Arbeitszeit zumindest reduzieren.
Letzteres halte ich für realistisch. Sicher würden viele trotz bedingungslosem Grundeinkommen weiterarbeiten. Aber wenn insgesamt auch nur 10% weniger gearbeitet wird, dann sinkt die Wirtschaftsleistung ungefähr um denselben Betrag. Da Arbeit teuer ist, wird es kaum überflüssige Arbeiter in der Wirtschaft geben. Wenn es möglich wäre, mit 10% weniger Arbeitern dasselbe herzustellen, dann würde es heute bereits gemacht. Und es werden auch eher nicht die aussteigen, die im Job wenig zu tun haben, sondern die, die viel leisten und dementsprechend viel Stress haben. (Viele werden aufgrund der damit verbundenen Anerkennung ihren Beruf weiterhin ausüben, aber hier geht es nur um die Frage, wessen Arbeitsstunden eher zu den 10% reduzierten gehören.)
Die wegfallenden 10% Erwerbsarbeit können nicht dadurch ausgeglichen werden, dass die Aussteiger in der gewonnenen Zeit selbst Gemüse anbauen, die Hausgemeinschaft bekochen etc. Das erkennt man bereits an dem niedrigen Stundenlohn, der sich aus der hobbymäßigen Arbeit ergäbe (auch wenn man auf das Geld dann nicht mehr angewiesen ist). Ein professioneller Bauer oder Koch schafft locker das Zehnfache mit dem gleichen Arbeitseinsatz. D. h. bestenfalls verursachen die 10% Aussteiger "nur" 9% Rückgang der Wirtschaftsleistung, wenn sie in der gewonnenen Zeit etwas anderes Nützliches herstellen.
Preissteigerungen
Das bedingungslose Grundeinkommen wird damit beworben, dass dann jeder Arbeiten, die ihm nicht gefallen, ablehnen kann. Das klingt schön: Jeder kann sich endlich frei entscheiden, was er mit seiner Zeit anfängt. Und ich bin überzeugt, viele werden diese Gelegenheit auch nutzen. Wir haben dann mehr Künstler, Lebensberater, Philosophen, Aktivisten, Forumsposter und dgl., während es relativ wenige Raumpfleger, Regalbetreuer, Zeitungsaustrager, Erntehelfer, Verkäufer usw. in ihrem Beruf halten wird.
Bis hierhin stimmen mir die Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommens zu, aber den nächsten, genauso zwangsläufigen Schritt wollen sie nicht mehr weiterdenken: Inflation, d. h. die zum Leben benötigten Waren werden teurer! Warum?
- Weil die unbeliebten Arbeiten "besser bezahlt" werden sollen. Das ist ja gerade das Ziel des bedingungslosen Grundeinkommens. Die Unternehmen werden die höheren Kosten aber weitergeben. (Daraus folgt außerdem, dass sie vor der billigeren Konkurrenz aus dem Ausland geschützt werden müssen.)
- Weil es zu wenig Arbeiter gibt, um die Produkte herzustellen, die sich die Leute um ihr Geld kaufen wollen. (Die Leute besitzen dank Grundeinkommen ungefähr gleich viel Geld, produzieren aber weniger.) Die daraus folgende Warenknappheit bewirkt in einer Marktwirtschaft unweigerlich Preissteigerungen.
Und wenn du jetzt denkst: "Na, dann muss das Grundeinkommen halt erhöht werden!", muss ich dich enttäuschen: Damit entsteht lediglich eine Lohn-
Die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens wollen das alles nicht hören, glauben es nicht oder verdrängen es. In ihrer Welt würde alles so weiterlaufen wie bisher, nur ohne Menschen in Armut. Sie scheinen zu glauben, das Geld kommt aus dem Bankomaten und die Produktvielfalt in den Läden stellt "das kapitalistische System" ohne Zutun von selbst bereit. Doch der materielle Wohlstand kommt keineswegs von selbst, sondern von den Menschen, die hart arbeiten, auch wenn ihnen diese Arbeit "sinnlos" erscheint!
Veränderung der Arbeitseinkommen
Wie bereits gesagt, müssen unbeliebte Berufe besser bezahlt werden, damit sie trotz bedingungslosem Grundeinkommen weiter von ausreichend vielen Menschen ausgeübt werden. Theoretisch könnten die Leute zwar auch für weniger Geld arbeiten gehen, da sie ja vom bedingungslosen Grundeinkommen leben können, aber gerade weil sie das Geld weniger dringend brauchen, ist nicht zu erwarten, dass sie dieselbe (für sie uninteressante) Arbeit für weniger Geld machen. Menschen reagieren auf Anreize! Sicher gibt es auch Leute, die gerne putzen, aber entscheidend ist nur, ob das der Regelfall oder Ausnahmefall ist. In vielen Berufen wird es wohl der Ausnahmefall sein, d. h. die Löhne müssten steigen, damit die Arbeit weiterhin gemacht wird.
Anders sieht es bei beliebten Berufen aus: Bei denen sinkt das Gehaltsniveau – u. U. bis auf 0. In Ansätzen ist das heute schon zu beobachten: Kreative Berufe sind fast durchgängig schlecht bezahlt, weil sich da viele um jeden Preis selbstverwirklichen wollen. Auch bei Frisören gibt es ein Überangebot. Das würde sich wohl noch verschärfen, wenn jeder auch nur aus Spaß Haare schneiden kann, weil sein Lebensunterhalt sowieso gesichert ist.
Veränderung der Ansprüche
Menschen fühlen sich nicht arm, weil sie zu wenig Geld haben, sondern weil sie weniger Geld als die Menschen um sie herum haben. Daraus folgt:
- Wenn man das bedingungslose Grundeinkommen durch Arbeit deutlich auffetten kann, hätte das wahrscheinlich zur Folge, dass die meisten mit dem Grundeinkommen allein gar nicht auskommen können und dann erst wieder arbeiten gehen müssen wie heute. Die Auswirkungen auf Gehalts- und Preisniveau wären dann geringer als oben vermutet. Allerdings ist diese Variante
- nicht realistisch, weil die Mehrheit nicht in solchem Ausmaß Nettogewinner sein kann und
- nicht zielführend, weil bei einem Jobverlust mit einem Schlag die Hälfte des Einkommens wegfiele – mehr als heute, und somit wären die meisten Leute (sehr Genügsame ausgenommen) trotz Grundeinkommen mehr von Erwerbsarbeit abhängig als heute
- Realistischer ist ein Nettounterschied zwischen Arbeiten und Nichtarbeiten ähnlich wie heute. Da wird es dann durch die Aufhebung des Arbeitszwangs zu einer Abwanderung von unbeliebten zu beliebten oder unbezahlten Berufen kommen (mit den beschriebenen Folgen).
Erhöhung der Steuerbelastung
Um ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzieren zu können, müssen gewaltige Beträge umverteilt werden. Selbst die Milliarden der Bankenrettung sind ein Schnäppchen dagegen. Mit einer Finanztransaktionssteuer und erhöhten Vermögenszuwachssteuer ist es genauso wenig getan wie mit Umschichtungen und Einsparungen im Staatshaushalt. Selbst eine 100%ige Erbschaftssteuer brächte nur einen Bruchteil des nötigen Betrags. Es wird eine große Zahl von Verlierern geben. Ihre Steuerbelastung würde mehr oder weniger drastisch ansteigen, sodass sich viele überlegen würden, in einen anderen Staat zu übersiedeln. Wenn sie das machen, verliert das System des Grundeinkommens aber seine Geldquellen. Wir bräuchten eine Mauer wie in der DDR!
Mein Fazit
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens, das jedem die "gesellschaftliche Teilhabe" auf Kosten des Steuerzahlers ermöglicht, ist mit Marktwirtschaft, Wohlstand und Freiheit nicht vereinbar.