Mario Sedlak
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Leben früher als Selbstversorger

"Autark sein" klingt gut. Das Leben als Selbstversorger wird heutzutage als erstrebenswerte Alternative zum Kapitalismus gesehen – viel angenehmer als die immer stressiger werdenden Jobs. Wie es wirklich war, zeigt ein Blick in die Vergangenheit, als ein Selbstversorger-Leben normal war.

Beispiel

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Reinberg heute

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Lauter verstreute Häuser

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mit Obstbäumen

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und vereinzelt auch noch Tieren

Der Litschauer Reinberg befindet sich tief im Waldviertel von Niederösterreich, nahe bei Eggern, Heidenreichstein und Litschau. Die Besiedelung erfolgte hauptsächlich in den Jahren 1728–1730.[1] Trotz hoher Grundstückspreise fanden sich rasch Käufer, denn "die Bestreitung des Lebensunterhaltes der Familie, das Recht auf Verehelichung, sozialer Status und Mitspracherecht im Gemeindeleben waren an Grundbesitz gebunden. So kamen vor allem viele der nicht als Hoferben vorgesehenen Söhne der Bauern der angrenzenden Ortschaften bzw. des Herrschaftsbezirks als Siedler an den Litschauer Reinberg." Die Häuser waren fast durchwegs einfache Holz-Lehmbauten auf einem steinernen Grundsockel mit Wohnraum, Rauchküche, Speicherraum und meist auch einem Stall. Der Fußboden war aus gestapftem Lehm, das Dach mit Stroh gedeckt.[2]

In dem Haus lebten meist mehrere Generationen einer Familie und Mitarbeiter; insgesamt oft um die zehn Personen.[3] Es gab eine klare Rangordnung und Aufgabenverteilung:[4]

Die Bauern erwirtschafteten aus der Landwirtschaft nur geringe Bargeldeinnahmen. Da aber die ganze Bewirtschaftung auf Selbstversorgung ausgerichtet war, die wenigen Geräte und Werkzeuge im Winter selber ausgebessert und erneuert wurden und viele Arbeiten in gegenseitiger Nachbarschaftshilfe verrichtet wurden, wurde auch selten Bargeld benötigt.[6]

Um so eine Selbstversorgung zu ermöglichen, durften die Höfe nicht geteilt werden.[7] Trotz hoher Kindersterblichkeit kam es zu einem deutlichen Geburtenüberschuss,[8] weshalb nicht alle Kinder einen eigenen Hof bekommen konnten und die Partnerwahl früher nach materiellen Gesichtspunkten (Größe des Hofes) erfolgte.[9] Eine Liebesheirat war die Ausnahme.[10]

Vor- und Nachteile des Kapitalismus

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Spinnräder

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Webstühle

Erst durch die gegen Ende des 18. Jahrhunderts einsetzende Industrialisierung und wegen des ständig steigenden Bedarfs an zusätzlichen Arbeitskräften konnte man auch ohne ausreichendes Grundstück heiraten und eine Familie gründen.[11]

Für die Bewohner von Reinberg-Litschau war das Entstehen der Baumwollindustrie ein Segen. Sie konnten in Heimarbeit durch das Spinnen von Garn oder das Weben von Stoffen Geld verdienen. "Aus den Erträgen der Landwirtschaft auf den steinigen Gründen hätte der Lebensunterhalt der rasch wachsenden Anzahl der Bewohner nicht gesichert werden können."[12]

Nachteilig war das schwankende Einkommen:

War viel zu tun, wurde einfach länger, d. h. bis in die späte Nacht gearbeitet; gab es keine Arbeit, versuchte man mit dem Ertrag der kleinen Landwirtschaft durchzukommen.[13]

Deswegen hatten auch die Häuser, in denen Arbeiter wohnten, genug Fläche für den Anbau von Grundnahrungsmitteln.[14] Während Wirtschaftskrisen und in den Jahren während und nach den beiden Weltkriegen war die Lage auf den Selbstversorgerhöfen nicht so dramatisch wie anderswo.[15]

Moderne Errungenschaften der Technik erreichten die ehemaligen Selbstversorger am Reinberg erst ziemlich spät:

Vor- und Nachteile von Mobilität

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Alte Motorräder und Mopeds

Auf Grund der schlechten Wirtschaftslage in der Zwischenkriegszeit war die Beschäftigungslage sehr unstabil und die Leute waren oft arbeitslos. Durch die geringe Mobilität wegen fehlender öffentlicher Verkehrsmittel und wegen eines Mangels von Betrieben in anderen Branchen in der näheren Umgebung war es auch für die heranwachsende Generation nur im geringen Ausmaß möglich, in andere Berufszweige zu wechseln.[18]

Besser wurde es erst nach 1955:

Die beginnende Motorisierung, zuerst durch Motorräder und Mopeds, später durch Autos, ermöglichte es, auch Arbeit außerhalb des unmittelbaren Nahbereichs anzunehmen.[19]
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Viele kleine Geschäfte gibt es nicht mehr.

Die Kehrseite:

Auf Grund des Bevölkerungsrückganges und eines veränderten Einkaufsverhaltens gingen in den 70er Jahren die Umsätze des Kaufhauses und des Gasthauses [in Reinberg-Litschau] stark zurück. 1979 wurden beide geschlossen.[20]

Mein Fazit

Eine Rückkehr in die "gute, alte Zeit" ist nicht die Lösung für die Probleme, die der Kapitalismus und das Auto angeblich verursacht haben.

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Farbsehen

Quellen

[1] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. Geschichte und Häuserchronik der Streusiedlung am Litschauer Berg. Reinberg-Litschau, 2012, S. 6
[2] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 8
[3] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 80
[4] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 38f.
[5] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 80
[6] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 81
[7] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 40
[8] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 324f.
[9] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 40
[10] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 41
[11] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 40
[12] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 104
[13] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 108
[14] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 9
[15] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 90
[16] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 23, 90
[17] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 127
[18] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 109
[19] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 109
[20] Martha und Franz Wagner: Reinberg-Litschau. 2012, S. 116

Seite erstellt am 28.12.2018 – letzte Änderung am 28.12.2018