Mario Sedlak
Umweltschutz
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Erdelose biologische Landwirtschaft

Alle, mit denen ich bisher gesprochen habe, waren überzeugt, dass eine erdelose Landwirtschaft keine biologische Landwirtschaft sein kann. Der deutsche Bioverband Naturland belehrt aber eines Besseren:

Im Gewächshaus werden Tomaten lediglich in Substrat-Containern oder -Säcken kultiviert, die über eine Nährstofflösung gedüngt werden – sie werden als Bio-Tomaten vermarktet.[1]

Zwar sagt die EU-Durchführungsverordnung 889/2008 in Artikel 4 für die biologische Produktionsweise:

Hydrokultur ist verboten.

Hydrokultur wird in den Begriffsbestimmungen dieser Verordnung allerdings definiert als

eine Anbaumethode, bei der die Pflanzen ausschließlich in einer mineralischen Nährstofflösung oder in einem inerten Medium wie Perlit, Kies oder Mineralwolle wurzeln, dem eine Nährstofflösung zugegeben wird

Demzufolge wäre eine Substratkultur mit Kokosfasern im EU-Biolandbau tatsächlich zulässig, denn Kokosfasern sind nicht inert, sondern geben Nährstoffe ab.[2] Die AGES zählt zu den nicht inerten Substraten u. a. Sägespäne und sogar Kies.

In Österreich dürfen Bio-Pflanzen – mit wenigen Ausnahmen – ausschließlich im Boden wachsen. Das haben Experten so aus den EU-Verordnungen herausgelesen. Die enthalten nämlich Erläuterungen, die den oben zitierten Stellen zu widersprechen scheinen.

Die meisten EU-Länder legen die Bio-Verordnung ebenso streng aus. Dänemark, Finnland und Schweden erlauben hingegen die erdelose biologische Landwirtschaft. Anscheinend blockieren diese Länder ein striktes Verbot auf EU-Ebene.[3] Auch in Norwegen,[4] Kanada und den USA müssen Bio-Pflanzen nicht in der Erde wachsen. Dennoch dürfen deren Produkte hierzulande als "biologisch" verkauft werden.[5]

Meine Meinung

Erdelose Landwirtschaft ist zwar umweltfreundlicher, sollte aber von Bio-Betrieben dennoch nicht praktiziert werden, damit der Konsument wählen kann, ob er industriell oder halbwegs natürlich produzierte Lebensmittel kaufen möchte. Dazu ist es vorteilhaft, wenn es eine klare Regelung auf EU-Ebene gibt.

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Erdelose biologische Landwirtschaft in Österreich

Quellen

[1] EU-Bio und Naturland-Öko im direkten Vergleich (PDF), S. 8, Punkt 7
[2] Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL): Herstellung und Einsatz komposthaltiger Pflanzsubstrate (PDF), S. 4
[3] IFOAM EU: Die Europäischen Öko-Verordnungen ... Bewertung der ersten drei Jahre und ein Blick in die Zukunft (PDF), 2012, S. 59 (im PDF S. 61)
Die Autorin dieses Berichts hat mir am 24.10.2015 mitgeteilt, dass immer noch genau die drei EU-Länder Bio-Substratkultur erlauben.
[4] Expert Group for Technical Advice on Organic Production: Final Report On Greenhouse Production (Protected Cropping) (PDF), 2013, S. 30
[5] IFOAM EU: Die Europäischen Öko-Verordnungen ... Bewertung der ersten drei Jahre und ein Blick in die Zukunft (PDF), 2012, S. 60 (im PDF S. 62)

Seite erstellt am 10.10.2015 – letzte Änderung am 27.2.2024